Domainrecht: Keine Störerhaftung der DeNIC

Die DeNIC kommt bei Namens- bzw. Kennzeichenverletzungen durch registrierte Domains nicht als Störer in Frage – so hat der Bundesgerichtshof (I ZR 259/99, I ZR 82/01) längst festgestellt. Der DeNIC kommt hierbei vor allem ihre Tätigkeit im Sinne des öffentlichen Interesses zu Gute. 

Der Bundesgerichtshof (I ZR 259/99) hat klargestellt, dass die DENIC vor der Registrierung einer Domain grundsätzlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung zur Prüfung verpflichtet ist, ob der angemeldete Domain-Name Rechte Dritter verletzt. Dies gilt mit der weiteren BGH-Rechtsprechung sowohl bei erstmaliger Registrierung als auch nach Hinweis auf eine Rechtsverletzung sowie bei erneuter Registrierung.

Ein täterschaftliches Handeln bei Rechtsverletzungen kommt nicht in Frage: „Das Registrieren und Verwalten eines Domain- Namens durch die DeNIC ist – vergleichbar dem Eintragen einer Marke durch das Deutsche Patent- und Markenamt – nicht als ein Benutzen im geschäftlichen Verkehr i.S. der §§ 14, 15 MarkenG anzusehen.“ Auch handelt es sich nicht um eine Form der Teilnahme, da diese ein vorsätzliches Verhalten hinsichtlich der Rechtsverletzung voraussetzt. 

Die Frage, ob eine Störerhaftung im Raume steht, bestimmt sich bekanntlich danach, ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Hier macht der BGH klar, daß der DeNIC grundsätzlich nur eine Prüfung auf offenkundige, aus ihrer Sicht eindeutige Rechtsverstöße zuzumuten ist. Die DeNIC ist regelmäßig nur dann verpflichtet, die Registrierung eines Domain-Namens abzulehnen oder aufzuheben,wenn für sie unschwer zu erkennen ist, dass die Nutzung dieses Domain-Namens Rechte Dritter beeinträchtigt. Der BGH untersucht hier zwei verschiedene „Phasen“:

  1. Für die erste Phase der erstmaligen Registrierung sind der DeNIC mit dem BGH – unter Berücksichtigung ihrer Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung des Anmelders – keine Prüfungspflichten zuzumuten: Dies, da sie keine eigenen Intereessen verfolgt, sondern vielmehr im allgemeinen Interesse aller Internetnutzer agiert. Hierdurch liegt ihre Tätigkeit letztlich gar im öffentlichen Interesse insgesamt! Der BGH will berücksichtigt wissen, dass die DeNIC – die nur wenige Mitarbeiter beschäftigt – bemüht ist, das Registrierungsverfahren insbesondere dadurch effektiv zu gestalten und eine möglichst schnelle und preiswerte Registrierung zu gewährleisten, daß sie die angemeldeten Domain-Namen in einem automatisierten Verfahren allein nach dem Prioritätsprinzip vergibt – ohne dabei zu prüfen, ob an der angemeldeten Bezeichnung Rechte Dritter bestehen.
    Dieses Vorgehen sichert zum einen eine besonders effiziente Bearbeitung, zum anderen halt günstige Preise – im Interesse der Allgemeinheit. Jede Prüfung – auch wenn sie sich auf völlig eindeutige, für jedermann erkennbare Verstöße beschränken würde – ließe sich mit dem bewährten automatisierten Verfahren nicht in Einklang bringen.
  2. Aber auch in der zweiten Phase, wenn die DeNIC von einem Dritten auf eine – angebliche – Verletzung seiner Rechte hingewiesen wird, treffen sie nur eingeschränkte Prüfungspflichten. In dieser Phase ist die DeNIC mit dem BGH nur dann verpflichtet, eine Registrierung zu löschen, wenn die Verletzung der Rechte Dritter offenkundig und ohne weiteres feststellbar ist. 

Damit verbleibt für die DeNIC eine enorme Privilegierung, die der Bundesgerichtshof mit der Rolle rechtfertigt, die die DeNIC für die Allgemeinheit wahrnimmt:

Die Beklagte (=DeNIC) könnte ihre Aufgabe nicht mehr in der gewohnt effizienten Weise erfüllen, wenn sie verpflichtet wäre, in jedem Fall, in dem ein Dritter eigene Rechte an einer registrierten Domain-Bezeichnung geltend macht, in eine rechtliche Prüfung einzutreten. Sie ist selbst dann, wenn ihr ein Verstoß gegen Rechte Dritter dargelegt wird, als rein technische Registrierungsstelle regelmäßig nicht in der Lage zu beurteilen, ob der behauptete Rechtsverstoß vorliegt. Wäre die Beklagte gehalten, sämtlichen Hinweisen auf angebliche Rechtsverletzungen nachzugehen, wäre die Prüfungspflicht nicht mehr nur auf Ausnahmefälle beschränkt. Ihre personelle und sachliche Ausstattung würde bei der großen Zahl der zu bearbeitenden Registrierungsanträge und bei den vielfältigen Konfliktfällen für eine solche Prüfung nicht ausreichen.

Die Klärung des Konflikts könnte dabei keineswegs endgültig der Beklagten überlassen werden; maßgeblich wäre auch bei einer Prüfung durch die Beklagte die gerichtliche Klärung des Streits zwischen den beiden Prätendenten, also zwischen dem Inhaber des Domain-Namens und dem bessere Rechte beanspruchenden Dritten. Im übrigen erscheint es auch nicht angemessen, das Haftungs- und Prozeßrisiko, das bei Auseinandersetzungen um die Rechtmäßigkeit eines Domain-Namens dessen Inhaber trifft, auf die Beklagte zu verlagern. Unter diesen Umständen kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, Dritte, die behaupten, durch einen Domain-Namen in ihren Rechten verletzt zu sein, darauf zu verweisen, mögliche Ansprüche gegenüber dem Inhaber des Domain-Namens geltend zu machen.

Dies ist natürlich nur ein Grundsatz, also Ausnahmen unterworfen. Eine solche Ausnahme will der BGH für die DeNIC dann erkennen, wenn diese „ohne weitere Nachforschungen zweifelsfrei feststellen kann, daß ein registrierter Domain-Name Rechte Dritter verletzt“. Das aber ist nicht weitgreifend zu verstehen! Vielmehr ist ein solcher Rechtsverstoß nur dann unschwer zu erkennen, wenn der DeNIC ein rechtskräftiger gerichtlicher Titel vorliegt oder wenn die Rechtsverletzung derart eindeutig ist, daß er sich aufdrängen muß. Eine rechtliche Bewerung oder gar Prüfung ist der DeNIC mit dem BGH dabei unter keinen Umständen zuzumuten – hierzu gehört auch die Frage, ob etwa eine Verwechslungsgefahr begründet ist. Es ist dabei bedeutungslos, ob man sich bei der DeNIC „ohne großen Aufwand über aktuell vergebene Marken“ in den bekannten Datenbanken informieren kann: Letztlich kommt es auf die Frage der Verwechslungsgefahr an, die die DeNIC dank BGH gerade nicht prüfen muss.

Einen solchen Fall offensichtlicher Verletzung sah der BGH (I ZR 131/10) tatsächlich einmal gegeben: Als ein in Panama ansässiges Unternehmen die Domain „regierung-oberfranken.de“ registriert hat. Hier drängt sich mit dem BGH die Rechtsverletzung derart auf, dass die DeNIC als Störer in Anspruch genommen werden konnte. Die Entscheidung stieß auf Kritik (etwa Welzel in MMR 2012, S. 532ff.), kann aber letztlich zumindest im Ergebnis überzeugen. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH diese Offensichtlichkeit nur bei Staatlichen Stellen erkennen will oder darüber hinaus fortführt, was ich eher bezweifle.

Weiter hat der Bundesgerichtshof (I ZR 82/01) klar gestellt, dass es keine Pflicht zur Sperrung von Domain-Namen für die DeNIC gibt: Wenn jemand erfolgreich auf Löschung einer Domain in Anspruch genommen wird, besteht das Risiko, dass jemand anders wieder schneller ist und erneut die Domain dem erfolgreichen Kläger wegschnappt. Auch das rechtfertigt keine „Reservierungspflicht“, denn: Wird ein eingetragener Domain-Name gelöscht, weil wie im vorliegenden Fall die Berechtigung des Anmelders vom Namensträger bestritten wird, so kann dieser den Domain-Namen für sich selbst registrieren und vor der Eintragung seinen Rang durch einen sogenannten Dispute-Eintrag bei der Beklagten zu 2 absichern lassen (vgl. BGHZ 149, 191). Die Rechte des Berechtigten sind darüber ausreichend geschützt.

Ausserdem ist die für die Vergabe von Domain-Namen zuständige DENIC ist auch bei weiteren Anträgen Dritter auf Registrierung desselben Domain-Namens grundsätzlich nicht zu der Prüfung verpflichtet, ob die angemeldete Bezeichnung Rechte des Namensinhabers verletzt! Denn auch hier kann die Möglichkeit bestehen, dass dennoch eine rechtmäßige Nutzung erfolgen würde – die Bewertung im Einzelfall ist aber (siehe oben) der DeNIC unzumutbar.

Zum Thema auch von mir:

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner