Der Bundesgerichtshof (X ZR 170/12) hat in einer beachtenswerten Entscheidung die Haftung des Rechtsanwalts bei Abmahnungen im Bereich gewerblicher Schutzrechte erheblich ausgebaut. Dabei ist es erst einmal nichts Neues, dass ein Rechtsanwalt bei unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen im Markenrecht und Patentrecht haftet. Mit der nun vorliegenden Entscheidung geht der BGH aber einen neuen Weg, wenn er feststellt:
Den vom Schutzrechtsinhaber im Hinblick auf eine Schutzrechtsverwarnung eingeschalteten Rechtsanwalt trifft gegenüber dem später Verwarnten eine Garantenpflicht dahin, den Schutzrechtsinhaber nicht in einer die Rechtslage unzutreffend einschätzenden Weise über die Berechtigung der Schutzrechtsverwarnung zu beraten.
Das bedeutet, es entsteht eine Haftung des die Abmahnung aussprechenden Rechtsanwalts auch durch ein Unterlassen: Nämlich durch das Unterlassen einer ordnungsgemäßen Beratung seines eigenen Mandanten.
Dabei unterscheidet der Bundesgerichtshof zwei Konstellationen: Wenn eine Abmahnung für vollkommen unbedenklich erklärt wird (obwohl es Risiken gibt), ist dies eine Fahrlässigkeit, die eine Haftung begründet. Ausgeschlossen ist die Haftung des Anwalts aber dann, wenn auf die wesentlichen Gesichtspunkte hingewiesen wird, die ein Risiko darstellen und sich der Mandant gleichwohl für die Abmahnung entscheidet:
Erklärt der Rechtsanwalt eine Schutzrechtsverwarnung für rechtlich unbedenklich und entscheidet sich der Schutzrechtsinhaber infolgedessen, einen vermeintlichen Verletzer zu verwarnen, beruht der Eingriff in die Rechte Dritter auf einer zumindest fahrlässigen Verkennung der Rechtslage durch den Rechtsanwalt, wenn die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beratung Anlass gab, eine Verletzung des Schutzrechts zu verneinen oder jedenfalls für zweifelhaft zu halten.
Hat der Rechtsanwalt hingegen den Schutzrechtsinhaber bei unklarer Rechtslage auf alle wesentlichen Gesichtspunkte hingewiesen, die für oder gegen eine Verletzung des Schutzrechts sprechen, und entscheidet sich der Schutzrechtsinhaber trotz der aufgezeigten Bedenken dazu, die Verwarnung durchzuführen, kommt eine Haftung des Rechtsanwalts wegen unberechtigter Verwarnung nach § 823 Abs. 1 BGB regelmäßig nicht in Betracht, weil die Verwarnung dann nicht auf einer die Rechtslage fahrlässig falsch einschätzenden Beratung im Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts beruht, sondern auf einer Entscheidung des Schutzrechtsinhabers, die dieser nach Beratung durch den Rechtsanwalt in Kenntnis der ihm zutreffend und vollständig dargestellten unklaren Rechtslage getroffen hat.
Wie gesagt: Die Haftung des Anwalts im Bereich der Schutzrechte ist bei Abmahnungen kein Novum. Dass man aber nun eine Garantenpflicht hinsichtlich des Abgemahnten bezüglich ordnungsgemäßer rechtlicher Prüfung und Belehrung des eigenen Mandanten sieht kann durchaus bisher einfache Abmahnungen für Rechtsanwälte problematisch erscheinen lassen. Zumindest gibt es ein beachtliches Kostenrisiko dass bei der Bearbeitung zu berücksichtigen ist. Die Frage stellt sich haftungsrechtlich aber eben bei gewerblichen Schutzrechten, wo die Frage der Rechtsverletzung einer rechtlichen Bewertung im Detail unterliegt. Bei Urheberrechten dürfte sich die Problematik aus meiner Sicht nur dort stellen, wo die tatsächlich festgestellte Verwendung einer Schranke unterfällt, da hier dann rechtliche Bewertungen vorzunehmen sind.
Die Entscheidung ist ebenso kritisch wie positiv zu sehen. Gerade der Bereich der „Abmahnungen“ ist häufig von Rosinenpickerei gekennzeichnet. So stellt sich bis heute die Frage, warum etwa dort wo ein Kostenersatz auf die Geschäftsführung ohne Auftrag gestützt wird, nicht auch die spiegelbildlichen Ansprüche, insbesondere auf Auskunft und Rechnungslegung, geltend gemacht werden. Die vorliegende Entscheidung erinnert daran und verschärft zugleich, dass man gerade im Bereich von Abmahnungen sehr schnell in den Bereich rutschen kann, in dem auch Pflichten gegenüber dem Abgemahnten bestehen.
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