Eines vorab, was ich bei diesem Thema ohnehin immer tue: Ich mahne zur Vorsicht und zurückhaltender Euphorie. Jedenfalls auf den ersten Blick scheint sich das Landgericht Köln (33 O 353/11) von der ausufernden Störerhaftung bei Familienanschlüssen zu verabschieden. Ich erkläre am Ende, warum ich zu dieser Vorsicht rate. Im Kern jedenfalls sagte das Landgericht Köln nun, dass Familien nicht mehr – wie bisher leider üblich – in einer pauschalen „Sippenhaft“ hängen. Eine m.E. richtige Weichenstellung.
Die Überlegungen in Köln
Es ging um den Familien-Klassiker: Jemand (hier der Vater und Ehemann) war Anschlussinhaber. Über den Anschluss nutzten nun Ehefrau/Mutter sowie die Kinder rege das Internet. Eines Tages kam die Abmahnung und keiner will es gewesen sein. Der Anschlussinhaber wird nun als Störer in Anspruch genommen. Das Landgericht Köln wies das zurück, mit interessanter Argumentation.
Hinsichtlich der Ehefrau/Mutter hat das OLG Köln (6 U 239/11, hier bei uns besprochen) inzwischen klar gestellt, dass eine Haftung nicht in Frage kommt, da es keine Kontrollpflichten unter Ehepartnern gib.
Bei den Kindern dagegen ist es etwas komplexer. Die Rechtsprechung ist hier nicht einheitlich (ich habe das hier umfassend durchgestellt), und unterscheidet regelmäßig zwischen minderjährigen und volljährigen Kindern. Hier aber kommt nun ein Gedanke ins Spiel: Es steht ja gerade nicht fest, wer gehandelt hat. Es könnte einmal die Ehefrau gehandelt haben, bei der es keine Prüfpflichten gibt – oder eben doch die Kinder. Da aber gerade nicht feststeht wer es war, ist eben auch nicht erwiesen, dass bei Erfüllung eventueller Kontrollpflichten gegenüber der Kinder der Rechtsbruch nicht vorgekommen wäre. Oder wie es das Gericht ausdrückt: Es steht gerade nicht fest, dass die (angebliche) Verletzung von Prüfpflichten gegenüber der Kinder kausal für die Rechtsverletzung war. Damit ist die Störerhaftung bei den Kindern, die Kausalität voraussetzt, ausgehebelt.
Ergebnis: Der Rechteinhaber blieb auf seinen Kosten sitzen.
Verallgemeinerungsfähig, aber: Mit Vorsicht
Die Entscheidung fällt bei mir auf fruchtbaren Boden, ich bin seit langem davon überzeugt, dass bei echten Familienanschlüssen die pauschale Anwendung der Störerhaftung in der bisherigen Form falsch ist. Auch wenn hier das Landgericht Köln gehandelt hat, ist das aber nicht unbedingt zu Verallgemeinern. Zum einen hat hier nicht die „berühmte“ 28. Kammer agiert, sondern die 33. Kammer. Darüber hinaus finden sich zahlreiche Klagen von Rechteinhabern ohnehin nicht in Köln, sondern in Hamburg oder München. Ob dieser zarte Beginn dort Früchte tragen wird – ich bin erst einmal skeptisch. Gleichwohl verbleibt hier ein Hoffnungsschimmer.
Und: Vorsicht beim Vortrag
Man muss Blick für das Wesentliche haben – das entscheidende Moment in diesem Fall ist die Ehefrau! Bei mehreren möglichen Tätern wirkt sich die Ehefrau aus, solange sie als Täter in Frage kommt, da mit der Rechtsprechung des OLG Köln dieser gegenüber keine Kontrollpflichten bestehen. Wer dann bei Gericht vorträgt, die Frau habe definitiv gar nichts gemacht, nimmt sich die gesamte Verteidigung – denn übrig blieben dann nur die Kinder, bei denen wiederum Kontrollpflichten bestehen. Insofern muss eine Verteidigung, die darauf aufbauen will, gut geplant und vorgebracht sein.
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