Das Amtsgericht Kassel (435 C 777/23) hat in einer Entscheidung klargestellt, dass die Ablehnung eines Kreditkartenvertrages allein wegen des Alters – hier: eines 88-Jährigen – Neukunden diskriminierend sein und Schadensersatzansprüche auslösen kann. Geklagt hatte ein pensionierter Bundesrichter, dessen monatliches Einkommen den Verfügungsrahmen des angestrebten Vertrages um weit mehr als das Doppelte überstieg!
Die Entscheidung macht deutlich, wie gefährlich schematische Entscheidungen sind. Man sollte sich immer Art. 22 DSGVO vor Augen halten, der besagt, dass eine betroffene Person das Recht hat, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt. Im vorliegenden Fall war die DSGVO jedoch nicht maßgeblich, vielmehr genügte der Rückgriff auf das deutsche Antidiskriminierungsgesetz (AGG).
Dazu auch bei uns: Zulässige Altersdiskriminierung bei Verweigerung von Ratenzahlungen für ältere Menschen
Sachverhalt
Der bei Klageerhebung 88-jährige Kläger ist Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht a.D. und bezieht derzeit eine Pension von mehr als 6.400,00 € monatlich. Im September 2022 beantragte er bei der Beklagten über deren Internetportal eine Kreditkarte mit einem Verfügungsrahmen von 2.500,00 € und unbefristeter Laufzeit. Mit E-Mail vom 10.10.2022 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, dass die Rückzahlungsprognose für einen über eine Kreditkarte gewährten Kredit angesichts des Alters des potenziellen Kreditnehmers ungünstig sei.
Entscheidung des Gerichts
Das Gericht bejahte einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG, da die Weigerung der Beklagten, mit dem Kläger einen Kreditkartenvertrag abzuschließen, gegen das Benachteiligungsverbot des § 1 AGG verstoße.
Nach § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG darf eine Benachteiligung wegen des Alters nicht erfolgen. Dieses Benachteiligungsverbot gilt nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG auch für zivilrechtliche Verträge. Das in der Vorschrift genannte Tatbestandsmerkmal des Zugangs zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen für die Öffentlichkeit ist jedenfalls dann erfüllt, wenn ein Unternehmer den Abschluss von Verträgen allgemein öffentlich – z.B. wie hier über das Internet – anbietet.
Die weitere Einschränkung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG, dass ein sogenanntes Massengeschäft vorliegen muss, war hier aus Sicht des Gerichts ohne Weiteres erfüllt (mit der Folge, dass es angesichts des wechselseitigen Parteivortrags insoweit keiner Beweisaufnahme mehr bedurfte!).
Ein Massengeschäft liegt vor, wenn es sich um Verträge im Bereich der Konsumgüterwirtschaft und/oder über standardisierte Dienstleistungen handelt und nach der Verkehrssitte bei generalisierender, typisierender Betrachtungsweise persönliche Merkmale typischerweise keine Rolle spielen. Dies war hier der Fall, da Banken und vergleichbare Unternehmen Kreditkartenverträge mit jedermann abschließen, der über eine hinreichende wirtschaftliche Bonität verfügt. Das scheinbar persönliche Merkmal eines bestimmten Vermögens oder Einkommens sei daher kein solches, das das Massengeschäft ausschließe. Denn durch das Unterscheidungskriterium der ausreichenden Bonität wird nur ein vergleichsweise kleiner Teil der volljährigen (und damit rechtlich unbeschränkt geschäftsfähigen) Bevölkerung ausgeschlossen.
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