In einem kürzlich ergangenen Beschluss des Kammergerichts Berlin (KG Beschluss vom 11.03.2024 – 10 U 113/23) wurde ein wichtiger Fall in Bezug auf die Spannung zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz entschieden.
Der Fall betraf die Berichterstattung über eine längst getilgte Vorstrafe einer Person und beleuchtet die feinen Abwägungen, die das Gericht zwischen dem Recht auf Information der Öffentlichkeit und dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit eines Einzelnen vornimmt.
Hintergrund des Falles
In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine Zeitung über eine vor 17 Jahren erfolgte Verurteilung einer Person zu einer Bewährungsstrafe berichtet. Die Berichterstattung griff auf, dass diese Vorstrafe aus dem Bundeszentralregister getilgt wurde und somit ein Verwertungsverbot nach § 51 BZRG besteht. Das Landgericht Berlin hatte die Berichterstattung als rechtswidrig angesehen, eine Entscheidung, die vom Kammergericht in der Berufungsinstanz bestätigt wurde.
Entscheidende Rechtsfragen
Das Kammergericht stellte fest, dass die Berichterstattung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingriff. Es führte aus, dass das Fehlen eines aktuellen Anlasses und eines überwiegenden öffentlichen Interesses an dieser spezifischen Information die Berichterstattung nicht rechtfertige.
Die Mitteilung der getilgten Vorstrafe sei nicht nur eine unerhebliche Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte, sondern verletzte auch das Datenschutzrecht des Betroffenen:
Denn, wie es der Verfügungskläger auch geltend macht, die Tilgung einer Vorstrafe im Bundeszentralregister und das Verwertungsverbot des § 51 BZRG stellen wichtige Prüfsteine bei der Beurteilung der Zulässigkeit über die Berichterstattung einer Straftat dar (BVerfG, Beschluss vom 12. März 2007 – 1 BvR 1252/02, NJW-RR 2007, 1340 – juris Randnummer 17; BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1993 – 1 BvR 172/93, NJW 1993, 1463 – juris Randnummer 15).
Ein Abflauen des Berichterstattungsinteresses in der Zeit kann sich bei einer neuerlichen Berichterstattung zwar aktualisieren und neu entstehen (siehe nur BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2020 – 1 BvR 1240/14, NJW 2020, 2873 Randnummer 19; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 12. März 2007 – 1 BvR 1252/02, NJW-RR 2007, 1340 – juris Randnummer 17). So ein neuer Anlass und ein darin dann liegendes Berichterstattungsinteresse ist im Fall aber nicht erkennbar.
Bedeutung des Beschlusses
Dieser Beschluss verdeutlicht, dass das Persönlichkeitsrecht auch nach der Löschung einer Straftat aus dem Strafregister weiterhin Schutz genießt. Insbesondere hebt der Fall hervor, dass der Schutz der Privatsphäre gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit Vorrang haben kann, besonders wenn keine bedeutenden neuen Fakten oder ein direkter öffentlicher Bezug vorliegen.
Implikationen für die Praxis
Für die Medienpraxis bedeutet dieser Beschluss, dass Journalisten und Verleger sorgfältig abwägen müssen, ob die Veröffentlichung von Informationen über getilgte Straftaten wirklich im öffentlichen Interesse steht. Die Entscheidung betont, dass die Medienfreiheit nicht das Recht einschließt, in die Rechte anderer unverhältnismäßig einzugreifen, speziell wenn es um sensible Daten wie getilgte Vorstrafen geht.
Fazit
Der Beschluss des Kammergerichts stärkt den Schutz des Persönlichkeitsrechts und setzt deutliche Grenzen für die Medienberichterstattung. Dieser Fall ist ein klares Beispiel dafür, wie Gerichte die Balance zwischen den Rechten der Medien und den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen finden und dabei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie europäische Datenschutznormen berücksichtigen. In einer Zeit, in der die Privatsphäre zunehmend unter Druck steht, bietet das Urteil eine wichtige Richtschnur für den Schutz individueller Rechte gegenüber der öffentlichen Neugier.
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