BGH zum Vertragsrecht: Kündigung per E-Mail ist bei Online-Verträgen möglich

Man kennt es: Ein Vertrag wird Online geschlossen, jede Korrespondenz mit dem Anbieter findet per Mail statt und selbst Rechnungen werden Online versendet. Die Kündigung dann aber muss schriftlich, etwa per Brief erfolgen. Es gab bereits Urteile, die dies kritisch sahen, der BGH (III ZR 387/15) hat dem nun – anlässlich einer Online-Partnervermittlung – endgültig einen Riegel vorgeschoben und die Praxis abgelehnt. Insbesondere das Pseudoargument der ungeklärten Identität des Absenders hat der BGH mit einem Satz zurückgewiesen.

Es ist damit zumindest im Verbraucherverkehr geklärt, dass bei zumindest überwiegender digitaler Abwicklung des Vertragsverhältnisses ein Verlangen schriftlicher Kündigung unwirksam ist.

BGH: Kündigung per Textform ist ausreichend

So führt der BGH aus, dass die vertragliche Abwicklung digital erfolgt und auch der Anbieter selber am liebsten alles per Mail erklären möchte – dann muss das auch dem Kunden zustehen:

Auch die Leistungen der Beklagten werden ausschließlich elektronisch abgerufen. Bei einer derart umfassenden und bis auf die Kündigung durch den Kunden ausnahmslos digitalen Ausgestaltung der Vertragsbeziehung ist es allein sachgerecht, für die Beendigungsmöglichkeit dieselben elektronischen Möglichkeiten und Formen zuzulassen wie für die Begründung des Vertrags und seine gesamte Durchführung. Deshalb widerspricht es den schutzwürdigen Interessen des Kunden, der mit der Beklagten ausschließlich eine digitale Kommunikation führt, gerade und nur für seine Kündigung die über die Textform hinausgehende Schriftform (mit eigenhändiger Unterschrift) zu verlangen. Denn der Kunde kann nach der besonderen Ausgestaltung des Vertrags generell davon ausgehen, alle Erklärungen, also auch eine Kündigung, digital, insbesondere auch per E-Mail, abgeben zu können.

Interessant ist, dass das – per Gesetz! – auch in Textform mögliche Widerrufsrecht dem BGH als Argument für eine weite Anwendung dient:

auch das Widerrufsrecht des Kunden nach Nummer 11 Buchstabe a der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann in „Textform (Brief, Fax, E-Mail)“ ausgeübt werden. Dieses Recht gehört aber ebenso wie die Möglichkeit der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses zu den wesentlichen Elementen der Dispositionsfreiheit eines Vertragspartners.

Pseudoargument: Die Identifikation

Das typische Argument, mit dem Anbieter auch in von mir geführten Prozessen immer wieder argumentiert haben, ist allen ernstes das angebliche Risiko, dass ein Dritter die Kündigung ausspricht. Seltsam nur, dass das bei Vertragsschluss niemanden interessiert hat und es auch vollkommen fernliegend ist, dass ein Dritter einfach irgendeinen Vertrag kündigt (zumal die schriftliche Kündigung auch nicht weiter geprüft wird). Das lehnt der BGH nun zu Recht auch ab:

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den Kunden, mit der alle Rechte und Pflichten erlöschen, weitergehende Vorkehrungen erforderlich macht als die Begründung des Vertrags auf dem Weg der elektronischen Übermittlung nur weniger persönlicher Daten. Auf etwaige Identitätsprobleme und einen möglichen Missbrauch digitaler Möglichkeiten kann sich die Beklagte dabei nicht mit Erfolg berufen (…) Dass etwa andere Personen, wie die Beklagte befürchtet, im Schutze der Anonymität des Internets gegen den Willen einer Vertragspartei das Vertragsverhältnis beenden, ist zudem fernliegend.

Konsequenzen der Entscheidung

Bis eine Gesetzesänderung in Kraft tritt (siehe unten) und für Altverträge ist nun abschliessend geklärt: Jedenfalls Verbraucher können digital geschlossene Verträge per E-Mail kündigen, für Pseudoargumente ist kein Raum. Das bedeutet nicht, dass es keine Ausnahmen gibt, etwa wenn der Anbieter den Vertrag auch von sich aus (grossteils) schriftlich erfüllt und sonstige Umstände ersichtlich sind, die eine Schriftform nachvollziehbar erscheinen lassen.

Gesetzesänderung ab 1. Oktober 2016 stärkt Verbraucher

Schon Bald wird es ohnehin gesetzlich gefestigt sein: Der Gesetzgeber hatte im Jahr 2015 den “Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts” beschlossen. Dieser sieht vor, dass nach einer Neufassung ab dem 1. Oktober 2016 nach § 309 Nummer 13 BGB in AGB nur noch die “Textform” vereinbart werden kann und strengere Formerfordernisse unwirksam sind. Den Gesetzentwurf finden Sie hier bei uns besprochen.

Dazu auch schon frühere Entscheidungen bei uns:

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner