Abgrenzung von Werkvertrag zu Dienstvertrag: Für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend.
Für die Abgrenzung zwischen Dienstvertrag und Werkvertrag kommt es dabei darauf an, ob der Unternehmer einen bestimmten Erfolg versprochen hat – weil nach dem im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Willen der Parteien nicht lediglich eine Dienstleistung als solche, sondern ein Arbeitsergebnis als deren Erfolg geschuldet wird (so schon BGH NJW 1984, 2406 und OLG Karlsruhe, 7 U 214/06).
Abgrenzend hiervon ist daran zu denken, dass durch einen Dienstleistungsvertrag der Unternehmer im Gegensatz zu einem Werkvertrag gerade nicht zur Herstellung eines bestimmten Werkes und damit zur Erreichung eines bestimmten Erfolges verpflichtet wird, sondern lediglich zur ordnungsgemäßen Erbringung von Diensten.
Allgemeine Abgrenzung: Werkvertrag vs. Dienstvertrag
Insgesamt kann es für einen Werkvertrag sprechen, wenn die Parteien die zu erledigende Aufgabe und den Umfang der Arbeiten konkret festlegen.
Für die Frage, ob der Auftragnehmer für den Eintritt eines Erfolgs einstehen will, kann auch von Bedeutung sein, mit welcher Wahrscheinlichkeit nach den Vorstellungen der Parteien mit dem Eintritt eines Erfolgs gerechnet werden kann, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass der Werkunternehmer ein Erfolgsrisiko auch dann übernehmen kann, wenn der Eintritt des Erfolgs ungewiss ist.
Je größer die mit der Tätigkeit erkennbar verbundenen Unwägbarkeiten aber sind, umso ferner kann es aus der Sicht eines verständigen Bestellers liegen, dass der Unternehmer das Erfolgsrisiko dennoch übernehmen will. Dabei muss immer wieder erinnert werden: Im Zivilrecht ist man frei in dem, was man vereinbart – davon sollte man in der Vertragsgestaltung auch Gebrauch machen, wenn man hinterher nicht „böse erwachen“ möchte:
Beide Parteien beachten bei ihrer Argumentation nicht ausreichend, dass es aus Rechtsgründen nicht geboten ist, die Vereinbarung einheitlich entweder als Werkvertrag oder als Dienstvertrag einzuordnen, denn das Vertragsschuldrecht kennt keinen Typenzwang.
OLG Karlsruhe, 7 U 214/06
Gesamtbewertung ist nötig
Dass bei der tatrichterlichen Feststellung, was bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung Vertragsgegenstand ist, die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, hat der BGH (X ZR 27/01) schon früh klargestellt. Wichtig ist dabei, dass die vertragliche Beschreibung eines Ziels allein kein hinreichendes Indiz für die Annahme eines Werkvertrags ist:
Sofern der Vertrag hierzu keine ausdrückliche Regelung enthält, kann für dessen Auslegung eine Vielzahl von Umständen von Bedeutung sein. Für das Vorliegen eines Werkvertrags kann es sprechen, wenn die Parteien die zu erledigende Aufgabe und den Umfang der Arbeiten konkret festlegen (…) Für die Frage, ob der Auftragnehmer für den Eintritt eines Erfolgs einstehen will, kann auch von Bedeutung sein, mit welcher Wahrscheinlichkeit nach der Vorstellung der Parteien mit dem Eintritt eines Erfolgs gerechnet werden kann.
Zwar ist es weder logisch noch rechtlich ausgeschlossen, daß der Werkunternehmer das Erfolgsrisiko auch dann übernimmt, wenn der Eintritt des Erfolgs ungewiß ist (…) Je größer die mit der Tätigkeit erkennbar verbundenen Unwägbarkeiten sind, um so ferner kann es aber auch aus Sicht eines verständigen Bestellers liegen, daß der Unternehmer das Erfolgsrisiko dennoch übernehmen will (…) Unabhängig davon steht es den Vertragsparteien im Einzelfall frei, trotz eines relativ hohen Risikos einen Werkvertrag zu schließen.
BGH, X ZR 27/01
Die Abgrenzung von Werkvertrag und Dienstvertrag ist eine Aufgabe mit Herausforderung – weder kommt es alleine auf das an, was im Vertrag steht … noch auf das, was nicht darin steht. Die gute juristische Argumentation macht es im Zweifelsfall aus!
IT-Verträge
Für IT-Verträge geht die ständige Rechtssprechung vom Vorliegen eines Werkvertrages aus (so LG Düsseldorf, 41 O 61/21 unter Verweis auf BGH CR 1990, 708). Dies wird jedoch grundsätzlich für die Erbringung von IT-Leistungen mit agilem Projektmanagement in Zweifel gezogen. Dies folgt daraus, dass im Gegensatz zur herkömmlichen „Wasserfall-Methode“ bei Projektbeginn kein konkretes Ziel für das Projekt festgelegt wird, sondern bloß ein grobes Zielbild entworfen wird und im Anschluss während des Projekts dynamisch Etappenziele vereinbart werden.
Forschungs- oder Entwicklungsleistungen
Die obigen Grundsätze gelten auch für Verträge, in denen sich eine Partei zur Erbringung von Forschungs- oder Entwicklungsleistungen verpflichtet:
Eine allgemeine Regel dahin, dass der Forschungsvertrag grundsätzlich als Dienstvertrag und ein Entwicklungsvertrag grundsätzlich als Werkvertrag zu qualifizieren ist, lässt sich nicht aufstellen. Maßgebend sind vielmehr die konkreten Vereinbarungen im Einzelfall. Aufschluss über die Vorstellung der Parteien können auch die Regelungen über die Vergütung geben, aus denen sich Anhaltspunkte dafür ergeben können, wer das wirtschaftliche Risiko, dass das erstrebte Entwicklungsziel nicht oder nicht mit dem bei Vertragsschluss erwarteten Aufwand erreicht wird, tragen soll.
So kann in einer Vergütung eine Risikoprämie für den Unternehmer enthalten sein. Andererseits kann eine zeitaufwandsabhängige Vergütung in Form von regelmäßigen Zahlungen darauf hinweisen, dass der Unternehmer das Risiko eines Scheiterns wirtschaftlich oder rechtlich vernünftigerweise nicht übernehmen wollte, was wiederum ein Indiz dafür sein kann, dass eine solche Risikoübernahme von den Vertragsparteien nicht gewollt war (vgl. zusammenfassend BGH NJW 2002, 3323, 3324 = BGHZ 151, 330 = MDR 2003, 144).
OLG Karlsruhe, 7 U 214/06
Eine Regel, daß der Forschungsvertrag
grundsätzlich als Dienstvertrag und der Entwicklungsvertrag grundsätzlich als Werkvertrag zu qualifizieren ist, läßt sich mit dem BGH aber schon deshalb nicht aufstellen, weil die Grenzen zwischen Forschung und Entwicklung im Einzelfall fließend sein können.
Zudem können weitere Regelungen der vertraglichen Vereinbarung die Vorstellungen der Parteien darüber widerspiegeln, wer das – größere und geringere – Risiko tragen soll, daß das erstrebte Forschungs- oder Entwicklungsziel nicht oder nicht mit dem bei Vertragsschluß erwarteten Aufwand erreicht wird:
So kann die Vergütung eine „Risikoprämie“ für den Unternehmer enthalten. Andererseits kann die Vergütung, insbesondere dann, wenn sie zeitaufwandsabhängig in Form von Raten oder regelmäßigen Abschlagszahlungen zu leisten ist, auch darauf hinweisen, daß der Unternehmer das Risiko eines Scheiterns des Forschungs- oder Entwicklungsvorhabens wirtschaftlich oder – etwa bei einem öffentlich-rechtlich gebundenen Werkunternehmer – rechtlich vernünftigerweise nicht übernehmen kann, was wiederum ein Indiz dafür sein kann, daß eine solche Risikoübernahme von den Vertragsparteien nicht gewollt ist.
BGH, X ZR 27/01
Fazit zur Abgrenzung von Werkvertrag zu Dienstvertrag
Es gibt keine pauschale Regel, es kommt auf eine Gesamtbetrachtung an – Punkt. Wie der Vertrag benannt ist kann ein ausschaggebender Faktor sein, muss es aber nicht. Und am Ende kann eine objektive Bestimmung des Ausfallrisikos zu ganz überraschenden Ergebnissen führen, wenn man nicht etwa einen Risikoausgleich wie eine Risikoprämie aufgenommen hat.
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