Filesharing-Abmahnung und Pornos: Kein Schutz für pornographische Filme?

Nur wenig Entscheidungen im Bereich des Urheberrechts wurden wohl so falsch verstanden wie die des LG München I (7 O 22293/12) mit der laut einiger Diskussionen angeblich (!) festgestellt wurde, dass pornographische Werke keinen urheberrechtlichen Schutz genießen – und damit gar nicht kostenpflichtig abgemahnt werden könnten bei einem „Tausch“ in „Tauschbörsen“. Dem ist aber nicht so.

Bei einem pornographischen Film („Porno“) kann man im Einzelfall durchaus streiten, ob hierin ein „Filmwerk“ im Sinne des UrhG zu sehen ist. Im hier vorliegenden Fall hatte der Beklagte („Abgemahnte“) trefflich vor Gericht vorgetragen, warum es sich seines Erachtens nicht um ein Filmwerk handeln kann. Hier sind durchaus hohe Maßstäbe anzulegen, die „Hardcore-Pornographie“ meines Erachtens eher selten bis nie erfüllen wird. Gleichwohl kann man darüber streiten – was der „Abmahner“ hier aber nicht tat: Er reagierte gar nicht. Damit war dieser Aspekt bereits erledigt:

Die Antragstellerin hat die Schutzfähigkeit des Films […] lediglich pauschal behauptet. Auch auf den substantiierten Sachvortrag des Beteiligten … hat sie nicht erwidert. Die Kammer unterstellt daher, dass dessen Sachvortrag zutrifft und der 7 Minuten und 43 Sekunden lange Film lediglich sexuelle Vorgänge in primitiver Weise zeigt […] Hierfür kann kein Schutz als Filmwerk (§ 94 UrhG) beansprucht werden: Es fehlt offensichtlich an einer persönlichen geistigen Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG).

Bereits an dieser Stelle ist damit zu sehen, dass die Sache vielleicht anders ausgegangen wäre, wenn man erwidert hätte und es sich nicht um die Darstellung „lediglich sexueller Vorgänge in primitiver Weise“ handeln würde.

Wenn dem nicht so ist, kommt aber immer noch ein Laufbildschutz in Betracht:

Auch ein – gar nicht geltend gemachter – subsidiärer Schutz als Laufbilder (§ 95 UrhG) scheidet vorliegend aus: Laufbilderschutz nach §§ 94, 95, 128 Abs. 2, 126 Abs. 2 UrhG kommt dann in Betracht, wenn ein Ersterscheinen der Laufbilder in Deutschland bzw. bei einem Ersterscheinen im Ausland ein Nacherscheinen in Deutschland innerhalb von 30 Tagen dargetan ist.

Dieses Nacherscheinen bzw. Ersterscheinen wurde von dem „Abmahner“ aber gar nicht erst vorgetragen. Und damit war auch dieser Aspekt weg.

Das Ergebnis war damit in diesem konkreten Fall, dass ein „urheberrechtlicher Schutz“ nicht zu erkennen war. Es hätte aber anders kommen können.

VG München: Über Pornographie schreiben darf man – aber nur ab 18

Das Verwaltungsgericht München (M 17 K 11.6112) hatte sich mit geschriebener Pornographie zu befassen, also mit Texten, die pornographische Handlungen zum Gegenstand hatten. Verfasst waren Sie im Rahmen eines Online-Shops, der mit entsprechender Ausstattung wie etwa Latex-Masken handelte. Die KJM-Prüfgruppe stellte hierin einen Verstoß gegen den Jugendschutz fest (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 JMStV) und schaltete die zuständige Behörde ein, die u.a. die „Verbreitung und Zugänglichmachung von pornografischen Inhalten in Telemedien unter den beanstandeten Adressen untersagte, wenn nicht sichergestellt wird, dass die Inhalte nur Erwachsenen zugänglich sind“. Zur Begründung wurde ausgeführt:

„der Kläger betreibe als Domain-Inhaber und Anbieter des Internetangebots die genannten Internetadressen. Es handele sich im Wesentlichen um einen Online-Shop für Latexbekleidung. Unter der Rubrik „Stories“ würden Geschichten angeboten, die teilweise Sexualpraktiken, auch außergewöhnlicher und bizarrer Art, detailliert und anreißerisch beschreiben. In einigen Texten würde die Macht des Stärkeren und die körperliche Unterwerfung als Lusterlebnis dargestellt. […] Die enthaltenen Darstellungen rückten, unter Ausklammerung sonstiger menschlicher Bezüge, sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund. Der Obszönitätscharakter und die sexuell stimulierende Wirkung werde durch extreme Fokussierung der Beschreibungen auf sexuelle Handlungen sowie auf Geschlechtsteile verstärkt. Es würden auch außergewöhnliche und bizarre Sexualpraktiken dargestellt, insbesondere in dem Beispiel „blind date“.“

Was spannend klingt, war es wohl auch – das Verwaltungsgericht jedenfalls erkannte hier eindeutig Pornographie und stellte klar, dass die §§184ff. StGB zur Auslegung, was Pornographie nun sei, heran zu ziehen sind. Dabei gibt es eben keine gesetzliche Definition und es sind durchaus auch rein verbale Darstellungen, die ohne Bebilderung auskommen, darunter zu verstehen. Interessant ist, wie man mit der Kunstfreiheit umgeht, auf die der Betreiber sich berufen wollte – die wird nämlich mit folgenden Argumenten abgeschmettert:

  1. Der Seitenbetreiber hatte gegenüber der Behörde gar nicht und bei Gericht erst spät auf seine Kunstfreiheit hingewiesen. Das Gericht schlussfolgert daraus, dass er selbst Offenkundig seine Texte nicht als Kunst ansieht, denn – so das Gericht – sonst wäre ihm das Argument schon viel früher eingefallen. Diese rechtsstaatswidrige Argumentation möchte ich nicht weiter kommentieren.
  2. Ebenfalls ohne Kommentar möchte ich diesen Satz aus der Entscheidung wiedergeben: „Die Klägerseite konnte auch keinen in Kunstfragen kompetenten Dritten benennen, der die in Frage stehenden Texte als Kunstwerk angesehen hat.“
  3. Letztlich vermag dann die höchstpersönliche Wertung des Gerichts, mit der man den eigenen Geschmack zum Maß aller Dinge erhebt, auch nicht mehr schockieren: „Die Texte lassen weder nach Wortwahl, Stil noch Aufbau ansatzweise einen Kunstcharakter erkennen.“

Offenkundig gilt in München das Fazit: Nur die gepflegte Sprache mit gehobenem Inhalt, die zumindest einige „Freunde“ vorweisen kann die Kläger auch benennen können, vermag Kunst zu sein. Auch die inzwischen mehr als 10 Jahre alte Benetton-Rechtsprechung des BVerfG zur Meinungsfreiheit kam offensichtlich noch nicht in München an, wenn man liest, dass alleine wegen dem gewerblichen Charakter jeder Gehalt abgesprochen wird:

Die von Klägerseite angebotenen Stories haben ganz eindeutig das Ziel, den Shopverkauf von Latexgegenständen zu fördern. Es geht dabei keineswegs um eine selbstzweckhafte künstlerische Darstellungsform.

Bei so viel Kritik muss klar gestellt werden: „Falsch“ ist die Entscheidung dennoch nicht! Sie steht im Ergebnis im Einklang mit dem geltenden Recht, auch wenn die Abwägung von Kunstfreiheit und Jugendschutz mit recht befremdlichen Argumenten in diesem Fall geführt wird. Dass man zur Meinungsfreiheit gar nichts liest, rundet das Gesamtbild nur ab. Jedenfalls zeigt sich recht deutlich, dass man als Betreiber einer Webseite doch mitunter vorsichtig agieren sollte, wenn man eigene Erotik-Prosa zum Besten geben will. Diese Entscheidung zur rein textbasierten „Darstellung“ von Pornographie sollte jedenfalls ebenso aufhorchen lassen, wie der etwas rüde Umgang mit der notwendigen Grundrechte-Abwägung. Anlass für Panik ist das (wieder einmal) sicher nicht, aber gleich wie man zum Thema steht: Die Stirn runzeln darf man durchaus.

