Beim OLG Frankfurt (11 U 18/14) ging es um die Frage, ob eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt. Dabei hält das Gericht fest, dass dies unter Abwägung der gegenläufigen Interessen zu ermitteln ist und nicht pauschal beurteilt werden kann. Richtete sich die Abmahnung nicht gegen einen Abnehmer, sondern dem Hersteller erscheint es in besonderer Weise unangemessen, das Schadensrisiko im Fall einer unberechtigten Abmahnung ohne Weiteres auf den Verwarnenden zu überlagern.
Aus der Entscheidung:
Allerdings kann die unbegründete Verwarnung, mit der vorliegend nicht lediglich wettbewerbsrechtliche, sondern auch markenrechtliche Ansprüche geltend gemacht wurden, ebenso wie eine sonstige unberechtigte Schutzrechtsverwarnung unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten (grundlegend BGH, NJW 2005, 3141 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung; kritisch hierzu für die Herstellerverwarnung Ohly/Sosnitza/Ohly, UWG, 6. Auflage, § 4 Rn. 10/38). Das dem Schutzrechtsinhaber verliehene Ausschließlichkeitsrecht schließt jeden Wettbewerber von der Benutzung des nach Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften definierten Schutzgegenstands aus. Diese einschneidende, die Freiheit des Wettbewerbs begrenzende Wirkung des Ausschließlichkeitsrechts verlangt nach einem Korrelat, welches sicherstellt, dass der Wettbewerb nicht über die objektiven Grenzen hinaus eingeschränkt wird, durch die das Gesetz den für schutzfähig erachteten Gegenstand und seinen Schutzbereich bestimmt (BGH, aaO).
Allerdings stellt der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb einen offenen Auffangtatbestand dar, der lediglich den gesetzlichen Schutz ergänzen und bestehende Haftungslücken ausfüllen soll. Inhalt und Grenzen des Anspruchs ergeben sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre. Die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs wird daher nicht indiziert, sondern ist in jedem Einzelfall unter Heranziehung aller Umstände zu prüfen (vgl. BGH GRUR 2006, 432 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II Rn. 23f.; BGH, GRUR 2009, 878 – Fräsautomat Rn. 17; vgl. OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2013, 507; Müko-Wagner, BGB, 6. Auflage, § 823 Rn. 264f., der eine Interessenabwägung allerdings erst im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung für erforderlich hält; Ohly, aaO, § 4 Rn. 10/38; offen gelassen von OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.10.2014 – I 15 U 49/14 Rn. 136). Das Erfordernis einer Interessenabwägung für die Feststellung der Rechtswidrigkeit gilt dabei in besonderem Maße, wenn – wie im vorliegenden Fall – sich die Verwarnung nicht gegen einen Abnehmer, sondern gegen den Hersteller richtet. Im Fall der Herstellerverwarnung erscheint es nicht angemessen, das Schadensrisiko dann, wenn die Abmahnung sich als unberechtigt erweist, ohne weiteres auf den Verwarnenden zu verlagern, indem dem Verwarnten ein Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zugestanden wird. Denn der Verwarnende besitzt in einem solchen Fall im Allgemeinen bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage keinen entscheidenden Informationsvorsprung gegenüber dem Verwarnten. Die Beurteilung der Schutzrechtslage kann zwar schwierig sein; dies gilt dann aber für beide Seiten in gleicher Weise. Auch besteht im Fall der Herstellerverwarnung weitgehend Waffengleichheit; der Verwarnte kann sich prozessual durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage zur Wehr setzen (vgl. Ohly, aaO, § 4 Rn. 10/38). Insofern unterscheidet sich die Interessenlage von der unberechtigten Abmahnung eines Abnehmers. Denn der abgemahnte Abnehmer, der auf Konkurrenzprodukte oder andere Lieferanten ausweichen kann, ist erfahrungsgemäß leichter geneigt, sich der Verwarnung zu beugen und auf diese Weise den mit einem Rechtsstreit verbundenen Nachteilen aus dem Weg zu gehen (BGH, NJW 2005, 3141, 3142, 3144; Ahrens/Achilles, Der Wettbewerbsprozess, 7. Auflage, Kap. 4 Rn. 19ff.).
Auf der Grundlage der damit hier erforderlichen Interessenabwägung ergibt sich, dass es vorliegend an einem rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB fehlt. Zu Gunsten des Abgemahnten ist grundsätzlich sein Interesse zu berücksichtigen, davor geschützt zu werden, zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen wegen der vermeintlichen Verletzung der Schutzrechte einschneidende unternehmerische Entscheidungen zu treffen, wie etwa die Einstellung oder Modifizierung von Herstellung und Vertrieb. Zwar wäre der Beklagte vorliegend, wäre er der Abmahnung gefolgt, gehalten gewesen, Hebebühnen nicht mehr unter Verwendung der angegriffenen Zeichen als MPR zu bewerben, anzubieten oder zu verbreiten. Der Vertrieb der Hebebühnen schlechthin auch über den beanstandeten Vertriebsweg über Ebay, die verwendete Ausstattung oder andere Werbemaßnahmen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.10.2014 – I 15 U 49/14 Rn. 136) wurden durch die Abmahnung nicht betroffen, so dass die Interessen des Beklagten durch die unberechtigte Abmahnung nicht so schwerwiegend beeinträchtigt wurden, wie in Fällen, in denen es um die Einstellung von Produktion oder Vertrieb schlechthin geht. Zudem ergibt sich vorliegend, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten über keinen Informationsvorsprung über die mit der Abmahnung geltend gemachte Schutzrechtslage verfügte. Der Grund für die fehlende Berechtigung der Abmahnung lag vorliegend nicht in dem Bestand des Schutzrechts, sondern in der fehlenden markenmäßigen Benutzung der angegriffenen Zeichen in den EbayAngeboten. Damit waren beiden Parteien die relevanten tatsächlichen Umstände für die Prüfung der Schutzrechtslage bekannt; die Beurteilung der Schutzrechtslage – hier der Reichweite des Schutzes – war vorliegend für beide Seiten gleich schwierig. Zwar ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der fahrlässig zu Unrecht ein Ausschließlichkeitsrecht geltend macht und damit schuldhaft unberechtigterweise mit einschneidenden Rechtsfolgen droht, die das Gesetz zu Gunsten des Inhabers eines solchen vorsieht, „näher dran“ ist als derjenige, der – und sei es gleichfalls fahrlässig – nicht erkannt hat, dass das Ausschließlichkeitsrecht zu Unrecht geltend gemacht worden ist (BGH, NJW 2005, 3141, 3144). Doch darf auch der Abgemahnte eine ausgesprochene Verwarnung nicht blindlings befolgen, sondern hat selbst in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Abmahnung zumindest auf Plausibilität und offenkundige Fehler zu prüfen, wobei ihm die Inanspruchnahme sachkundiger Hilfe anzusinnen ist (Ahrens/Achilles, Der Wettbewerbsprozess, 7. Auflage, Kap. 4 Rn. 23). Im Rahmen der hier vorliegenden Herstellerverwarnung ist der Verwarnte gehalten, einer als unberechtigt einzuschätzenden Verwarnung gegenüber nicht voreilig nachzugeben (Müko-Wagner, BGB, 6. Auflage, § 823 Rn. 265; vgl. auch BGH, NJW 2005, 3141, 3144 zur Möglichkeit der Berücksichtigung im Rahmen des Mitverschuldens).
Zudem kann ein Verschulden des Klägers nicht festgestellt werden, so dass auch aus diesem Grund der Ersatz der Rechtsanwaltskosten als Schadenersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB ausscheidet. Im Fall der Herstellerverwarnung sind bei der Prüfung des Fahrlässigkeitsvorwurfs die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Schutzrechtsinhabers nicht zu überspannen (Müko-Wagner, BGB, 6. Auflage, § 823 Rn. 265). Jedenfalls in diesem Fall ist anzunehmen, dass ein Verschulden grundsätzlich dann zu verneinen ist, wenn sich der Abmahnende auf den Rat seiner fach- und rechtskundigen Berater verlassen hat, die nach eingehender Untersuchung die der Verwarnung zugrunde liegenden Schutzrechte für schutzfähig gehalten und die abgemahnte Handlungsweise als schutzrechtsverletzend angesehen haben (Ahrens/Achilles, Der Wettbewerbsprozess, 7. Auflage, Kap. 4 Rn. 23; BGH, NJW 1974, 315, 317f.; Müko-Wagner, BGB, 6. Auflage, § 823 Rn. 265). Da die Abmahnung von einem Rechtsanwalt unterzeichnet wurde, bei dem es sich um einen Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz handelte, ergibt sich, dass der Kläger die Abmahnung auf der Grundlage des Rats seines fach- und rechtskundigen Beraters ausgesprochen hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gleichwohl begründeten Anlass gehabt hätte, dessen Urteil anzuzweifeln (vgl. BGH, GRUR 1976, 715), sind nicht ersichtlich oder vom Beklagten dargetan.
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