Kann einem Arbeitnehmer fristlos gekündigt werden, wenn er eigenmächtig Daten verändert, die der Arbeitgeber benötigt und die auf einem Server des Arbeitgebers gespeichert sind? Beim Landesarbeitsgericht Hamm (15 Sa 451/15) ging es um ebendiese Frage und im Kern wurde es bejaht.
Es ging darum, dass ein Mitarbeiter eines Sozialpsychiatrischen Dienstes aus privaten Gründen „Stammdaten“ einer Patientin verändert hatte und damit die ordnungsgemäße Tätigkeit sabotierte. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass ganz allgemein die Veränderung betriebswichtiger Daten einen Grund für eine fristlose Kündigung darstellt. Dabei ist es ohne Belang, ob eine Straftat vorlag oder die Verarbeitung von Daten zum Kernarbeitsbereich gehört.
Das Landesarbeitsgericht betont damit die Bedeutung von Daten und deren Konsistenz bzw. des Vertrauens von Betrieben in vorhandene Datenbestände. Gleichwohl: Auch wenn es durchaus einen Kündigungsgrund darstellt, so kommt es auf den Einzelfall an. Vorliegend war die fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt, weil das Landesarbeitsgericht der Meinung war, dass in diesem Fall (es ging um einen älteren Arbeitnehmer der auch noch weiterbeschäftigt wurde sowie einen einmaligen Vorfall mit privatem Hintergrund) eine Abmahnung und ggfs. ordentliche Kündigung ausreichend gewesen wäre. Dennoch zeigt die Entscheidung deutlich auf, wie Umsichtig Arbeitnehmer handeln müssen und dass Arbeitgeber nicht eigenmächtige Datenmanipulationen hinnehmen müssen.
Aus der Entscheidung:
Als wichtiger Grund ist neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet (vgl. BAG, 08.05.2014 – 2 AZR 249/13, NZA 2014, 1258; BAG, 27.01.2011 – 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (vgl. BAG, 28.10.2010 – 2 AZR 293/09, NZA 2011, 112).
Das Löschen betrieblicher Dateien auf einem betrieblichen Server/Rechner stellt ein Verhalten dar, das grundsätzlich als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist (LAG Hamburg, 24.02.2015 – 2 TaBV 10/14, Juris; LAG Hessen, 05.08.2013 – 7 Sa 1060/10, ZD 2014, 377 sowie bei Juris). Ebenso an sich geeignet, einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des Gesetzes darzustellen, ist die unterlassene Deaktivierung eines zuvor aktivierten Sicherungsprogramms bei Verlassen des Arbeitsplatzes, um so dem Arbeitgeber als Eigentümer des PC die Zugriffsmöglichkeit zumindest zeitweilig unmöglich zu machen. Ein solches arbeitsvertragswidriges Verhalten ist überdies geeignet, aus Sicht eines objektiven Dritten einen Straftatbestand im Sinne des § 303 a StGB darstellen zu können (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 18.07.2006 – 3 Sa 474/05, Juris).
Nichts anderes gilt vorliegend für den Fall vorsätzlicher Datenveränderungen. Der Kläger hat unstreitig in dem im Bereich des Sozialpsychiatrischen Dienstes von dem Beklagten verwendeten Dokumentationssystem ISGA Kontaktdaten über eine Klientin verändert, und zwar mehrfach in dem Zeitraum zwischen dem 13.06.2013 und 15.04.2014. Dabei kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber diese Daten zukünftig tatsächlich benötigt. Es gehört vielmehr zu den vertraglichen Nebenpflichten eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB, dass der Arbeitnehmer rechtswidrige Datenveränderungen auf betrieblichen Dateien nicht vornimmt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine vorsätzliche Datenveränderung im Sinne von § 303 a StGB strafbewehrt ist. § 303 a StGB schützt Daten, an denen eine andere Person als der Täter ein unmittelbares rechtlich schutzwürdiges Interesse in Form einer eigentümerähnlichen Verfügungsbefugnis hat, u. a. gegen Veränderungen.
Vorliegend änderte der Kläger von ihm gespeicherte Daten in der Dokumentationssoftware ISGA, indem er in dem EDV-System die Falldaten einer Klientin mehrfach hinsichtlich Name, Vorname und Adresse abänderte. Dieses Verhalten ist an sich als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet.
Es kann dahinstehen, ob es sich bei den von dem Kläger vorsätzlich vorgenommenen Datenveränderungen um eine Straftat gehandelt hat. In jedem Fall verletzt der Arbeitnehmer mit solchen Handlungen in erheblichem Maße seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen seines Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist die strafrechtliche Bewertung nicht von Belang. Entscheidend ist allein der Verstoß des Arbeitnehmers gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG, 19.04.2007 – 2 AZR 78/06, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann deshalb einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen.
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