EuGH-Entscheidung zu strafbaren Markenverletzungen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil vom 19. Oktober 2023 (Rechtssache C‑655/21) wichtige Aspekte des geistigen Eigentums und der Strafverfolgung beleuchtet. Der Fall drehte sich um Markenverletzungen und deren strafrechtliche Konsequenzen, speziell die Auslegung von Artikel 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Kernpunkte des Urteils

  • Gesetzmäßigkeit von Straftaten und Strafen: Der EuGH befasste sich mit der Frage, ob das Prinzip der Gesetzmäßigkeit einer Regelung entgegensteht, die ein und dasselbe Verhalten sowohl als Ordnungswidrigkeit als auch als Straftat einstuft. Interessanterweise verneint der EuGH dies, da die strafrechtlich relevanten Tatbestände in Art. 172b des bulgarischen Strafgesetzbuchs deutlich definiert sind.
  • Verhältnismäßigkeit der Strafen: Ein zentraler Punkt war, ob die im bulgarischen Recht vorgesehenen Strafen (Freiheitsstrafe von fünf bis acht Jahren sowie Geldstrafen) mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 49 Abs. 3 der Charta vereinbar sind. Der EuGH stellt fest, dass diese Strafen an sich nicht unverhältnismäßig sind. Allerdings wird kritisiert, dass das breite Spektrum des Tatbestands der Markenverletzung nicht immer eine angemessene Strafzumessung erlaubt.

Bedeutung und Auswirkung

Dieses Urteil setzt neue Maßstäbe in der Bewertung von Strafmaßen bei Markenverletzungen und der Gesetzmäßigkeit im Kontext des geistigen Eigentums. Es betont die Wichtigkeit der Klarheit und Vorhersehbarkeit von Strafnormen und bestätigt die Zulässigkeit der parallelen Einstufung von Verhaltensweisen als Ordnungswidrigkeiten und Straftaten.

Der Entscheid weist auch auf die Notwendigkeit hin, dass bei der Festlegung von Strafen die individuellen Umstände jedes Einzelfalls berücksichtigt werden müssen, um sicherzustellen, dass die Strafen verhältnismäßig bleiben.


Fazit

Das Urteil des EuGH bietet wichtige Einsichten in die komplexe Welt des geistigen Eigentumsrechts und der strafrechtlichen Verfolgung. Es unterstreicht die Notwendigkeit, dass Gesetzgebung und Rechtsprechung in diesem Bereich sowohl klar als auch fair sein müssen, um den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit gerecht zu werden. Dies hat sowohl für die Rechtspraxis als auch für Unternehmen, die mit geistigem Eigentum arbeiten, weitreichende Implikationen.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner