Entschlüsselung der Spionage in Europa: Ein Überblick über die Jahre 2010–2021

In den letzten Jahren hat sich die Landschaft der Spionage in Europa signifikant verändert, wie eine neue Studie zeigt, die vom schwedischen Verteidigungsministerium und der Sicherheitspolizei in Auftrag gegeben wurde. Der Bericht, der den Zeitraum von 2010 bis 2021 abdeckt, beleuchtet eine Serie von Spionagefällen, die durch europäische Bürger im Auftrag illiberaler Staaten durchgeführt wurden. Diese Analyse bietet einen seltenen Einblick in die Welt der Spionage, die oft im Verborgenen operiert und schwer zu durchschauen ist.

Die Hauptakteure und Opfer

Der Bericht stellt fest, dass Spionage in Europa fast ausschließlich von Männern durchgeführt wurde – 95% der identifizierten Spione waren männlich. Die durchschnittliche Altersgruppe dieser Spione lag zwischen 30 und 39 Jahren, wobei 41% der Spione älter als 40 Jahre waren, als sie zu spionieren begannen. Bemerkenswert ist, dass die meisten Spione (drei Viertel) Zivilisten waren und nicht militärisches oder nachrichtendienstliches Personal.

Geographische und organisatorische Schwerpunkte

Die meisten Fälle konzentrierten sich auf Nordosteuropa. Abgesehen von russischen Bürgern kamen mehr als drei Viertel der verurteilten Spione aus den baltischen Staaten und Polen. Diese geografische Konzentration könnte teilweise durch die Nähe zu Russland und die historischen und politischen Spannungen in der Region erklärt werden.

Im Gegensatz zu den USA, wo China ein Hauptempfänger von Spionageinformationen ist, war in Europa Russland der dominierende Akteur. Der Bericht identifizierte, dass 37 der 42 verurteilten Spione für die russischen Dienste, hauptsächlich für den GRU (Hauptverwaltung Aufklärung) und den FSB (Bundessicherheitsdienst), tätig waren.

Methoden und Motivationen

Die Spione nutzten eine Vielzahl von Methoden, um Zugang zu klassifizierten Informationen zu erlangen. Die Beweggründe waren oft finanzieller Natur, aber es gab auch Fälle, in denen ideologische Überzeugungen oder persönliche Bindungen zu den entscheidenden Faktoren wurden. Dies deutet auf eine komplexe Mischung von Anreizen hin, die von den Spionen abgewogen wurden.

Wirtschaftsspionage?

Die Studie behandelt hauptsächlich Fälle von klassischer Spionage, bei der Staatsgeheimnisse oder militärische Informationen im Mittelpunkt stehen. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass wirtschaftliche Spionage, insbesondere durch chinesische Akteure, in Europa ebenfalls als wachsende Bedrohung angesehen wird. Seit 2015 wird chinesische Wirtschaftsspionage zunehmend als Sorge in Europa erkannt . In den USA beispielsweise hatte die auf wirtschaftliche Spionage spezialisierte Einheit des FBI im Jahr 2020 über 2000 aktive Fälle bezüglich chinesischer Operationen .

Die Erkenntnisse legen nahe, dass wirtschaftliche Spionage, die in früheren Jahren nur als geringe Bedrohung gesehen wurde, mittlerweile als ernstzunehmende Gefahr für die nationale Sicherheit betrachtet wird, vergleichbar mit der klassischen Spionage, die sich auf die Verteidigungsinformationen konzentriert .

Implikationen und zukünftige Herausforderungen

Die Studie legt nahe, dass die Zahl der Verurteilungen wegen Spionage in Europa während des Jahrzehnts signifikant gestiegen ist, ein Trend, der sich mit der zunehmenden geopolitischen Spannung zwischen Russland und der Europäischen Union deckt. Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Notwendigkeit für verstärkte Sicherheitsmaßnahmen und eine kontinuierliche Überprüfung der nachrichtendienstlichen Strategien der EU-Mitgliedsstaaten.

Diese Erkenntnisse öffnen eine wichtige Diskussion über die Effektivität der Spionageabwehr in Europa und werfen Fragen auf bezüglich der zukünftigen Ausrichtung der europäischen Sicherheitspolitik, insbesondere im Hinblick auf die Beziehungen zu Russland und anderen illiberalen Staaten. Es bleibt abzuwarten, wie Europa auf diese fortwährenden Bedrohungen reagieren wird, doch die Daten aus diesem Bericht bieten eine entscheidende Grundlage für zukünftige politische Entscheidungen und Sicherheitsüberlegungen.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner