Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil vom 19. Oktober 2023 (Rechtssache C‑655/21) wichtige Aspekte des geistigen Eigentums und der Strafverfolgung beleuchtet. Der Fall drehte sich um Markenverletzungen und deren strafrechtliche Konsequenzen, speziell die Auslegung von Artikel 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
„EuGH-Entscheidung zu strafbaren Markenverletzungen“ weiterlesenOrdnungsgeldes wegen mangelnder Löschung irreführender Aussagen aus Cache eines Internet-Auftritts
Ein Unterlassungstitel verpflichtet den Schuldner, etwaige titelwidrige Cache-Inhalte zu löschen bzw. auf Dritte entsprechend einzuwirken, um sicherzustellen, dass die zu unterlassenden Äußerungen auch über gängige Internetsuchmaschinen – auch im Wege der Cache-Speicherung – nicht mehr erreichbar bzw. abrufbar sind (so OLG München, 29 W 1697/21).
Diese im Bereich von Unterlassungstiteln zu bestimmten Internetinhalten bestehende Verpflichtung, auch Cache-Inhalte zu überprüfen und gegebenenfalls zu löschen oder durch Dritte löschen zu lassen, entspricht, wie das Gericht zutreffend ausführt, ständiger Rechtsprechung. Ein Titelschuldner hat insoweit auch dafür Sorge zu tragen, dass er seinen Verpflichtungen aus dem Titel vollständig nachkommt. Er hat für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen. Auf einen vermeidbaren Verbotsirrtum kann sich der Schuldner nicht berufen.
COVID-Pandemie befeuert gefälschte und raubkopierte Waren
EUROPOL hat sich mit der Frage beschäftigt, wie sich die COVID-Pandemie auf IP-Crime ausgewirkt hat. Der aktuelle Bericht bestätigt aus Sicht von EUROPOL, dass gefälschte und raubkopierte Waren durch die Pandemie Auftrieb erhalten haben. So kommt man zu den Ergebnissen:
- Kriminelle Netzwerke haben sich schnell auf die neuen Möglichkeiten und die durch die Pandemie entstandene Nachfrage nach Produkten eingestellt.
- Gefälschte Kosmetika, Lebensmittel, pharmazeutische Produkte, Pestizide und Spielzeug stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit der Verbraucher dar.
- Bei der Beschaffung von Komponenten und dem Vertrieb ihrer (materiellen und immateriellen) Produkte an die Verbraucher über Online-Plattformen, soziale Medien und Instant-Messaging-Dienste stützen sich die Fälscher inzwischen stark auf den digitalen Bereich.
- Die meisten gefälschten Waren, die in der EU vertrieben werden, werden außerhalb der EU hergestellt.
Persönliche Anmerkung: das Unwort „Raubkopie“ verwende ich in diesen Zusammenhängen allenfalls beschreibend, weil es verbreitet ist und – wie hier – in amtlichen Publikationen verwendet wird. Der Vorteil mag sein, dass jeder sofort weiß worum es geht. Etymologisch ist es für mich Unsinn, da es gerade nicht um die Anwendung von Gewalt oder Drohungen geht, somit kein räuberisches Verhalten im Vordergrund steht. Vielmehr dürfte es um eine Wortschöpfung der Rechteindustrie gehen, die damit den wirtschaftlich durchaus bedeutenden Vorgang sprachlich dramatisieren wollte.
„COVID-Pandemie befeuert gefälschte und raubkopierte Waren“ weiterlesenFilesharing: Strafbefehl nach Abmahnung
Bis zur Einführung des zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs in §101 UrhG gab es (zum Schluss) massenhaft Strafverfahren gegen Filesharer, da nur über ein Ermittlungsverfahren die Daten der Anschlussinhaber für die Rechteinhaber zu erreichen waren. In diesem Zuge kam es auch zu vereinzelten Strafbefehlen gegen „normale Filesharer“, die bis heute auch als Drohkulisse noch dienen. Allgemein kann man heute aber wohl sagen, dass die strafrechtliche Relevanz für „normale
Zufällig werde ich gerade auf die Kanzlei Urmann+Collegen aufmerksam, die einen relativ „aktuellen“ Strafbefehl vom September 2011 ins Netz gestellt haben, zu finden hier als PDF, in dem PDF dann am Ende. Auch hier gibt es aber Besonderheiten: Zum einen geht es um pornographische Filme, so dass neben einer urheberrechtlichen Relevanz noch die Strafbarkeit wegen des Verbreitens pornographischer Werke nach §184 StGB in Betracht kommt (hier konkret §184 I Nr.2 StGB). Zudem ging es nicht um die üblichen ein oder zwei Werke, sondern um ganze 24 Fälle, wobei wahrscheinlich auf Grund der vorherigen Einlassung im zivilrechtlichen Verfahren die Täterschaft klar war – sonst müsste der Vorsatz nachgewiesen werden.
