In einer aktuellen Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine bedeutende Klarstellung im Bereich des Markenstrafrechts vorgenommen. Die Entscheidung betrifft die Möglichkeit, dass ein Verhalten sowohl als administrative (Ordnungswidrigkeit) als auch als strafrechtliche Verletzung derselben Markenvorschrift behandelt werden kann.
Sachverhalt
Der EuGH hatte über die Frage zu entscheiden, ob eine nationale Gesetzgebung, die ein und dasselbe Verhalten sowohl als administrative als auch als strafrechtliche Verletzung qualifiziert, mit dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Straftaten und Strafen (Artikel 49, Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) vereinbar ist.
Im konkreten Fall ging es darum, dass eine Person ohne Zustimmung des Markeninhabers Waren mit einer Marke versah und diese verkaufte. Diese Handlungen konnten nach nationalem Recht sowohl als Ordnungswidrigkeit als auch als Straftat verfolgt werden.
Rechtliche Analyse
Der EuGH stellte klar, dass Artikel 49, Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht gegen eine nationale Gesetzgebung spricht, die das gleiche Verhalten sowohl als Ordnungswidrigkeit als auch als Straftat definiert, ohne dabei klare Kriterien zur Abgrenzung der beiden Kategorien festzulegen. Die Elemente der Verletzung werden in der strafrechtlichen und der markenrechtlichen Gesetzgebung identisch beschrieben.
Wesentliche Punkte der Entscheidung:
- Dualität der Rechtsverfolgung: Das Gericht akzeptierte, dass ein Verhalten parallel in zwei unterschiedlichen Rechtsbereichen (Verwaltungsrecht und Strafrecht) geahndet werden kann.
- Fehlende Abgrenzungskriterien: Es ist nicht erforderlich, spezifische Kriterien zu definieren, die zwischen einer administrativen und einer strafrechtlichen Verletzung unterscheiden, solange die beschreibenden Elemente der Verletzung identisch sind.
- Prinzip der Gesetzmäßigkeit: Die Entscheidung unterstreicht das Prinzip der Gesetzmäßigkeit, wonach die Bürger vorhersehen können müssen, welche Handlungen strafbar sind, und dass diese Klarheit auch in Fällen mit dualer Rechtsverfolgung gegeben ist.
Fazit und Auswirkungen
Die Entscheidung des EuGH hat weitreichende Konsequenzen für die Praxis des Markenrechts in den Mitgliedstaaten. Sie erlaubt es den nationalen Gesetzgebern, ein und dasselbe Verhalten sowohl administrativ als auch strafrechtlich zu ahnden, was zu einer effizienteren Durchsetzung von Markenschutzbestimmungen führen kann. Für Unternehmen und Individuen bedeutet dies jedoch auch eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber Markenrechtsverletzungen, da Verstöße mehrfach geahndet werden können.
Die Entscheidung ist spannend, dürfte für Deutschland aber recht geringe praktische Relevanz haben, wobei Markenstraftaten hier nach meinem Eindruck eher selten originär verfolgt werden – jedenfalls wird das Verhältnis von Ordnungswidrigkeit zu Straftat über §21 OWIG abschließend geregelt.
Dieses Urteil stärkt die Position der Markeninhaber und unterstreicht die Bedeutung klarer und vorhersehbarer Rechtsnormen im europäischen Binnenmarkt. Unternehmen sollten sicherstellen, dass ihre Markenpraxis den gesetzlichen Anforderungen entspricht, um sowohl administrative als auch strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
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