Ausübung von Hausrecht auf Social-Media-Plattform

Wie geht man damit um, wenn Social Media Plattformen Inhalte von Nutzern sperren oder Nutzer verbannen – welcher rechtlichen Prüfung ist das Unterworfen? Speziell vor dem Hintergrund, dass hier durch Unternehmen faktisch eine Regulierung des Rechts auf Meinungsäusserungsfreiheit vorgenommen wird. Inzwischen ist deutlich, dass Nutzer hier gerade nicht schutzlos sind und Unternehmen „tun können, was sie wollen“!

Das OLG München (18 U 1491/19 Pre) hat die bisher bestehende Rechtsprechung sehr umfangreich zusammengefasst, stellt klar, dass hier kein willkürliches handeln möglich ist und führt in Leitsätzen aus:

  1. Dem Nutzer einer Social-Media-Plattform, die nach ihrer Zweckbestimmung einen allgemeinen Informations- und Meinungsaustausch ermöglichen soll, steht aus dem Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB und der mittelbaren Drittwirkung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gegen den Betreiber ein Anspruch darauf zu, dass eine von ihm eingestellte zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt und ihre Einstellung nicht mit Sanktionen des Betreibers belegt wird.
  2. Der Plattformbetreiber kann durch das Aufstellen allgemeiner Verhaltensregeln Rechte, Rechtsgüter und Interessen im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB definieren, auf die der Nutzer seinerseits Rücksicht zu nehmen hat.
  3. Die vom Plattformbetreiber in allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgestellten Verhaltensregeln unterliegen grundsätzlich der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Sie halten dieser Kontrolle stand, soweit sie die Schranken konkretisieren, denen die Ausübung der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 2 GG oder aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts unterworfen ist. Zu diesen Schranken gehört insbesondere auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) des von der Äußerung Betroffenen.
  4. Wenn eine Äußerung nicht bereits den objektiven Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, erfordert die Prüfung ihrer Zulässigkeit im vorgenannten Sinn regelmäßig eine Abwägung, in deren Rahmen die kollidierenden (Grund-) Rechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz so zum Ausgleich zu bringen sind, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261).
  5. Im Hinblick auf die fundamentale Bedeutung, die der Meinungsfreiheit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die menschliche Person und die demokratische Ordnung zukommt, kann dem Betreiber einer dem allgemeinen Informations- und Meinungsaustausch dienenden Social-Media-Plattform kein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum („virtuelles Hausrecht“) zugebilligt werden, ob eine von einem Nutzer auf der Plattform eingestellte Äußerung entfernt werden darf oder nicht. Dem Plattformbetreiber bleibt es aber unbenommen, ein Forum zu eröffnen, das nach seiner Zweckbestimmung der Erörterung bestimmter Themen vorbehalten ist.
Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner