Darlegungs- und Beweislast bei Überwachungsmaßnahmen nach dem G10-Gesetz und dem Bundesverfassungsschutzgesetz

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in seinem Urteil (Az. 11 U 133/22) eine bedeutende Entscheidung zur Darlegungs- und Beweislast bei Überwachungsmaßnahmen nach dem G10-Gesetz und dem Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) getroffen. Im Kern geht es um die Frage, wer die Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme darlegen muss und welche Konsequenzen ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen haben kann. Diese Entscheidung ist wegweisend für den Umgang mit geheimdienstlichen Überwachungsmaßnahmen und deren rechtliche Bewertung im deutschen Rechtssystem.

Sachverhalt

Der Fall dreht sich um eine Überwachungsmaßnahme, die von einem Hoheitsträger auf Grundlage des G10-Gesetzes und des BVerfSchG angeordnet wurde. Der betroffene Kläger fühlte sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und verlangte eine Entschädigung. Die zentrale Frage im Prozess war, ob der Hoheitsträger, der die Überwachungsmaßnahme angeordnet hatte, in der Lage sein muss, die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme darzulegen und zu beweisen, auch wenn er aus Geheimhaltungsgründen nur eingeschränkte Informationen zur Verfügung stellen kann.

Rechtliche Analyse

Das OLG Hamm stellte klar, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Überwachungsmaßnahme den Hoheitsträger trifft. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Überwachungsmaßnahme in die Grundrechte des Betroffenen eingreift, wie es beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Fall ist. Der Hoheitsträger kann sich nicht allein auf Geheimhaltungsgründe berufen, um einen hinreichenden Sachvortrag zur Begründung der Maßnahme zu verweigern.

1. Darlegungs- und Beweislast

Das Gericht argumentierte, dass es Aufgabe des Hoheitsträgers ist, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nachzuweisen. Dabei wurde betont, dass der Hoheitsträger auch unter Berücksichtigung von Geheimhaltungsinteressen einen Mindeststandard an Informationen vorlegen muss, um die Maßnahme rechtfertigen zu können. Sollte er dies nicht leisten können, muss er die Konsequenzen tragen, insbesondere in Form einer Entschädigung des Betroffenen.

2. Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht

Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Überwachungsmaßnahmen ist ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre und den Schutz der personenbezogenen Daten. Das OLG Hamm bestätigte, dass eine solche Verletzung grundsätzlich entschädigungspflichtig ist, wenn der Hoheitsträger nicht in der Lage ist, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nachzuweisen. Dies unterstreicht die Bedeutung des Schutzes der Grundrechte auch gegenüber staatlichen Überwachungsmaßnahmen.

3. Geheimhaltung vs. Rechtsschutz

Das Gericht musste eine Abwägung zwischen den Geheimhaltungsinteressen des Staates und dem Rechtsschutz des Betroffenen vornehmen. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Rechte des Einzelnen nicht aufgrund von Geheimhaltungsinteressen vollständig zurücktreten dürfen. Der Staat hat daher entweder ausreichende Informationen zur Verfügung zu stellen oder die daraus resultierenden rechtlichen Nachteile hinzunehmen.


Fazit

Die Entscheidung des OLG Hamm (Az. 11 U 133/22) betont die Notwendigkeit, dass staatliche Hoheitsträger, die in Grundrechte eingreifen, stets in der Lage sein müssen, die Rechtmäßigkeit ihrer Maßnahmen darzulegen und zu beweisen.

Dies gilt selbst dann, wenn Geheimhaltungsinteressen im Spiel sind. Andernfalls besteht die Pflicht, den Betroffenen für den Eingriff in seine Grundrechte zu entschädigen. Diese Entscheidung stärkt die Position der Bürger gegenüber staatlichen Überwachungsmaßnahmen und stellt sicher, dass Grundrechte nicht durch eine Berufung auf Geheimhaltung unterlaufen werden können.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner