Der Bundesgerichtshof (XII ZR 114/14) hat sich zur lange umstrittenen Frage der Notwendigkeit der Schriftform bei einer Mieterhöhung geäußert und insoweit nunmehr entschieden:
Die Änderung der Miethöhe stellt stets eine wesentliche und – jedenfalls soweit sie für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann – dem Formzwang des § 550 Satz 1 BGB unterfallende Vertragsänderung dar.
Darüber hinaus geht es aber um die ausserdem sehr interessante Frage, wann sich eine Partei nicht auf den Mangel der Schriftform berufen kann.
Schriftform bei Mieterhöhung
Der Bundesgerichtshof hat sich ausdrücklich gegen die bisher herrschende auffassung gestellt:
Die Frage, ob eine nachträgliche dauerhafte Änderung der Miete stets und unabhängig von ihrer Höhe wesentlich ist oder es der Überschreitung einer Erheblichkeitsgrenze bedarf, ist umstritten und höchstrichterlich nicht geklärt. Die wohl überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht dahin, dass nur unerhebliche Mietänderungen nicht dem Formzwang des § 550 BGB unterfallen (…) Demgegenüber wird auch vertreten, eine dauerhafte Änderung der Miet- höhe sei immer vertragswesentlich und daher stets nach § 550 BGB schriftlich zu vereinbaren (…)
Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend. Die Änderung der Miethöhe stellt stets eine wesentliche und – jedenfalls soweit sie für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann (…) – dem Formzwang des § 550 Satz 1 BGB unterfallende Vertragsänderung dar.
An dieser Stelle macht es wenig Sinn, den Meinungsstreit langatmig darzustellen, erst einmal wird die Position des BGH nunmehr ausschlaggebend sein. Darüber hinaus zeigt sich aber auch wieder das Risiko, mit dem Gerichtsprozesse generell belastet sind: Es können noch so viele Oberlandesgerichte einer (grundsätzlich) gleichen Meinung sein; am Ende ist es bedeutungslos, wenn der BGH „mit einem Federstrich“ die Streitfrage faktisch beendet.
Keine erneute Unterschrift für Vertragsänderung notwendig
Noch eine Besonderheit, die übrigens auch hinter der Unwirksamkeit der doppelten Schriftformklausel steht: Wenn nachträglich (nach der Unterschrift!) auf einem von beiden Parteien unterschriebenen Vertrag eine Änderung vorgenommen wird, mit der beide Parteien einverstanden sind, so ist die Schriftform gewahrt. Die Änderung muss nich nochmals gesondert unterschrieben werden (aus Beweisgründen wäre es gleichwohl anzuraten). Der BGH dazu:
Für die Einhaltung der Schriftform einer Urkunde ist zwar ohne Belang, ob die Unterzeichnung der Niederschrift des Urkundentextes zeitlich nachfolgt oder vorangeht. Es bedarf deshalb für die Rechtsgültigkeit einer Änderung des Vertragstextes keiner erneuten Unterschrift, wenn die Vertragspartner sich über die Änderung einig sind und es ihrem Willen entspricht, dass die Unterschriften für den veränderten Vertragsinhalt Gültigkeit behalten sollen (…) An einem solchen übereinstimmenden Willen fehlt es aber, wenn lediglich eine Partei ohne Wissen der anderen auf einem Vertragsexemplar eine Änderung etwa nur zur Gedächtnisstütze vornimmt.
Treuwidriges berufen auf den Schriftformmangel
Wenn die Form nicht eingehalten ist, also ein Formmangel vorliegt, ist die Erklärung grundsätzlich unwirksam. Aber es gibt Ausnahmen, insbesondere kann ein späteres Berufen auf den Mangel der Form treuwidrig sein, was etwa im Arbeitsrecht häufig ein Thema ist. Der Bundesgerichtshof fasst die Grundsätze hierzu nochmals sehr übersichtlich zusammen, wobei es wenig überraschend dabei verbleibt, dass die Ansprüche hier sehr hoch sind und eine Treuwidrigkeit nicht zu früh angenommen werden darf:
Grundsätzlich darf sich jede Vertragspartei darauf berufen, die für ei- nen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Nur ausnahmsweise, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrags zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gemäß § 242 BGB rechtsmiss- bräuchlich sein, wenn die Partei sich darauf beruft, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn bei Formnichtigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre (…)
Eine Treuwidrigkeit folgt nicht aus dem vom Berufungsgericht erwähnten Umstand, dass die vereinbarte Vertragslaufzeit noch sechs Jahre beträgt, weil es gerade die langfristige Bindung ist, die von der Einhaltung der Schriftform abhängt (…) Das Gleiche gilt mit Blick darauf, dass die Parteien ihren Pflichten aus dem Mietvertrag über einen längeren Zeitraum bis zur Kündigung durch die Kläger nachgekommen sind. Daraus lässt sich nicht herleiten, sie hätten darauf vertrauen können, der Vertragspartner werde nicht von der besonderen Kündigungsmöglichkeit Gebrauch machen, die das Gesetz vorsieht (…)
Es liegt auch keine einseitig die Mieter begünstigende Änderung vor, bei der es gegen § 242 BGB verstoßen kann, wenn die Mieter aus ihr den weiteren Vorteil ziehen wollen, sich nunmehr ganz von dem ihnen lästig gewordenen Mietvertrag zu lösen (…) Schließlich kann für sich genommen nicht die Annahme eines Rechtsmissbrauchs rechtfertigen, dass der Änderungsbetrag vergleichsweise gering ist. Denn die Änderung der Miethöhe ist – wie dargelegt – unabhängig von ihrem Umfang vertragswesent- lich, unterfällt daher § 550 BGB und führt dann, wenn sie nicht der Schriftform genügt, kraft gesetzlicher Anordnung zu einem auf unbestimmte Zeit geschlos- senen Mietverhältnis und damit zur Kündbarkeit.
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