BGH zur Verwirkung des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen

Verwirkung des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen: Der Bundesgerichtshof hat sich in mehreren Entscheidungen zur Verwirkung des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen geäußert und festgestellt, dass eine Verwirkung zwar durchaus anzunehmen sein kann, dies aber nicht vorschnell und nur auf Grund eines erheblichen Zeitablaufs angenommen werden kann.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass jedenfalls Jahre nach Vertragsbeendigung und Untätigkeit des Verbrauchers bei ordnungsgemäßer kritikloser Vertragserfüllung auf beiden Seiten durchaus eine Verwirkung diskutiert werden kann. Der BGH (XI ZR 501/15) hat insoweit in aller Kürze klar gestellt:

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, das angenommen hat, das Institut der Verwirkung finde auf das „ewige“ Widerrufsrecht keine Anwendung, kann das Widerrufsrecht verwirkt werden (…)

Aber die Verwirkung kommt eben nicht alleine wegen zeitablaufs in Betracht, wie der BGH in bereits benannter Entscheidung ausgeführt hat und annähernd wortgleich später in BGH, XI ZR 482/15, wiederholte:

Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt, was der Senat nach Erlass des Berufungsurteils für die Verwirkung des Verbraucherwiderrufsrechts verdeutlicht und präzisiert hat (…), neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zu- standekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt.

Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls (…) ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann. Gerade bei wie hier beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann (…) das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurück- geht.

Dies führt zu dem klaren Fazit in erster benannter BGH-Entscheidung:

Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen – wie hier – kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher (…) nachzubelehren.

Die Rechtsprechung des BGH hat das OLG Köln später zusammengefasst:

Der Unternehmer kann allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kein schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 -, BGHZ 211, 123 Rn. 39). Dies gilt namentlich bei laufenden Vertragsbeziehungen im Hinblick darauf, dass es der Bank während der Schwebezeit jederzeit möglich und zumutbar ist, durch eine Nachbelehrung des Verbrauchers die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (BGH a.a.O. Rn. 41). Etwas anderes gilt bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen, weil dort eine Nachbelehrung sinnvoll nicht mehr möglich ist. Gerade hier kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 -, BGHZ 211, 105 Rn. 41; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 449/16 -, WM 2017, 2251 Rn. 19; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 555/16 -, WM 2017, 2259 Rn. 19; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17 -, WM 2018, 614 Rn. 16). Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrages auf einen Wunsch des Darlehensnehmers zurückgeht (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15 -, BGHZ 212, 207 Rn. 30, 31 aE; BGH, Urteil vom 14. März 2017 – XI ZR 442/16 -, WM 2017, 849 Rn. 28; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 555/16 -, WM 2017, 2259 Rn. 19; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 455/16 -, juris Rn. 21) bzw. wenn die Parteien den Darlehensvertrag einverständlich beendet haben (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 393/16 -, WM 2017, 2247 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 12. September 2017 – XI ZR 365/16 -, WM 2017, 2146 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17 -, WM 2018, 614 Rn. 16).

Oberlandesgericht Köln, 4 U 125/17
Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner