Unwirksame AGB: allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen einer Kontrolle, sowohl im Verkehr mit Verbrauchern als auch im kaufmännischen Verkehr. Dies führt gerade bei Kaufleuten immer wieder zu Verwunderung, die dieses Kontrollsystem nicht verstehen.
Der Bundesgerichtshof (XI ZR 174/13) hat nochmals die Grundsätze hierbei sehr verständlich zusammengefasst, eine Gelegenheit diese Rechtsprechung hier aufzunehmen und zu verdeutlichen, wie wichtig bei AGB die Beratung vor der Verwendung ist – hinterher ist selten etwas zu retten.
Zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)
Bevor man über die Wirksamkeit von AGB streitet, ist erst einmal zu Fragen, wie die jeweilige AGB überhaupt zu verstehen ist.
Der Inhaltskontrolle vorgeschaltet ist also erst einmal die Ermittlung des objektiven Inhalts der Klausel durch eine Auslegung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei entsprechend ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn ausgehend von ihrem Wortlaut einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Kreise verstanden werden. Hierbei gilt: Man klebt nicht am Wortlaut, sondern überlegt wie beide Parteien es verstehen müssten, wobei Schwierigkeiten einseitig zu Lasten des Verwenders gehen:
Der Inhalt einer Allgemeinen Geschäftsbedingung ist durch Auslegung zu ermitteln (…) Dabei ist ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel zu fragen. Sie ist so auszulegen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig be-teiligten Verkehrskreise verstanden wird (…)
Zweifel bei der Auslegung gehen (…) zu Lasten des Verwenders. Außer Betracht zu bleiben haben Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fern liegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind (…)
Dazu beachten Sie bitte auch unseren längeren Beitrag zur Auslegung von AGB.
Welche AGB-Klauseln unterliegen einer Kontrolle
Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gelten die Vorschriften über die Inhaltskontrolle nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen durch die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle weder Preise oder Leistungsangebote kontrolliert noch Vorschriften anderer Gesetze geändert werden.
Nicht alle Klauseln können also einer Inhaltskontrolle unterzogen werden, jedenfalls Hauptpreisklauslen sind ausgenommen. So
(…) sind Gegenstand der Inhaltskontrolle solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Darunter fallen grundsätzlich weder bloß deklaratorische Klauseln noch solche, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen.
Kontrollfähig sind aber Klauseln, die von gesetzlichen Preisregelungen abweichen (…) Weiter kontrollfähig sind Klauseln, die kein Entgelt für eine Leistung zum Gegenstand haben, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht wird, sondern mittels derer der Verwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abwälzt (…) Dies gilt auch dann, wenn die Entgeltklausel in einem Regelwerk enthalten ist, das wie hier das Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten Preise für Einzelleistungen bei der Vertragsabwicklung festlegt
Die letzten Punkte sind besonders wichtig: Kosten für die Erfüllung eigener Pflichten dürfen nicht abgewälzt werden; weiterhin kann man die AGB-Kontrolle nicht aushebeln, indem man Bedingungen durch den Umweg einer Preisdefinition in einem Preis- und Leistungsverzeichnis vorgibt.
Eine Inhaltskontrolle von AGB findet daher nicht statt hinsichtlich solcher Abreden, die unmittelbar Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der dafür geschuldeten Vergütung regeln. Nach dem im Zivilrecht geltenden Grundsatz der Privatautonomie sind die Vertragsparteien bei der Bestimmung von Leistung und Gegenleistung vielmehr grundsätzlich frei; mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es insoweit regelmäßig auch an einem Kontrollmaßstab. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle gilt allerdings nur für Vereinbarungen über den unmittelbaren Leistungsgegenstand, während Regelungen, die die Leistungspflicht der Parteien einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, der Inhaltskontrolle unterliegen.
Unwirksamkeit von AGB
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (Nr. 1) oder wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (Nr. 2).
Voraussetzung ist zunächst eine Benachteiligung des Vertragspartners von einigem Gewicht. Unangemessen im Sinne von § 307 BGB ist eine solche Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist anhand einer Gesamtwürdigung des konkreten Vertrags, der typischen Interessenlage der Vertragsparteien und des Regelungszusammenhangs zu beurteilen.
Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so deutlich erkennen lassen, wie dies nach den Umständen möglich und zumutbar ist. Verstöße gegen das Transparenzgebot entsprechen nicht den Gebräuchen und Gepflogenheiten des Handelsverkehrs (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) und führen daher auch gegenüber einem Unternehmer zur Unwirksamkeit formularmäßiger Geschäftsbedingungen (BGH, XII ZR 1/17). Wann eine Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam ist bestimmt sich nach der gesetzlichen Grundlage:
Allgemeine Geschäftsbedingungen, die zum Nachteil des Kunden gegen (halb-)zwingendes Recht verstoßen, benachteiligen ihn zugleich mit der Folge ihrer Unwirksamkeit unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (…)
Das Verbot geltungserhaltender Reduktion bei unwirksamen AGB
Der letzte wichtige Aspekt bei unwirksamen AGB: Eine unwirksame AGB-Klausel darf nicht so verstanden werden, dass man sie quasi auf den maximal möglichen Inhalt zurückstutzt – entweder die Klausel ist wirksam oder nicht. So will man verhindern, dass übermächtige Vertragspartner die Verhandlungen beherrschen:
Die inhaltlich sowie ihrer sprachlichen Fassung nach nicht teilbare Klausel kann mit der Folge, dass das Ergebnis des Berufungsgerichts wenigstens teilweise Bestand hätte, auch nicht in Anwendung des Rechtsgedankens des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB teilweise aufrechterhalten werden. Dem widerstritte das in ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (…) das auch im Falle der Unvereinbarkeit einer Entgeltklausel mit gesetzlichen Vorgaben gilt (…)
Dazu auch unser längerer Beitrag zur geltungserhaltenden Reduktion.
Unwirksame AGB-Klauseln gibt es viele, die Kommentarliteratur dazu ist geradezu unüberschaubar. Eine sehr kleine Auswahl typischer unwirksamer AGB finden Sie in unserem Artikel „Unwirksame AGB – Beispiele“. Insgesamt gilt, dass eine Prüfung der AGB der sinnvollste Weg sein wird und zwar immer VOR der Verwendung!
Jens Ferner
RechtsanwaltÜberprüfung von AGB in der Revision
Auch wenn die Revision keine Tatsacheninstanz ist, steht es dem Bundesgerichtshof frei, durch die vorherigen Gerichte ausgelegte AGB selber zu würdigen und ist hier insbesondere nicht an das Verständnis der Instanzgerichte gebunden. So führt der BGH (X ZR 60/04) hierzu beispielsweise aus:
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß AGB dann wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und infolgedessen vom Revisionsgericht frei auszulegen sind, wenn sie bestimmten Anforderungen in Bezug auf ihren räumlichen Geltungsbereich genügen. Der Grund dafür ist das Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung überörtlich geltender AGB (…) Daß die Klausel nur im Bezirk eines Oberlandesgerichts angewendet wird, steht der Auslegung durch das Revisionsgericht nicht entgegen.
Dies hat der BGH (X ZR 18/15) zuletzt im Jahr 2016 nochmals bekräftigt:
Der Senat kann die Auslegung der Benutzungsbedingungen durch das Berufungsgericht in vollem Umfang nachprüfen, unabhängig davon, ob sie nur im Bezirk eines Oberlandesgerichts angewendet werden.
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