Dazu auch von mir:

LG Berlin: Kein nicht-anonymisierter Bericht über Vergewaltigungsopfer

Das LG Berlin hat Anfang November (Az. 27 O 313/09) festgehalten, dass die Berichterstattung über ein Vergewaltigungsopfer, in nicht anonymisierter Form, in dessen Intim- und Privatsphäre eingreift. Insbesondere gibt es kein sachliches Interesse, die Identität von Opfern in Strafprozessen der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Aus einer Zustimmung zu verpixelten Aufnahmen (mit Klarnamen) darf keinesfalls eine Zustimmung zu unverpixelten Aufnahmen gedeutet werden.
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Persönlichkeitsrecht: Kommerzieller Pornodarsteller muss Namensnennung hinnehmen

Der Bundesgerichtshof (VI ZR 332/09) hat klargestellt, dass der Bereich der Sexualität nicht zwangsläufig und in jedem Fall zum Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung gehört:

Absolut geschützt ist die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen Freiraum zu erleben (BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 26 ). Der Schutz entfällt aber, wenn der Grundrechtsträger den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte, an sich dem unantastbaren Kernbereich zuzurechnende Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit zugleich die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (vgl. BVerfGE 80, 367, 374 ; 101, 361, 385; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 ; vgl. auch Erman/Klass, BGB, 13. Auflage, Anhang § 12, Rn. 121). Er kann sich dann nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Schutz seiner Intim- oder Privatsphäre berufen (vgl. Senatsurteile vom 24. November 1987 – VI ZR 42/87, aaO; vom 26. Mai 2009 – VI ZR 191/08, aaO Rn. 26 mwN; BVerfGE 101, 361, 385 ).

Sprich: Wer sich mit seinen sexuellen Aktivitäten in der Öffentlichkeit bewegt, muss ggfs. eine dazu gehörige Berichterstattung in Kauf nehmen. Dies gilt jedenfalls für einen kommerziellen Pornodarsteller, der nicht nur in Filmen mitgewirkt hat, sondern sich auch für die Cover der Filme ablichten ließ.
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Arbeitsrecht: Ansehen von Pornos am Arbeitsplatz rechtfertigt keine fristlose Kündigung

Das Bundesarbeitsgericht (2 AZR 186/11) hat bestätigt, dass das Ansehen pornographischer Filme am Arbeitsplatz nicht zwingend zu einer fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung berechtigt.

Durchaus zu Beachten ist dabei einerseits, ob dies während der Arbeitszeit oder während zu stehender Erholungspausen getan wird. Andererseits sind Fragen wie ein etwaiger Imageverlust des Unternehmens bei Bekanntwerden zu Prüfen. Vorbehaltlich des Einzelfalls soll hier grundsätzlich zu erkennen sein, dass eine Abmahnung nicht per se überflüssig ist.

Persönlichkeitsrecht: Bericht über ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren

Was beim OLG Düsseldorf (I-15 U 79/10) verhandelt wurde, betrifft jede „journalistisch-redaktionell“ aufbereitete Webseite und sollte Beachtung finden. Es geht um die übliche Problematik: Eine Webseite berichtet über ein einstmals aktuelles Geschehnis, hier: Ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Das Geschehnis findet sein Ende (Ermittlungsverfahren eingestellt), der alte Bericht steht aber natürlich weiter im Netz. Wer nach dem Betroffenen sucht, findet ggfs. diesen – nunmehr veralteten – Bericht und bekommt ein falsches Bild, nämlich in diesem das eines laufenden Ermittlungsverfahrens. Hierzu hält das OLG fest:

Eine das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ganz erheblich beeinträchtigende Berichterstattung im Internet über ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren ist nach Einstellung dieses Verfahrens nur zulässig, wenn die weitere Entwicklung in einem Zusatz zur Ursprungsmeldung mitgeteilt wird und den interessierten Internet-Nutzern nicht lediglich über einen Link vermittelt wird.

Beachten Sie dazu auch: Die Rechtsprechung des BGH zu Online-Archiven sowie zur Verdachtsberichterstattung aus laufender Hauptverhandlung

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Intime Fotos – Was tun wenn Nacktfotos verschickt oder ins Internet gestellt werden?

Es gibt nur wenig, was mit so großer Scham der Opfer verbunden ist – und was zudem auch noch ein derartiges Tabu-Thema in unserer Gesellschaft ist: Nacktfotos von Ex-Partnern. Nicht zuletzt auf Grund der alltäglichkeit von Smartphones sind Nacktaufnahmen innerhalb von Beziehungen durchaus fester Alltag bei Paaren geworden, insoweit sollte man sich von dem beharrlichen gesellschaftlichen Schweigen zu dem Thema nicht in die Irre leiten lassen.

Gleichsam aber zeigen sich manche Paare, aber auch manche Ex-Partner, mit dem Umgang mit solchen Aufnahmen nach einer Trennung vollkommen überfordert. Dabei konnte sich die Rechtsprechung hierzu bereits äussern; und wer hier mit Bloßstellungen konfrontiert ist, kann sich durchaus wehren.

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Persönlichkeitsrechtsverletzung: Löschung von intimen Fotos nach einer Beziehung

Nach einer Beziehung sind angefertigte intime Aufnahmen („Nacktaufnahmen“) zu löschen: Der Bundesgerichtshof (VI ZR 271/14) konnte schon 2015 klären, dass ein Anspruch auf Löschung von intimen Fotos besteht, wenn im Rahmen einer intimen Beziehung ein Partner vom anderen intime Bild- oder Filmaufnahmen fertigt. In einem solchen Fall kann dem Abgebildeten gegen den anderen nach dem Ende der Beziehung ein Löschanspruch wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts nämlich dann zustehen, wenn er seine Einwilligung in die Anfertigung und Verwendung der Aufnahmen auf die Dauer der Beziehung – konkludent – beschränkt hat:

Fertigt im Rahmen einer intimen Beziehung ein Partner vom anderen intime Bild- oder Filmaufnahmen, kann dem Abgebildeten gegen den anderen nach dem Ende der Beziehung ein Löschanspruch wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zustehen, wenn er seine Einwilligung in die Anfertigung und Verwendung der Aufnahmen auf die Dauer der Beziehung – konkludent – beschränkt hat.

Leitsatz des BGH

Keine Rolle spielt es mit dem BGH also dabei, ob der ehemalige Partner diese Bilder nur „besitzt“, also nicht öffentlich zugänglich macht.

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Änderung des §201a StGB und Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht (2015)

Status: Verkündet und in Kraft getreten

Verschärfung Sexualstrafrecht 2015 sowie §201a StGB: Abstimmungsverlauf

Der Bundestag stimmte am Freitag, 14. November 2014, mit den Stimmen von CDU/CSU- und SPD-Fraktion einem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (18/2601) in der durch den Ausschuss geänderten Fassung (18/3202) zu. Ein mit der Koalitionsvorlage wortgleicher Regierungsentwurf (18/2954) wurde zugleich für erledigt erklärt.

IT-Sicherheitsgesetz: Links

Kurze Inhaltsangabe gemäß Dokumentationsystem des Bundestages und Pressemitteilung

1. Presse: Mit dem Gesetz wird unter anderem geregelt, dass die Herstellung und der Besitz von Nacktbildern von Kindern und Jugendlichen strafrechtlich verfolgt werden, wenn die Absicht besteht, diese zu verkaufen oder in Tauschbörsen anzubieten. Verboten sind zugleich der Besitz und die Weitergabe von Bildern mit kinderpornografischen Inhalten. Laut Gesetz ist dies der Fall, wenn die Kinder in „unnatürlicher geschlechtsbetonter Körperhaltung“ zu sehen sind. Ebenso, wenn Bilder „die unbekleideten Genitalien oder das Gesäß eines Kindes zeigen“. Strafbar ist künftig auch, wer Bilder, „die geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Personen erheblich zu schaden“, unbefugt Dritten zugänglich macht.

2. Dokumentationssystem: Umsetzung der Lanzarote-Konvention und der Istanbul-Konvention des Europarates sowie einer EU-Richtlinie betr. Schutz von Kindern gegen sexuelle Ausbeutung durch Ausweitung des Auslandstatenkatalogs und Änderungen insbes. im Bereichen Schutz vor sexuellem Missbrauch sowie den Bereichen Kinderpornographie und Jugendpornographie und Recht am eigenen Bild, weitere Änderungen:
Erstreckung deutschen Strafrechts auf Auslandstaten unabhängig vom Recht des Tatorts (nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen und sexuellen Handlungen mit und an Kindern, Zwangsheirat, Genitalverstümmelung und Zwangssterilisation), Ruhen von Verjährungen, klarstellende systematische und redaktionelle Änderungen betr. Volksverhetzung, Anleitung zu Straftaten und Gewaltdarstellungen, Ausschärfung betr. Missbrauch von Schutzbefohlenen (verwandtschaftliches Umfeld und häusliche Gemeinschaft, Obhut zur Erziehung und Ausbildung) sowie betr. sexuellen Missbrauch von Jugendlichen; zahlreiche Einzeländerungen und Verschärfungen im Bereich Kinder und Jugendpornographie einschl. Zugänglichmachung und Abruf sowie live-Darbietungen; Strafbarkeit bloßstellender Bildaufnahmen sowie Aufnahmen unbekleideter Personen, Aufnahme als relatives Antragsdelikt und Privatklagedelikt; Klarstellung zum Schriftenbegriff und Einbeziehung von IuK-Technologien in versch. Strafnormen; geschlechtsneutrale Formulierungen;
Änderung §§ 5, 76b, 130, 130a und 131, 174, 176, 182 und 184 sowie 194, 201a und 205, Neufassung §§ 184a bis 184e und Folgeänderung weiterer §§ Strafgesetzbuch, Änderung § 374 Strafprozessordnung sowie Folgeänderung in weiteren 8 Gesetzen

Aus dem Entwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts 2015 zu „Problem und Ziel“

Das von der Bundesrepublik Deutschland am 25. Oktober 2007 unterzeichnete Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeu- tung und sexuellem Missbrauch (ETS 201 – Lanzarote-Konvention), das am 11. Mai 2011 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete Übereinkom- men des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (ETS 210 – Istanbul-Konvention) und die Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlus- ses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1; L 18 vom 21.1.2012, S. 7) müssen in innerstaatliches Recht umgesetzt werden.
Das deutsche Recht entspricht den Anforderungen dieser Rechtsinstrumente be- reits im Wesentlichen. Allerdings werden Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe b in Ver- bindung mit Absatz 4 der Richtlinie 2011/93/EU, Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe d in Verbindung mit Absatz 3 der Istanbul-Konvention und Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe d in Verbindung mit Absatz 4 der Lanzarote-Konvention vom deut- schen Strafanwendungsrecht nicht vollständig umgesetzt. Das geltende Verjäh- rungsrecht erfüllt zudem nicht sämtliche Vorgaben von Artikel 58 der Istanbul- Konvention. Zudem fehlt im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches (StGB) eine Vorschrift entsprechend Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie 2011/93/EU und Arti- kel 21 Absatz 1 Buchstabe c der Lanzarote-Konvention (Strafbarkeit der wissent- lichen Teilnahme/des wissentlichen Besuchs pornographischer Darbietungen, an denen Kinder – nach den Definitionen in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 2011/93/EU und in Artikel 3 Buchstabe a des Übereinkommens Personen unter 18 Jahren – beteiligt sind/mitwirken). Auch entspricht § 176 Absatz 4 Nummer 3 StGB („… durch Schriften“) nicht vollständig den Anforderungen von Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2011/93/EU und Artikel 23 Lanzarote-Konvention („… mittels Informations- und Kommunikationstechnologie“).
Ob und gegebenenfalls inwieweit aus Artikel 36 der Istanbul-Konvention gesetz- geberischer Handlungsbedarf im Hinblick auf die Strafbarkeit nicht einvernehm- licher sexueller Handlungen folgt, ist noch Gegenstand der Prüfung.

