Amtsgericht Aachen zum Bussgeldbescheid: Rechtsanwalt hat Einsichtsrecht und muss Kopien von Bedienungsanleitung nicht bezahlen

Es ist ein ständiges Ärgernis: Wer sich gegen einen Bussgeldbescheid wehren möchte, nachdem er „geblitzt“ wurde, benötigt zur technischen Beurteilung der Frage ob alles ordnungsgemäß war die Bedienungsanleitung. Die gibt es aber gar nicht so selbstverständlich, auch nicht für den Rechtsanwalt – gerne wird darauf verwiesen, dass mal das Urheberrecht der Anfertigung von Kopien oder der Herausgabe insgesamt entgegen steht. Inzwischen hatte auch das Landgericht Aachen (62 Qs 8/12 und 61 Qs 2/12) klar gestellt, dass die Bedienungsanleitung zum Akteneinsichtsrecht gehört.

Neuerdings wurde nunmehr dann „angeboten“, dass gegen Zahlung der Kopierkosten eine Kopie der Bedienungsanleitung angefertigt werden könnte. Gerade bei kleineren Bussgeldern steht das dann aber nicht mehr im Verhältnis zur Gesamtsache und Betroffene scheuen die Ausgaben. So war es auch in einer hier bearbeiteten Angelegenheit, in der die Verwaltungsbehörde, die Städteregion Aachen, 88,10 Euro erstattet haben wollte um Einsicht in die Bedienungsanleitung zu gewähren. Besonders pikant: Die Verwaltungsbehörde fertigte die angeblich zu bezahlenden Kopien auf ausdrücklichen Hinweis, dass man kostenfreie Akteneinsicht begehrt – und verlangte dann die Kosten.

Rechtsanwalt Dieter Ferner hat nun endlich beim Amtsgericht Aachen einen Beschluss erwirkt, der mit dieser Unsitte Schluss macht. In dem erfreulich deutlich gefassten Beschluss wird klar, dass dem Rechtsanwalt umfassend Akteneinsicht zu gewähren ist:

Einem Rechtsanwalt steht grundsätzlich ein umfassendes Akteneinsichtsrecht zu. Dieses umfasst […] auch Bedienungsanleitungen. […] Dabei muss es für den Verteidiger jederzeit die Möglichkeit geben, die Bedienungsanleitung in den Räumlichkeiten der Verwaltungsbehörde einzusehen. Der Verwaltungsbehörde bleibt es zudem unbenommen unter Beachtung des Urheberschutzes ein gewisses Kontingent an Kopien bereit zu halten um zeitgleich mehrere Akteneinsichtsgesuche bedienen zu können. Dabei ist es nicht erfotderlich diese Kopien zum Verbleibt beim Verteidiger anzufertigen. Ausreichend ist vielmehr, dass der Verteidiger die Möglichkeit der Akteneinsicht hat.
Die Versendung entsprechender Kopien ist dabei von der Kostenpauschale des §107 Abs. 5 OWiG gedeckt. Weitere Beträge können nicht in Rechnung gestellt werden, da diese Norm abschliessend ist […]

Der Beschluss ist Wegweisend in Aachen und reiht sich in eine zunehmende Zahl von Entscheidungen, die das Akteneinsichtsrecht entsprechend stärken. Fakt ist: Ohne Kontrolle der ordnungsgemäßen Aufbauten und des ordnungsgemäßen Betriebsablaufs ist eine Verteidigung kaum sinnvoll möglich. Schade ist, dass man derart hart um ein in einem Rechtsstaat selbstverständliches Recht kämpfen muss – in Aachen sollte die Rechtslage nunmehr klar sein.

Update: Der Kollege Frese machte mich darauf aufmerksam, dass er bereits eine solche Entscheidung in Aachen erstritten hatte (Beschluss hier) – umso fassungsloser muss man wohl sein, dass die Behörde es weiterhin versucht hat. 

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Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner