Es ist soweit: Der Bundesgerichtshof (VII ZR 262/11, hier als PDF) hat sich umfassend zur Branchenbuch-Abzocke geäussert und der Volltext der Entscheidung liegt vor. Mein Fazit dazu: ich sehe nicht nur die hier seit Jahren vertretene Rechtsauffassung bestätigt, sondern vor allem ein desaströses Urteil, dass der Branchenbuch-Masche jeglichen Boden entzogen haben wird.
Das beginnt schon mit dem amtlichen Leitsatz, der für sich allein schon alles sagt:
Wird eine Leistung (hier: Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet) in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten, so wird eine Entgeltklausel, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil.
Doch: Der BGH hat sich richtig viel Mühe gegeben. Nach diesem Leitsatz wird es nämlich nur noch besser für Betroffene. Im Folgenden das Wichtigste aus der Entscheidung und was das für Betroffene heisst.
Beachten Sie dazu auch bei uns: Abzocke nach Handelsregistereintrag – Übersicht
AGB bei Branchenbuch-Abzocke: Überraschende Klausel
Erfreulich ist, dass der BGH nicht nur feststellt, dass die Klausel dann überraschend ist, wenn Sie „irgendwie aus dem Fokus gerückt wird“, sondern zuerst einmal klar stellt, dass auch ein gewerblicher Vertragspartner mit einer solchen Entgeltabrede nicht zu rechnen braucht. Die frühere Rechtsprechung glaubte immer, dass bei Kaufleuten höhere Ansprüche zu stellen sind – der BGH hat dies nun endgültig beendet, allerdings auch schon vorher mit der „Branchenbuch-Berg“-Entscheidung (hier besprochen).
Mit dem BGH ist nun davon auszugehen, dass Branchenberzeichnisse im Internet in der Erwartungshaltung des Kunden grundsätzlich kostenlos bereit gehalten werden – und es ist Aufgabe des Anbieters, diese „berechtigte Kundenerwartung hinreichend deutlich zu korrigieren“. Dabei ist mit dem BGH zu fragen, wohin die Aufmerksamkeit des verständigen Lesers in der jeweiligen Formularaufmachung gelenkt wird. Ein einzelner Fettdruck auf der anderen Seite des Formulars, wie bisher verbreitet, reicht insofern ausdrücklich nicht.
Unwirksame AGB bei Branchenbuch-Abzocke
Da die Klausel unwirksam ist und mit einem Entgelt nicht gerechnet werden musste, besteht am Ende schon gar keine Pflicht etwas zu zahlen. Das heisst: Eine Anfechtung etc. wie sie auch von hier aus immer vorsorglich ausgesprochen wird, ist gar nicht nötig!
Branchenbuch: Anzeigenvertrag ist Werkvertrag!
Regelmäßige Leser werden das von mir kennen: Seit langem bestehe ich darauf, dass ANzeigenverträge wie diese Branchenbuchverträge als Werkvertrag (und nicht wie vielfach behauptet Dienstvertrag) einzustufen sind. Ich hatte dies zuletzt mit BGH-Rechtsprechung untermauert (dazu hier). Diese Frage ist vor allem von Bedeutung, weil man bei Werkverträgen ein Sonderkündigungsrecht nach §649 BGB zur Verfügung stehen hat. Der BGH hat in dieser Entscheidung nochmals klar gestellt: Es geht um einen Werkvertrag in solchen Fällen.
Was bedeutet die Rechtsprechung für Betroffene?
Eine ganze Menge: Gegenwehr ist damit weiterhin erfolgversprechend, es muss natürlich weiterhin im Einzelfall geprüft werden, ob das Formular nicht hinreichend auf die Kostenpflicht hingewiesen wird. Die BEwertung bleibt dem Richter im Einzelfall überlassen, dies ist ein grundsätzliches Risiko! Aber darüber hinaus gilt m.E. folgendes:
- Wer sich bereits wehrt, sollte nun allmählich eine Klage zur Feststellung ins Auge fassen, dass keine Zahlungspflicht besteht. Die Bewertung ob man klagt, sollte alleine ein Rechtsanwalt vornehmen!
- Mit der Lösung des BGH spielen Anfechtungsfristen keine Rolle mehr!
- Wer bereits bezahlt hat, wird innerhalb 3-jähriger Frist gezahlte Beträge zurückfordern können.
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