Ermittlungen in Cardsharing-Szene 2022

Hausdurchsuchung nach Cardsharing: Die Ermittlungen im Bereich Cardsharing gehen weiter, massiv geführt von der Zentralstelle Cybercrime Bayern. Dabei hatte es nach meinem Kenntnisstand zuletzt im Jahr 2016 massive Ermittlungen gegeben, die im November 2017 zu europaweiten Hausdurchsuchungen führten. Nachdem im Mai 2019 die Betreiber der damals betroffenen Cardsharing-Infrastrukturen verurteilt wurden (durch das Landgericht Regensburg, die Entscheidung wurde wohl nie veröffentlicht) folgten Ermittlungen gegen die Kunden. Diese Ermittlungen aus dem damaligen Verfahren ziehen sich bis heute, auch im Jahr 2022 sind mir Beschuldigtenanhörungen und Hausdurchsuchungen nach Cardsharing bekannt geworden. Dann folgte der nächste Schlag.

Update: Auch im Jahr 2021 laufen grössere Verfahren weiter – und es wird noch mehr geben!

So teilte die Zentralstelle Cybercrime Bayern mit, dass bereits am 21.10.2020 Hausdurchsuchungen stattgefunden haben und hierbei ein seit Jahren laufendes Cardsharing-Netzwerk „hochgenommen“ wurde. Ermittlungsverfahren gegen die Kunden werden mal wieder in Aussicht gestellt.

Ermittlungsansätze gegen Kunden

Ermittlungsansätze sind dabei durchaus vorhanden, aus den mir bekannten Verfahren ist damit zu rechnen, dass (wie immer) der Versand von Hardware zu Kunden führen dürfte, ebenso die Zahlungsdaten. Dabei sind gerade bei Cardsharing-Diensten die Zahlungsdaten gespeichert, da auch hier mit Abo-Modellen und speziellen Programmpaketen gearbeitet wird und die Kunden nach Auslaufen der gebuchten Zeit wieder deaktiviert werden müssen. Die Ermittler finden insoweit regelrechte Kundendatenbanken vor.

Strafbarkeit von Cardsharing

Um es kurz zu machen: Jedenfalls für die Betreiber von Cardsharing-Diensten liegen eindeutige Straftaten vor, soweit auf Wikipedia nur von „möglicherweise Illegal“ die Rede ist, ist dies beim besten Willen nicht nachvollziehbar. Im Raum stehen

  • gewerbsmässiger Computerbetrug
  • gewerbsmässige Urheberrechtsverletzungen
  • Ausspähen von Daten

Die Rechtsprechung ist umfangreich, Diskussionen sehe ich nicht. Anders vielleicht bei den Kunden, wo aber ebenfalls ein Computerbetrug im Raum steht (die weiteren Delikte könnten wegfallen). Die Strafbarkeit generell in Abrede zu stellen wäre unseriös und nicht zielführend.

Cardsharing: Rechtsanwalt und Strafverteidiger Ferner zum Cardsharing 2020 und Ermittlungen in der Cardsharing Szene

Cardsharing kann teuer werden – auch für Kunden: Die zivilrechtlichen Forderungen können erdrückend sein, hinzu kommt der Makel einer möglichen strafrechtlichen Verurteilung. Kunden von Cardsharing-Diensten sollten auch in den nächsten Jahren mit Post von der Staatsanwaltschaft rechnen.

Verteidigungsansätze beim Cardsharing

Nur weil eine Strafbarkeit im Raum steht heisst das noch lange nicht, dass es kein Verteidigungspotential gibt – speziell für Kunden muss im Blick behalten werden, dass Strafverteidigung eben nicht nur „Freispruch“ sondern auch eine zielführende Strafzumessungsverteidigung sein kann. Hierbei muss im Blick behalten werden, dass auf jeden Kunden zivilrechtliche Forderungen des durch das Cardsharing geschädigten Anbieters zukommen können. Ein Strafverteidiger im Urheberstrafrecht hat hiermit Erfahrung und hat diesen Aspekt im Blick. Das Losungswort der Stunde muss aus meiner Sicht grundsätzlich aber „Schadensminimierung“ und eben nicht „verzweifelte Freispruchstrategie“ lauten – letztlich wird es, wie immer in der Strafverteidigung, auf den Einzelfall ankommen, etwa bei der Frage, wie handfest die Beweise nun wirklich sind.


