Abmahnung: Schadensersatz bei unberechtigter Schutzrechtsverwarnungen 

Bei einer unberechtigten Abmahnung im Markenrecht kann ein Schadensersatzanspruch gegen den Abmahner im Raum stehen – dies setzt – neben einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung – zur Feststellung der Rechtswidrigkeit mit dem BGH auch eine Interessenabwägung voraus. Hintergrund ist, dass das hier betroffene Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein offener Tatbestand ist, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben.

Rechtswidrigkeit des Eingriffs in den Gewerbebetrieb

Zugunsten des Abgemahnten ist grundsätzlich sein Interesse zu berücksichtigen, davor geschützt zu werden, zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen wegen der vermeintlichen Verletzung der Schutzrechte einschneidende unternehmerische Entscheidungen zu treffen, wie etwa die Einstellung oder Modifizierung von Herstellung und Vertrieb. Zu einem Beispielfall stellt das OLG Frankfurt fest:

Hier hätte die Klägerin zur Einstellung der behaupteten Verletzungshandlung zwar lediglich das Wort „Polzar“ bei Google auf die Blacklist setzen lassen müssen, so dass die Interessen der Klägerin durch die unberechtigte Abmahnung nicht so schwerwiegend beeinträchtigt wurden, wie in Fällen, in denen es um die Einstellung von Produktion oder Vertrieb schlechthin geht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der fahrlässig zu Unrecht ein Ausschließlichkeitsrecht geltend macht und damit schuldhaft unberechtigterweise mit einschneidenden Rechtsfolgen droht, die das Gesetz zugunsten des Inhabers eines solchen vorsieht, „näher dran“ ist als derjenige, der – und sei es gleichfalls fahrlässig – nicht erkannt hat, dass das Ausschließlichkeitsrecht zu Unrecht geltend gemacht worden ist (BGH, NJW 2005, 3141, 3144 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung).

OLG Frankfurt, 6 U 126/21

Schuldhaftes Handeln des Abmahners

Bei unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen gilt – auf Grund der damit verbundenen weitreichenden Konsequenzen – ein strenger Verschuldensmaßstab. Dies ist der Ausgleich für den strengen Sorgfaltsmaßstab, dem Dritte zur Vermeidung von Schutzrechtsverletzungen unterliegen. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Verwarners dürfen andererseits nicht so groß sein, dass er wegen des drohenden Haftungsrisikos von der Geltendmachung berechtigter Ansprüche abgehalten wird:

Art und Umfang der Sorgfaltspflichten eines Verwarners werden maßgeblich dadurch bestimmt, inwieweit er auf den Bestand und die Tragfähigkeit seines Schutzrechts vertrauen darf (BGH GRUR 2006, 432 Rn 25 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II; BGH WRP 2018, 950 Rn 89 – Ballerinaschuh). Bei geprüften wie ungeprüften Rechten handelt schuldhaft, wer bei sorgfältiger Prüfung zu der Erkenntnis gelangen muss, dass kein Eingriff in sein Schutzecht vorliegt. Allerdings gilt bei der Beurteilung, ob in den Schutzumfang des Rechts eingegriffen wird, ein etwas großzügigerer Maßstab als bei der Prüfung, ob überhaupt ein Schutzrecht besteht (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Omsels UWG, 5. Aufl. 2021, § 4 Rn 506 – 509).

OLG Frankfurt, 6 U 126/21

Gegenabmahnung?

Kosten einer Gegenabmahnung sind (unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag) nicht ersatzfähig, da der Abgemahnte bei der Gegenabmahnung ausschließlich im eigenen Interesse handelt und nicht zugleich im Interesse des Abmahners.

Allerdings kann eine Gegenabmahnung vor Erhebung einer negativen Feststellungsklage ausnahmsweise dann erforderlich sein, wenn dafür ein besonderer Grund vorliegt:

Ein solch besonderer Anlass für die Gegenabmahnung ist z.B. in Fällen bejaht worden, in denen der Abmahnende erkennbar von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war (BGH GRUR 2004, 790, 792 – Gegenabmahnung; OLG München WRP 1996, 928, 929; OLG München WRP 1997, 979, 80) oder in denen seit der Abmahnung ein längerer Zeitraum verstrichen ist und der Abmahnende in diesem entgegen seiner Androhung keine gerichtlichen Schritte eingeleitet hat. Denn nur in solchen Fällen entspricht eine Gegenabmahnung dem mutmaßlichen Willen und dem Interesse des Abmahnenden und kann der Abgemahnte daher die Kosten der Gegenabmahnung erstattet verlangen (BGH GRUR 2004, 790) (…)

Seit der Abmahnung durch den Beklagten war bereits ein längerer Zeitraum verstrichen (fünf Monate), ohne dass der Beklagten die angedrohte gerichtliche Geltendmachung vorgenommen hatte oder von der Abmahnung ausdrücklich Abstand genommen hatte. Die Klägerin musste daher davon ausgehen, dass es im Interesse des Beklagten lag, ihm durch eine Abmahnung den Weg zu weisen, von seiner Berühmung ohne Durchführung eines Gerichtsverfahrens Abstand zu nehmen.

OLG Frankfurt, 6 U 126/21
Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner