Der EUGH (C‑160/15) hat nunmehr entschieden, dass eine urheberrechtliche Haftung für Hyperlinks in Betracht kommen kann. So hat der EUGH nunmehr klargestellt,
dass zur Klärung der Frage, ob das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, zu ermitteln ist, ob die Links ohne Gewinnerzielungsabsicht durch jemanden, der die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Website nicht kannte oder vernünftigerweise nicht kennen konnte, bereitgestellt wurden oder ob die Links vielmehr mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, wobei im letzteren Fall diese Kenntnis zu vermuten ist.
Das Problem ist der letzte Teil in dieser Entscheidung: Wer mit „Gewinnerzielungsabsicht“ handelt, bei dem wird die Kenntnis vermutet. Zwar kann diese Vermutung widerlegt werden, fraglich aber ist, wie dies bei den inzwischen erheblich gestiegenen Anforderungen im Urheberrecht noch möglich sein soll.
Die Entscheidung verwundert, nicht nur Laien sondern auch in der einschlägigen Literatur hat sie für einiges an Empörung gesorgt – denn die Absicht Gewinn zu erzielen kann früh angenommen werden, schon ein wie auch immer gearteter kommerzieller, möglicherweise nur werbender, Hintergrund kann schon ausreichen um die vermutete Kenntnis zu schaffen. Wie hier noch vorbehaltlos Links zu Webseiten möglich sein sollen erscheint schwierig.
Der EUGH sieht dabei die Bedeutung von Hyperlinks
Insoweit ist festzustellen, dass das Internet für die durch Art. 11 der Charta gewährleistete Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit tatsächlich von besonderer Bedeutung ist und dass Hyperlinks zu seinem guten Funktionieren und zum Meinungs‑ und Informationsaustausch in diesem Netz beitragen, das sich durch die Verfügbarkeit immenser Informationsmengen auszeichnet.
Dabei bietet der EUGH durchaus Grenzen, um eine ausufernde Haftung zu vermeiden. Etwa wenn er ausführt
Zum Zweck der individuellen Beurteilung des Vorliegens einer „öffentlichen Wiedergabe“ (…) muss daher, wenn das Setzen eines Hyperlinks zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk von jemandem vorgenommen wird, der dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, berücksichtigt werden, dass der Betreffende nicht weiß und vernünftigerweise nicht wissen kann, dass dieses Werk im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurde.
Hier wird noch auf positive Kenntnis oder ein „vernünftigerweise nicht wissen“, also eine erhöhte Zumutbarkeitsprüfung hingewiesen – doch all dies spielt am Ende bei einer vermuteten Kenntnis keine ernsthafte Rolle mehr, da hier dann plötzlich eine Exkulpation im Raume steht für die der Linksetzer beweisbelastet wäre.
Aus meiner Sicht ist die Entscheidung desaströs, wenn Sie nicht auf einen Kern konzentriert wird: Im Vorlagefall ging es beim EUGH um einen konkreten Link zu einer Datei mit Bildern, deren Rechtmässigkeit sich geradezu aufdrängen musste. Die vorliegende Rechtsprechung nimmt dabei Bezug auf die frühere Rechtsprechung zur Schaffung einer neuen Öffentlichkeit, auch in diesem Fall ging es um einen direkten Link zum streitgegenständlichen Werk. Auch die Ausführungen in der jetzigen Entscheidungen nehmen immer Bezug auf einen Hyperlink zu einem Werk, wenn etwa davon gesprochen wird, es ginge um das „Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken“ oder um das „Setzen eines Hyperlinks zu Werken“. Der EUGH hatte bisher keinen Anlass sich zu der Frage zu äussern, wie es sich verhält, wenn nicht zielgerichtet das urheberrechtliche Werk (mittelbar oder unmittelbar) verlinkt wird, sondern nur die Webseite und damit einhergehen (reflexartig) auch ein verlinktes Werk. Ich vermute, der EUGH würde letzteres über eine erweiterte Zumutbarkeitsprüfung lösen und zum Ergebnis kommen, dass hier eine Kenntnis wiederum nicht zu vermuten wäre.
Diese Sichtweise würde an der grundsätzlichen Haftung nicht rütteln, aber zumindest die mittelbare Haftung wieder auflösen. Es wäre auch schlechthin undenkbar, von einem Linksetzer zu verlangen, dass er die gesamte Webseite hinsichtlich potentieller Urheberrechtsverstösse prüft sondern vielmehr das Ziel des konkreten Links im Gesamtlicht der Intention der Linksetzung. Auch hier findet man Hinweise in der EUGH-Entscheidung, denn der EUGH weist darauf hin, dass eine Kenntnis bei nicht-kommerziellen Angeboten anzunehmen wäre „weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde“, also ab einer Inkenntnissetzung. Damit erweist sich ein derart krasses Gefälle zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Angeboten, wobei ja befremdlicherweise sämtliche Presse-Angebote einen kommerziellen Hintergrund haben, dass eine solch hohe Haftung gerade für die „Organe“ der Pressefreiheit kaum anzunehmen sein dürfte.
Ebenfalls ungerklärt ist, ob zu fragen ist, ob die gesamte Webseite eine „Gewinnerzielungsabsicht“ vorweisen muss, also eine allgemeine Gewinnerzielungsabsicht ausreichend ist, oder ob vielmehr zu fordern ist, dass der konkrete Link in Gewinnerzielungsabsicht gesetzt worden sein muss. In dem Vorlagefall war davon auszugehen, dass der konkrete Link mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt wurde, so dass dies durchaus anzunehmen wäre und eben nicht – etwa bei Zeitungs-Webseiten – schon der allgemeine Hintergrund der Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausreichend wäre. Auch dies bleibt aber erst einmal ungeklärt, wobei angesichts des krassen Haftungsgefälles vieles für Ansicht spricht, dass der konkrete Link in Gewinnerzielungsabsicht gesetzt worden sein muss. Abgesehen davon wäre zu sehen, dass die gesamte Rechtsprechung des EUGH sich auf den konkreten Link konzentriert, was sich schon in der Frage an sich äussert, ob mit dem jeweiligen Link ein neues Publikum eröffnet wird.
Alles in allem: Es bleibt dabei, dass Webseiten mit kommerziellem Hintergrund eine Haftungsproblematik bei Links haben. Nicht-kommerzielle Webseite dagegen haben sogar vielmehr eine Haftungserleichterung erhalten beim Thema Haftung für Hyperlinks. Urheber sollten rein vorsichtshalber, wenn es nicht um unmittelbare Links geht, immer eine Inkenntnissetzung vorab schalten, wenn wirklich gegen einen Linksetzer vorgegangen werden soll. Im Übrigen bleibt die Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten, insbesondere was die Frage angeht, ob es bei der Gewinnerzielungsabsicht auf das Angebot insgesamt oder die Intention der konkreten Linksetzung ankommt.
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