Daher sollte dieser Strafbefehl nicht überbewertet werden: Eine strafrechtliche Relevanz des Filesharings lässt sich angesichts §106 UrhG („Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke“) nicht leugnen. Allerdings zeigt die Praxis, dass es bei „normalen Filesharing-Vorfällen“ keine Rolle spielt. Das „Tauschen“ eines Musik-Albums sollte regelmäßig von den Staatsanwaltschaften auch eher zu einer Einstellung als zu einem Strafbefehl geführt werden, hier spielt es sicher eine Rolle, dass gerade nicht ein oder zwei „Tauschobjekte“ in der Diskussion stehen sondern erheblich mehr. Und zudem wird natürlisch schon regelmäßig die Frage sein wird, wie man den Täter ermittelt. Die Verteidigung bzw. das Vorgehen im Rahmen der Abmahnung ist insofern mit eine Weichenstellung. Ergebnis also: Einschüchternde Wirkung hin oder her, Panikanfälle bei Filesharern sind fehl am Platze.
Urheberrecht: Strafrechtlich relevantes Verbreiten bereits durch Verkaufsangebote
Der Bundesgerichtshof (1 StR 213/10) hat sich zur Frage geäußert, wann ein strafrechtlich relevantes Verbreiten i.S.d. §106 UrhG vorliegt. Dabei ging es um den grenzüberschreitenden Verkauf von, nach deutschem Recht unerlaubt nachgeahmten urheberrechtlich geschützten Möbeln, die allerdings aus einem Land importiert wurden, in denen nicht gegen (dortiges) Urheberrecht verstoßen wurde. Zwischenzeitlich lag die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union (EUGH, C-5/11) vor, der entschied, dass die Warenverkehrsfreiheit in einem solchen Fall einer möglichen Strafbarkeit jedenfalls nicht im Wege steht.
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Urheberstrafrecht: Zur Strafbarkeit des Angestellten eines Sharehosting-Betreibers
Das Landgericht Frankfurt (5/28 Qs 15/12) hatte sich am Rande mit der Strafbarkeit eines Mitarbeiters einer Sharehosting-Plattform zu befassen. Zu Recht erkannte das Gericht dabei, dass eine täterschaftliche Handlung nicht in Betracht kommt, wobei das Gericht dies damit begründet hat, dass der Anbieter selbst keine Veröffentlichung vornimmt, wenn die Dateien nur hochgeladen werden und die Hochlader selbst über die Verbreitung der Links entscheiden bzw. dies in der Hand haben.
Die Strafbarkeit der Beihilfe allerdings orientiert sich im Weiteren dann an den §§7, 10 TMG – wobei im Ergebnis mit dem Gericht ein reines „für möglich halten“ strafbarer Inhalte nicht ausreichend ist. Vielmehr muss der Verantwortliche positive Kenntnis erhalten:
Aus § 10 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. TMG folgt, dass ein Diensteanbieter, der fremde Informationen für seine Nutzer speichert, für diese nicht verantwortlich ist, wenn er keine Kenntnis „von der rechtswidrigen Handlung oder der Information“ hat. Der Begriff der Kenntnis ist auf positive Kenntnis beschränkt. Dass der Diensteanbieter es nur für möglich oder überwiegend wahrscheinlich hält, dass eine bestimmte Information auf seinem Server gespeichert ist, genügt nicht, um ihm das Haftungsprivileg des § 10 TMG abzusprechen. Mit Kenntnis ist das Wissen von einer bestimmten Information oder Handlung gemeint (Altenhain, a. a. O., vor § 10 TMG, Rn. 7; „des einzelnen konkreten Inhalts“, Hoffmann in Spindler/Schuster, a. a. O., § 10, Rn. 18), wobei an die Person des Kenntnisgebers keine Anforderungen gestellt werden, die Mitteilung aber so genau sein muss, dass der Diensteanbieter durch sie nicht nur eine Möglichkeitsvorstellung gewinnt, sondern Kenntnis erlangt, so dass er in der Lage ist, die Information ohne weitere eigene Nachforschungen zu finden (Altenhain, a. a. O., § 10 TMG, Rn. 13; vgl. Hoffmann in Spindler/Schuster, a. a. O, Rn. 26).
Dabei kommt dem Diensteanbieter zu Gute, dass der EUGH (C-360/10, hier bei uns besprochen) festgestellt hat, dass es keine proaktive Filterflicht hinsichtlich möglicherweise illegaler Inhalte gibt!
Im Ergebnis ist zu sehen, dass eine vorschnelle Annahme einer Strafbarkeit bei Sharehosting-Anbietern (und deren Mitarbeitern) nicht angenommen werden darf: Abhängig ist dies aber nicht zuletzt vom jeweils im Einzelfall gestalten Upload- und Verbreitungsmodell.
Hinweis: Rechtsanwalt Jens Ferner ist als Strafverteidiger und IT-Rechtler im Bereich des Urheberstrafrechts aktiv, dabei auch im Bereich der gewerbsmäßigen Verletzung von Urheberrechten auch im Rahmen von durch die GVU angestrengten Strafverfahren speziell bei Sharehosting-Anbeitern und Portalbetreibern.
Filesharing: Strafbarkeit des Anschlussinhabers nur wenn Täterschaft zweifelsfrei nachgewiesen
Durch Zufall bin ich nochmals über die ältere Entscheidung des AG Mainz (2050 Js 16878/07) gestolpert, die in der Quintessenz nichts überraschendes feststellt, aber gleichwohl einigen gut tun wird: Eine Strafbarkeit des Anschlussinhabers ist nicht zwingend. Vielmehr ist der Anschlussinhaber freizusprechen, wenn nicht zweifelsfrei feststeht, dass er Täter der Urheberrechtsverletzung ist.
Hintergrund ist der Zweifelsgrundsatz im Strafrecht, der im Zweifelsfall für den Angeklagten spricht, während im Zivilrecht das Gericht sehr frei ist in seiner Beweiswürdigung. Da zudem das Bereithalten eines Internetanschlusses für sich noch keine Straftat begründet, stellt sich die Situation im Gerichtssaal recht schwierig dar aus Sicht der Anklage: Für eine unmittelbare Rechtsverletzung muss man nachweisen, dass der Anschlussinhaber der Täter war, was recht schwierig werden wird, da heute neben der Familie auch häufig Freunden der Zugriff auf das Netzwerk gewährt wird. Für alle anderen „aktiven“ Tatmodelle hinsichtlich des Anschlussinhabers, wie etwa Beihilfe oder Anstiftung müsste man gleichwohl des Haupttäters habhaft geworden sein (dies schon aus Beweisgründen), der ja gerade fehlt. Und eine Unterlassungsstrafbarkeit? Die würde eine Garantenpflicht gegenüber dem Geschädigten voraussetzen, die weiter geht als der einfache Vorwurf im Zivilrecht, seinen Prüf- und Belehrungspflichten nicht genügt zu haben. Da es eine fahrlässige Strafbarkeit in dem Bereich nicht gibt, verbleibt nur eines: Freispruch. Oder schlicht das Absehen von der Anklage.
Hinweis: Rechtsanwalt Jens Ferner ist als Strafverteidiger und IT-Rechtler im Bereich des Urheberstrafrechts aktiv, dabei auch im Bereich der gewerbsmäßigen Verletzung von Urheberrechten auch im Rahmen von durch die GVU angestrengten Strafverfahren.
Wem gehören die Kundendaten und Kontakte?
„Wem gehören die Kundendaten?“ – eine Frage, die gar nicht so modern ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Allerdings ist zu sehen, dass die Fragestellung sich in der heutigen Zeit massiv verschärft hat.
Wo früher vielleicht die Kundenkartei auf dem Schreibtisch stand oder in einer zentralen Registratur erfasst war, stehen heute unmittelbare Kontakte in persönlichen Netzwerken wie LinkedIN und Datenspeicherungen auf Smartphones. Theoretisch ist es denkbar, dass ein Arbeitnehmer oder Subunternehmer von heute auf morgen die Geschäftsbeziehung beendet – und ohne erneut das Büro zu betreten, Zugriff auf alle wichtigen Kundendaten hat.
Ein Problem, das immer noch unterschätzt wird – insbesondere auch strafrechtlich, wie unser Alltag zeigt. Denn zunehmend sind Arbeitnehmer mit dem Vorwurf konfrontiert, Kundendaten „gestohlen“ zu haben.
„Wem gehören die Kundendaten und Kontakte?“ weiterlesenUrheberstrafrecht: Zur Strafbarkeit der ungenehmigten Veröffentlichung von Fotos
Beim OLG Karlsruhe (1 (7) Ss 371/10) ging es um die unerlaubte Veröffentlichung von Fotografien, die Kinder zeigten. Das Pikante: Es ging um einen Großvater, der Bilder seines Enkels im Internet veröffentlichte – während das Jugendamt das Sorgerecht ausübte. Hintergrund waren Streitereien gerade um diese Übertragung des Sorgerechts, die der Grossvater im Internet kommentierte und mit Bildern des Kindes untermauerte.
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Wettbewerbsstrafrecht: Rechtsmissbräuchliche Abmahnung ist kein Betrug
Das Oberlandesgericht Köln (III-1 RVs 67/13) hat – anders als noch vorher das Amtsgericht Aachen – entschieden, dass eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung nicht zwingend ein strafbarer Betrug sein muss. Die Entscheidung ist inhaltlich wohl korrekt, in der Begründung aber mitunter befremdlich. Verurteilt wurden ursprünglich noch der „Abmahner“ und sein Rechtsanwalt – am Ende wurden beide freigesprochen.
Kern ist die Frage, wo in einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung eine Täuschungshandlung über Tatsachen liegen soll.
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