Abmahnung: Wirksam auch mit falscher Begründung!

Eine Abmahnung ist auch dann „wirksam“, wenn ihr eine vollkommen falsche Begründung beigelegt ist, so das Kammergericht in zwei aktuellen Entscheidungen (5 U 90/11, 6 U 195/11), denn so

[…] muss die Abmahnung (u.a.) mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, welches konkrete Verhalten beanstandet wird, für das die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangt wird […] Soweit die Abmahnung die vorgeworfene Handlung nicht – wie es richtig gewesen wäre – als unlauteres Verhalten darstellt, sondern – unzutreffend – als „Verstoß gegen die in der einstweiligen Verfügung ausgesprochenen Verbote“ […] ist das ohne Belang. Denn eine unzutreffende rechtliche Würdigung in der Abmahnung ist grundsätzlich unschädlich; es genügt insoweit, dass der Abgemahnte das konkret als wettbewerbswidrig beanstandete Verhalten rechtlich beurteilen und daraus die notwendigen Folgerungen ziehen kann […]

Um das zu verstehen, muss man den Zweck einer Abmahnung richtig erfassen.

Hinweis: Der vorliegende Beitrag ist weiterhin aktuell, wird aber durch aktuelle BGH Rechtsprechung zumindest teilweise in Frage gestellt!


Die Abmahnung ist inzwischen als „Abzockinstrument“ verschrieen, was sie aber gar nicht ist: Der Gedanke hinter der Abmahnung, die fernab vom IT-Recht ja auch noch existiert, ist im Grunde ein Guter! Es geht darum, sehr scharfe Maßnahmen wie etwa Gerichtsverfahren möglichst hinaus zu ziehen: Anstelle einer Kündigung (im Arbeitsrecht oder Mietrecht) gibt es erst einmal eine Abmahnung. Der Angestellte/Mieter kann sein Verhalten anpassen und wird gerade nicht direkt „rausgeworfen“. Schlecht ist das nicht.

Ebenso im IT-Recht, etwa im Urheberrecht: Anstelle direkt mit einer Klage konfrontiert zu werden, die man verlieren würde und erheblich mehr kosten würde, gibt es eine Abmahnung, die zwar auch kostet, aber eben weniger. Das das mitunter ein wenig Geschmäckle hat, ist eine andere Sache – ebenso wie die Tatsache, dass massenhafte Rechteverletzungen nun einmal verfolgt werden müssen. (Die Diskussion soll hier nicht geführt werden.)

Es gibt aber einen erheblichen Unterschied zwischen dem IT-Recht und dem Arbeitsrecht: Eine ordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung gibt es nicht. Im IT-Recht aber ist die Abmahnung gerade nicht zwingend vorgeschrieben. Sowohl §12 I UWG als auch §97a UrhG sprechen davon, dass der Schuldner bzw. Rechtsverletzer vor Klageerhebung abgemahnt werden „soll“, nicht „muss“. Eine Klage ist also auch dann noch möglich, wenn gar nicht abgemahnt wurde – oder eben unwirksam.

Die Konsequenz für den gescheiterten Abmahner ist daher vor allem bei den Kosten zu sehen: Eine wirklich unwirksame Abmahnung kann schwerlich zu einem Kostenerstattungsanspruch für diese Abmahnung führen. Ebenfalls läuft der gescheiterte Abmahner im Klagefall Gefahr, dass er auf den Gerichtskosten sitzenbleibt, etwa wenn der Gegner sofort Anerkennt. Darüber hinaus aber ist die Frage, ob die Abmahnung „unwirksam“ ist, ohne ernsthafte Relevanz. „Unwirksame Abmahnung“ bedeutet letztlich vor allem eines: Ein schwer zu kalkulierendes Kostenrisiko für den gescheiterten Abmahner im Klagefall und eine etwas bessere Position für den unwirksam Abgemahnten, aber eben keine Sicherheit darüber hinaus.

Deswegen ist es letztlich auch unschädlich, ob die Begründung der Abmahnung korrekt ist oder nicht: Da hier mit der Abmahnung keine Klagevoraussetzung vorliegt, kann es keine weitreichenden Konsequenzen haben. Im Kern geht es alleine um die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs, für den reicht dann halt schon die Klarstellung des kritisierten Sachverhalts („Was ist geschehen“). Dem Rechtsverletzer noch eine zutreffende rechtliche Würdigung liefern zu müssen würde zu weit gehen – die rechtliche Würdigung ist genau genommen seine Aufgabe. Übrigens so wie das Abfassen einer geeigneten Unterlassungserklärung. Das häufig eine Vorformulierte beigefügt ist, ist genau genommen ein „Service“ des Abmahners. Natürlich abgesehen davon, dass dieser „Service“ gerne genutzt wird, mehr Versprechen abzuringen als nötig…

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner