Bereits im März 2022 hatte das BVerfG im Rahmen einer erfolglosen Verfassungsbeschwerde über § 202d StGB (Datenhehlerei) zu entscheiden.
Aus Sicht des BVerfG hatten die Beschwerdeführer (Journalisten) nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass ein grundrechtlich geschütztes Verhalten von der angegriffenen Norm nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik betroffen und eine Auslegung im Einklang mit Art. 5 Abs. 2 GG nicht möglich sei.
Die Beschwerdeführer hatten Beispielsfälle vorgetragen, die sie beunruhigten, die aber nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts eindeutig nicht unter den Tatbestand der Datenhehlerei fielen. Mangels ersichtlicher Strafbarkeit bestehe hier schon gar nicht die Gefahr strafrechtlicher Ermittlungsmaßnahmen gegen Journalisten nach § 97 Abs. 2 Satz 2 StPO (n.F.). Es sei auch nicht ersichtlich, dass die angegriffenen Vorschriften eine eingriffsgleiche Abschreckungswirkung für Journalisten oder Dritte wie Whistleblower entfalten könnten.
Das BVerfG hebt hervor, dass es bereits an einer rechtswidrigen Tat eines anderen im Sinne des § 202d Abs. 1 StGB fehlen dürfte, durch die die Daten erlangt wurden. Handelt es sich bei dem Informanten nämlich um einen an sich berechtigten Mitarbeiter des Betroffenen, der Zugriff auf die übermittelten Daten hat, so mag sich der Mitarbeiter und Informant durch die Weitergabe der Daten strafbar gemacht haben. Er hätte die Daten jedoch nicht durch eine rechtswidrige Tat erlangt, da er bereits zuvor Zugriff auf die Daten hatte.
Aber selbst wenn man die Verwirklichung des objektiven Tatbestands unterstellt, bestanden für das BVerfG aufgrund des Vortrags der Journalisten erhebliche Zweifel, ob der subjektive Tatbestand der Datenhehlerei überhaupt erfüllt sein könnte. Zunächst sei fraglich, ob sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführer zu den von ihnen gebildeten Beispielsfällen überhaupt ein bedingter Vorsatz des Täters in Bezug auf die rechtswidrige Vortat ergebe. Nach der Gesetzesbegründung reicht das Bewusstsein, dass die Daten aus irgendeiner rechtswidrigen Tat stammen, nicht aus (BTDrucks 18/5088, S. 47). Dass ein Journalist aufgrund der Sensibilität der Daten eine rechtswidrige Beschaffung nicht ausschließen kann, reicht also gerade nicht aus.
Darüber hinaus würde es an hinreichenden Darlegungen fehlen, die eine Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht des Journalisten erkennen lassen. (Dritt-)Bereicherung und Schädigung setzen nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich Vorsatz voraus (BTDrucks 18/5088, S. 47). Der Schaden oder Vorteil muss vom Täter als Erfolg gewollt sein, es muss ihm gerade darauf ankommen. Steht die Aufklärung von Missständen im Vordergrund, ist der Vorsatz des Täters hierauf gerichtet, nicht aber auf den Nachteil.
Im Ergebnis fehlte es dem Bundesverfassungsgericht an einem hinreichenden Vortrag der Journalisten, warum der Tatbestandsausschluss für sie nicht gelten solle. Angesichts der weiteren Gesetzesbegründung drängt sich entgegen der Annahme der Beschwerdeführer auf, dass ein umfassender Ausschluss journalistischer Tätigkeiten bezweckt ist („Zum anderen wird klargestellt, dass […] insbesondere journalistische Tätigkeiten unter den Tatbestandsausschluss fallen“; BTDrucks 18/5088, S. 48). Mit dem Tatbestandsausschluss soll erreicht werden, dass eine journalistische Tätigkeit auch dann nicht unter Strafe gestellt wird, wenn die Recherchen möglicherweise erfolglos bleiben und es im Ergebnis nicht zu einer Veröffentlichung kommt. Entscheidend ist die Vorstellung des jeweiligen Journalisten, dass sein Handeln zu einer konkreten Veröffentlichung führen kann.
Soweit die Journalisten geltend machten, das Ausschließlichkeitskriterium des § 202d Abs. 3 Satz 1 StGB werde der journalistischen Praxis nicht gerecht, weil regelmäßig ein Motivbündel vorliege, vermochte dies das Bundesverfassungsgericht bereits im Ansatz nicht zu überzeugen:
Die Lesart der Beschwerdeführer verengt in nicht nachvollziehbarer Weise den Anwendungsbereich des zugunsten der Journalisten eingefügten Tatbestandsausschlusses und steht in direktem Widerspruch zu der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Zielsetzung, journalistische Tätigkeiten umfassend zu schützen. Aus dem Wortlaut und der Systematik der Norm ergibt sich, dass die Verwendung einen objektiv funktionalen Zusammenhang zur Aufgabenerfüllung aufweisen muss. Der konkrete Zusammenhang mit der – hier journalistischen – Aufgabenerfüllung ist der Grund, der die Tatbestandslosigkeit des Umgangs mit ansonsten bemakelten Daten begründet.
BVerfG, 1 BvR 2821/16
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