Ein bedeutendes Urteil – das Fragen aufwirft: Das Verwaltungsgericht München hat in seinem Beschluss vom 28. November 2023 (Aktenzeichen M 3 E 23.4371) einen wegweisenden Fall in Bezug auf die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) bei der Erstellung von Hochschulbewerbungsunterlagen entschieden.
Beachten Sie dazu auch meine Beiträge auf Linked-In: Die KI-Paranoide Gesellschaft sowie „Was machen die KI-textlichen Fertigkeiten mit uns und unserer Gesellschaft„.
Sachverhalt: KI-generiertes Essay führt zu Ablehnung
Im Zentrum des Falls stand ein Student, der sich für einen Masterstudiengang an der Technischen Universität München (TUM) bewarb. Für die Bewerbung reichte der Student ein Essay ein, das, wie sich später herausstellte, mithilfe von KI erstellt wurde. Die TUM lehnte daraufhin die Bewerbung ab, da sie in der Einreichung eines KI-generierten Essays einen Täuschungsversuch sah.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts München
Das Gericht stellte fest, dass die Hochschule berechtigt war, den Antragsteller vom Bewerbungsverfahren auszuschließen. Die Entscheidung basierte auf der Feststellung, dass ein mit KI erstelltes Essay eine erhebliche Verletzung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis darstellt.
Das Gericht betonte, dass die Täuschung nicht nur in der unerlaubten Hilfe durch die KI, sondern auch in der vorgespiegelten Selbstständigkeit der Arbeit liegt. Die Richter argumentierten, dass die Verwendung von KI bei der Erstellung des Essays den wesentlichen Charakter einer persönlichen und eigenständigen Leistung untergräbt, die von Bewerbern für derartige Studiengänge erwartet wird.
Etwas seltsam mutet an, dass dem Bewerber vorgeworfen wurde, „zu gut“ zu sein:
Nach der Stellungnahme von Prof. S. vom 28. September 2023 fällt das vom Antragsteller eingereichte Essay im Vergleich zu den Essays anderer Bewerber durch die sehr stark strukturierte Form auf; erfahrungsgemäß wiesen längere schriftliche Arbeiten von Studierenden selbst bei intensiver Betreuung gewisse Brüche in Struktur und Logik auf. Ferner steche die Kürze und Inhaltsdichte der Sätze und Abschnitte des Antragstellers ins Auge; im Vergleich zu den Essays nahezu sämtlicher weiterer Bewerber sei die Arbeit des Antragstellers deutlich kürzer, enthalte jedoch alle relevanten Aspekte. In der Regel neigten Bachelorabsolventen zur Nutzung verschachtelter Sätze und zur Überlänge; selbst erfahrenen Wissenschaftlern bereite es mitunter Mühe, Forschungsartikel in der gegebenen Kürze abzufassen.
Die wesentliche Stärke von Programmen der künstlichen Intelligenz liege darin, Inhalte komprimiert darzustellen. Schließlich sei die Arbeit des Antragstellers in geschliffenem Englisch und frei von Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehlern abgefasst, was nicht den bisherigen Erfahrungen der Prüfer entspreche. Die Prüfer verweisen damit auf Auffälligkeiten in Bezug auf Struktur, inhaltliche Dichte und Fehlerfreiheit bei Wortwahl, Rechtschreibung und Zeichensetzung. Dem Vergleich lagen die Arbeiten anderer Bewerber der laufenden Bewerbungsrunde und darüber hinaus die allgemeinen Erfahrungen der Prüfer zu den Fähigkeiten von Bachelorabsolventen bei der Abfassung von Texten zugrunde. Angesichts dieses breiten Vergleichsspektrums lassen sich die Auffälligkeiten nicht allein mit der Spannbreite der gezeigten Leistungen der Bewerber und einer in diesem Rahmen am oberen Rand liegenden Leistung des Antragstellers erklären. Ins Gewicht fällt, dass Prof. S. im Hinblick auf die auffällige Prägnanz des Essays des Antragstellers sogar die Texte erfahrener Wissenschaftler zum Vergleich heranzieht.
Diese festgestellten Auffälligkeiten in Gestalt einer besonderen Qualität des Textes korrespondieren nach den Erfahrungen der Prüfer genau mit den Stärken von durch künstliche Intelligenz erstellten Texten, nämlich Inhalte derart kompakt darzustellen.
Tatsächlich handelt es sich hier am Ende um eine Mutmaßung und es macht Sorge, dass dies allein schon ausreichen soll – es verbleibt die Frage, ob man Studenten in Zukunft raten soll, bewusst Fehler und Strukturmängel einzubauen, um sich hier abzusichern.
Bedeutung für die Zukunft der Hochschulbewerbungen
Dieses Urteil wirft ein Schlaglicht auf die zunehmende Rolle von KI in akademischen und beruflichen Kontexten und stellt klare Grenzen in Bezug auf ihre Verwendung. Es unterstreicht die Bedeutung der Authentizität und Eigenständigkeit wissenschaftlicher Arbeiten und zeigt auf, dass Hochschulen das Recht haben, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die Integrität ihrer Zulassungsverfahren zu wahren.
Fazit
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München setzt ein deutliches Zeichen gegen die unzulässige Nutzung von KI bei der Erstellung von Hochschulbewerbungsunterlagen. Sie untermauert die Notwendigkeit, dass Bewerber die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis einhalten müssen und betont die Verantwortung der Hochschulen, die Authentizität von Bewerbungsunterlagen sicherzustellen. Ob dem hier hinreichend Genüge getan wurde, bleibt aus hiesiger Sicht offen. Die Entscheidung sollte kein Vorbild für andere Entscheidungen in diesem Bereich sein.
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