Am 5. September 2024 veröffentlichte Generalanwältin Laila Medina ihre Schlussanträge in der Rechtssache C-233/23, die den Technologieriesen Google betrifft. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die wettbewerbsrechtlichen Herausforderungen, die mit der Weigerung von Google, Drittentwicklern Zugang zu seiner Plattform Android Auto zu gewähren, verbunden sind.
Hintergrund des Falls
Android Auto, eine von Google entwickelte App für Android-Mobilgeräte, ermöglicht es Benutzern, über den in Fahrzeugen integrierten Bildschirm auf bestimmte Apps auf ihren Smartphones zuzugreifen. Drittentwickler können ihre Apps mit Android Auto kompatibel machen, allerdings nur, wenn Google die entsprechenden Templates bereitstellt. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die App JuicePass von Enel X, die Dienstleistungen für das Laden von Elektrofahrzeugen anbietet. Enel X ersuchte Google im Jahr 2018, JuicePass mit Android Auto kompatibel zu machen, doch Google lehnte dies ab, unter anderem aus Sicherheitsgründen und wegen der Ressourcen, die für die Entwicklung neuer Templates erforderlich wären.
Die italienische Wettbewerbsbehörde kam zu dem Schluss, dass dieses Verhalten von Google einen Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung darstellt, da es die Veröffentlichung der JuicePass-App auf der Android Auto Plattform behindere und verzögere. Google legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, und der Fall wurde an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet.
Die Einschätzung der Generalanwältin
In ihren Schlussanträgen untersuchte Generalanwältin Medina, ob die ständige Rechtsprechung zur Zugangsverweigerung durch marktbeherrschende Unternehmen, die sogenannten Bronner-Voraussetzungen, in diesem Fall anwendbar ist. Diese Voraussetzungen besagen, dass ein Missbrauch vorliegt, wenn ein Unternehmen den Zugang zu einer Infrastruktur verweigert, die für die Tätigkeit des ersuchenden Unternehmens unentbehrlich ist und keine Ersatzmöglichkeit besteht.
Medina kam zu dem Schluss, dass diese Voraussetzungen nicht anwendbar sind, wenn die Plattform, zu der der Zugang verlangt wird, nicht ausschließlich für die eigene Nutzung des marktbeherrschenden Unternehmens entwickelt wurde, sondern auch für Drittentwickler konzipiert ist. Sie betonte, dass ein Missbrauch dann vorliegt, wenn das Verhalten des Unternehmens den Zugang einer App eines Drittanbieters behindert, vorausgesetzt, dieses Verhalten führt zu wettbewerbswidrigen Auswirkungen zum Nachteil der Verbraucher und ist nicht objektiv gerechtfertigt.
Objektive Rechtfertigungen und Implikationen
Die Generalanwältin führte weiter aus, dass eine Zugangsverweigerung objektiv gerechtfertigt sein kann, wenn der Zugang technisch nicht möglich ist oder die Leistung der Plattform beeinträchtigen könnte. Allerdings reicht die Notwendigkeit, zusätzliche Software-Templates zu entwickeln, nicht aus, um eine Zugangsverweigerung zu rechtfertigen, wenn dafür ein angemessener Zeitrahmen und eine entsprechende Vergütung zur Verfügung stehen.
Diese Schlussanträge haben erhebliche Auswirkungen auf die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts in der digitalen Wirtschaft. Sie verdeutlichen, dass marktbeherrschende Unternehmen nicht nur passiv auf Zugangsanfragen reagieren dürfen, sondern unter Umständen auch aktiv handeln müssen, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Dies könnte zukünftige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs prägen und bietet eine Grundlage für eine strengere Kontrolle von Plattformbetreibern wie Google.
Ausblick
Die Entscheidung des EuGH in dieser Rechtssache steht noch aus, doch die Schlussanträge der Generalanwältin geben bereits eine klare Richtung vor: Plattformbetreiber, die eine beherrschende Stellung einnehmen, müssen sicherstellen, dass sie den Zugang zu ihren Diensten fair gestalten. Dies könnte insbesondere in der schnell wachsenden digitalen Wirtschaft zu einer Stärkung der Rechte von Drittanbietern führen und Innovationen fördern, indem Hindernisse für den Marktzugang abgebaut werden.
Die Entscheidung des EuGH wird mit Spannung erwartet, da sie nicht nur für Google, sondern auch für andere große Technologieunternehmen richtungsweisend sein könnte, die in ähnlichen Marktstrukturen agieren. Es bleibt abzuwarten, wie der Gerichtshof die Balance zwischen Innovation, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit in diesem wichtigen Bereich finden wird.
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