Über die Umsetzung der oben genannten internationalen Vorgaben hinaus besteht weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf:
So sollen die Verfolgung von im Ausland verübten Genitalverstümmelungen wei- ter erleichtert und die verjährungsrechtliche Ruhensvorschrift des § 78b Absatz 1 Nummer 1 StGB erneut erweitert werden.
Auch erscheinen die Vorschriften von § 174 Absatz 1 und § 182 Absatz 3 StGB zu eng, um alle strafwürdigen Sachverhalte zu erfassen. § 174 Absatz 1 StGB berücksichtigt derzeit nicht ausreichend das strukturelle Ungleichgewicht, das zwischen Erwachsenen und Jugendlichen in Institutionen, die der Erziehung, Aus- bildung und Betreuung in der Lebensführung von Jugendlichen dienen, sowie in abstammungsähnlichen sozialen Verhältnissen besteht.
Zudem verlangen Artikel 5 Absatz 3 und 6 sowie Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 2011/93/EU und Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe a und f sowie Artikel 24 Absatz 2 und 3 der Lanzarote-Konvention, dass die Herstellung von sowie der wissentliche bzw. bewusste Zugriff mittels Informations- und Kommunikationstechnologie auf Kinderpornographie (zu Letzterem erlaubt Artikel 20 Absatz 4 der Lanzarote- Konvention allerdings einen Vorbehalt) und der Versuch der Verbreitung, Wei- tergabe und Herstellung von Kinderpornographie strafbar sind. Dieser Verpflich- tung kommt die Bundesrepublik Deutschland zwar mit den §§ 184b und 184c StGB sowie ergänzend im Hinblick auf die Herstellung mit den §§ 174, 176 ff., 180 Absatz 2 und 3, § 182 StGB in ausreichendem Umfang nach; ausdrückliche und klarstellende Regelungen sind gleichwohl sinnvoll.
In diesem Zusammenhang wird auch vorgeschlagen, spezielle Regelungen für das Zugänglichmachen strafbarer Inhalte für eine andere Person oder die Öffentlich- keit sowie den Abruf kinder- und jugendpornographischer Inhalte mittels Rundfunk und Telemedien zu schaffen. Die bisherigen Regelungen sind auf den Fall der „Schrift“ zugeschnitten, bei der Inhalt und Trägermedium grundsätzlich mit- einander verbunden sind und die gegenständlich zugänglich gemacht wird.
Zudem sollen die genannten Vorschriften vorsichtig neu geordnet und redaktio- nell überarbeitet werden.
Als verbesserungswürdig erscheint auch der Schutz des allgemeinen Persönlich- keitsrechts (Schutz am eigenen Bild) gegen Herstellung, Weitergabe und Verbrei- tung bloßstellender Bildaufnahmen sowie von Bildaufnahmen unbekleideter Per- sonen, namentlich Kindern, bei denen solche Bildaufnahmen auch zu sexuellen Zwecken hergestellt oder verbreitet werden.

Besteht Besitz an Daten, die nur in den Arbeitsspeicher geladen werden?

Das OLG Hamburg (2-27/09) hatte festgestellt, dass wer sich kinderpornographische Schriften im Internet mit seinem Browser ansieht, schon beim Betrachten Besitz an Kopien dieser Schriften ausübt, da diese in den Arbeitsspeicher des Computers geladen werden. Eine „Verfestigung“, etwa in Form der Speicherung – sei es unmittelbar im Browser-Cache oder mittelbar durch manuelles Speichern der Bilder – sei nicht nötig. Somit liegt schon beim Betrachten solcher Schriften eine Strafbarkeit nach §184b IV StGB vor.

Wir verteidigen beim Vorwurf Kinderpornografie – seriös, hart und mit einem Ziel: Ihre Existenz zu sichern!

Die Feststellungen des OLG Hamburg werden im Folgenden analysiert und auf ihre Stichhaltigkeit überprüft. Im Hinblick auf weitere Datendelikte und die allgemeine rechtliche Überlegung, ob ein Besitz an Cache-Dateien begründet sein kann, dürfte die Frage interessant halten. Im Hinblick auf den Besitz von Kinderpornographie spielt inzwischen diese Frage keine Rolle mehr, da schon das „unternehmen“ der Besitzverschaffung eine Straftat nach einer Gesetzesänderung darstellt.

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