Pressemitteilung der Zentralstelle Cybercrime Bayern

Die originale Pressemitteilung: Bei einer gemeinsamen Durchsuchungsaktion der bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg errichteten Zentralstelle Cybercrime Bayern und der Kriminalpolizeiinspektion Bayreuth in mehreren Bundesländern gelang Polizei und Justiz am 21.10.2020 ein empfindlicher Schlag gegen die bundesweite Cardsharing-Szene.


Bei Ermittlungen des Fachkommissariats für Cybercrime der Kriminalpolizeiinspektion Bayreuth gerieten ein 37-jähriger Oberfranke sowie dessen 35-jähriger Bruder ins Visier von Polizei und Generalstaatsanwaltschaft. Den Brüdern wird vorgeworfen, seit mehreren Jahren rechtswidrig entschlüsselte Pay-TV-Lizenzen an eine größere Anzahl von Kunden vertrieben und diesen zur Nutzung gegen ein Entgelt bereitgestellt zu haben.


Am frühen Morgen des 21.10.2020 vollzogen Polizeibeamte im Auftrag der Zentralstelle Cybercrime Bayern in fünf Bundesländern insgesamt 18 Durchsuchungsbeschlüsse. Die Ermittler aus Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt arbeiteten bereits im Vorfeld der Maßnahme eng zusammen. Der erfolgreiche Einsatz kann aus ermittlungstaktischen Gründen erst jetzt öffentlich gemacht werden.

Knapp 100 eingesetzte Polizeibeamte fanden bei der Maßnahme umfangreiches Beweismaterial: Es wurde eine Vielzahl an Receivern, PCs, Festplatten und sonstigen Datenträgern sichergestellt. Aktuell gehen die Ermittler davon aus, dass die Cyberkriminellen im Bundesgebiet sowie im europäischen Ausland mehrere hundert eigene Kunden mit illegalen Pay-TV-Zugängen versorgt hatten.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg führt nun Ermittlungen gegen mehrere Tatverdächtige in fünf Bundesländern wegen gewerbsmäßigen Computerbetrugs und gewerbsmäßigen unerlaubten Eingriffs in technische Schutzmaßnahmen. Das Gesetz sieht für jeden Fall eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Der Gesamtschaden, der den Pay-TV-Anbietern bislang entstand, ist erheblich und soll im siebenstelligen Eurobereich liegen. Mit der Einleitung weiterer Ermittlungsverfahren gegen die Kunden des Cardsharing-Netzwerkes ist zu rechnen.

Was versteht man unter „Cardsharing“?

Beim sogenannten „Cardsharing“ (deutsch: gemeinsamer Kartenzugriff) wird eine beim Pay-TV-Dienstanbieter rechtmäßig erworbene Entschlüsselungskarte für mehrere Empfänger (Receiver) gleichzeitig illegal verwendet.

Hierbei übermittelt ein modifizierter Satelliten-Empfänger (Receiver) den Decoder-Schlüssel über ein Netzwerk (Server) an weitere Receiver, die ebenfalls modifiziert sein müssen. Die Netzwerkverbindung kann über das Internet ablaufen, sodass die Receiver sich nicht am selben Standort befinden müssen. Der verteilende Receiver (Sender) muss mit einer gültigen Original-Smartcard versehen sein. Alle weiteren unberechtigten Nutzer empfangen die Decoder-Schlüssel über das Internet und simulieren die Original-Smartcard per Software.

Illegale Pay-TV-Nutzer „ersparen“ sich auf diesem kriminellen Weg nicht unerhebliche Abo-Kosten. Das Entdeckungsrisiko dabei ist hoch. Bereits in der Vergangenheit haben die Spezialisten der Zentralstelle Cybercrime Bayern in zahlreichen Fällen Betreiber und Kunden entsprechender Cardsharing-Netze identifizieren und anklagen können. 

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner