Die Störerhaftung führt dazu, dass Anschlussinhaber auch innerhalb der Familie bei gemeinsamer Nutzung eines WLAN haften können. Allerdings hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren zunehmend die strenge Störerhaftung aufgeweicht, zuletzt 2016 soweit, dass man bei erwachsenen Nutzern keine anlasslosen Kontroll- oder Belehrungspflichten hat. Nachdem dann im Oktober 2017 die Störerhaftung für Internetanschlüsse insgesamt abgeschaffen wurde verbleibt ein nur noch kleiner Haftungsraum.
Beachten Sie dazu bei uns:
- Übersicht zur Störerhaftung bei WLAN insgesamt
- Abschaffung der Störerhaftung durch den Gesetzgeber im Jahr 2017
Abschaffung der Störerhaftung
Nachdem der Gesetzgeber im Jahr 2017 die Störerhaftung insgesamt abgeschafft hat, dürfte auch in der Familie erst einmal keine grundsätzliche Haftung des Anschlussinhabers mehr im Raum stehen. Gleichwohl verbleibt die Problematik bei Minderjährigen Kindern, die ich weiter unten darstelle.
BGH zur Störerhaftung in der Familie
Der BGH (I ZR 74/12 und I ZR 169/12) hat sich mit der Störerhaftung des Anschlussinhabers in Familien beschäftigt. Inhaltlich stand an erster Stelle die Klärung, dass Eltern gegenüber den Kindern, gleich ob minderjährig oder volljährig, nicht weiter über Gebühr belastet werden dürfen. Oder Kurz: Eine grundsätzliche Haftung der Eltern gegenüber Filesharing-Aktivitäten der Kinder gibt es nicht (mehr). Das mag bei Minderjährigen Kindern im Einzelfall, je nach Entwicklung des Kindes anders zu sehen sein, aber nicht mehr grundsätzlich. Dabei hat der BGH (I ZR 169/12) zuletzt nicht zwischen leiblichen Kindern und „Stiefkindern“ unterschieden.
Erst einmal ist festzuhalten, dass das bisherige Abmahn-Prozedere damit an seine Grenzen stößt. Die überzogenen Anforderungen der Rechtsprechung, die teilweise einen Internet-Anschluss für Familien faktisch unmöglich machten, sind berechtigt zurück gewiesen worden. Vielmehr werden, wenn keine Anhaltspunkte für konkrete Rechtsverletzungen vorhanden sind, in Zukunft Eltern wohl der Störerhaftung entgehen könne, indem Sie Kinder eindringlich belehren. Es bleibt fraglich, wie die Belehrung vor Gericht bewiesen wird. Andererseits ist zu sehen, dass bereits Minderjährige selber haften, wenn auch in Grenzen, wenn sie eigene Urheberrechtsverstösse begehen (dazu hier bei uns).
Aber Vorsicht: Es gilt vorsichtig zu sein! Hier ging es um die Haftung der Eltern als Störer. Wer nun plump sein minderjähriges Kind als Täter präsentiert, der wird eventuell damit leben müssen, dass dieses Kind dann in Anspruch genommen wird. Zwar ist bei Minderjährigen die deliktische Haftung begrenzt – aber sie existiert, je nach Einsichtsfähigkeit. Je älter das Kind, umso erfolgreicher wird es dann in Anspruch genommen. Die Verteidigung muss insofern sehr vorsichtig aufgebaut sein. Auf keinen Fall ist betroffenen zu raten, in Zukunft schlicht auf ein bestimmtes Minderjähriges Kind zu verweisen.
Der Bundesgerichtshof hat im Übrigen seine Rechtsprechung zur Störerhaftung bekräftigt, so unter anderem mit den Worten
Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (vgl. Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 12 – Sommer unseres Lebens). Da die Beklagten Inhaber des Internetanschlusses sind, über den die Musikstücke nach Darstellung der Klägerinnen in Tauschbörsen öffentlich zugänglich gemacht wurden, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie für die von den Klägerinnen behauptete Verletzung ihrer Rechte verantwortlich sind.
Was da steht ist, was in der Praxis bisher – und auch weiterhin – das größte Ärgernis darstellt: Die Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers. Darüber hinaus verzichtete der BGH auf Kriterien wie diese erschüttert werden kann. Reicht etwa Ortsabwesenheit? Oder Indizien aus der Tat, speziell bzgl. des Tatobjekts (So Musik höre ich nicht…). Im vorliegenden Fall hat der Sohn wohl bei der Polizei entsprechendes Ausgesagt – ein Sonderfall.
Auch wenn es um die Prüfpflichten geht, bietet der BGH stärkt der Bundesgerichtshof die bisherige Rechtsprechung
Der Senat hat zwar entschieden, dass nach diesen Grundsätzen der Inhaber eines ungesicherten WLAN-Anschlusses als Störer auf Unterlassung haftet, wenn außenstehende Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen (vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 20 bis 24 – Sommer unseres Lebens). Diese Entscheidung ist aber nicht auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar, […]
Das bedeutet: Für Eltern-Kind-Verhältnisse bietet diese Entscheidung eine Klärung im grundsätzlichen Fall, wobei zu Bedenken ist, dass man auspassen muss, bevor man sein eigenes Kind „ans Messer“ liefert. Darüber hinaus aber stärkt der BGH wiedermals nur die Vermutung der Verantwortlichkeit und wird Wasser auf die Mühlen der bisherigen Abmahnung- und Klagepraxis gegossen haben.
BGH schränkte Störerhaftung bei erwachsenen Familienmitgliedern ein
Allerdings hatte der BGH im Jahr 2016 (BGH, I ZR 86/15) hervorgehoben, dass gerade bei erwachsenen Nutzern denen Zugriff gewährt wird, eine Störerhaftung kaum mehr in Betracht kommen dürfte:
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haftet die Beklagte nicht als Störer wegen von ihrer Nichte und deren Lebensgefährten begangener Urheberrechtsverletzungen auf Unterlassung. Als Grund für die Haftung kam vorliegend nur in Betracht, dass die Beklagte ihre Nichte und deren Lebensgefährten nicht über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen belehrt hat. Der Beklagten war eine entsprechende Belehrung ohne konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Nutzung des Internetanschlusses nicht zumutbar. Den Inhaber eines Internetanschlusses, der volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft, seinen volljährigen Besuchern oder Gästen einen Zugang zu seinem Internetanschluss ermöglicht, trifft keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht.
Muss man das Familienmitglied als Täter benennen?
Es ist recht ärgerlich, für welchen Weg der BGH sich entschieden hat: Man muss seine Familie nicht ausspionieren und kontrollieren, wenn mehrere Täter in Frage kommen reicht es diese zu benennen ohne zu deren Nutzungsverhalten konkret etwas vorzutragen.
Wenn aber das jeweilige Familienmitglied sich dem Anschlussinhaber offenbart hat, so muss dieser Anschlussinhaber das Familienmitglied mit dem BGH zwingend benennen.
BGH Rechtsprechung nach Abschaffung der Störerhaftung
Im Oktober 2017 trat die Abschaffung der Störerhaftung bei freiem WLAN in Kraft. Für Rechtsverstöße vor diesem Datum wird die bisherige Rechtsprechung noch anwendbar sein – Rechtsprechung des BGH für Rechtsverstöße nach diesem Datum gibt es bisher nicht.
Störerhaftung: Fallgruppen in der Familie
Im Folgenden gehe ich auf einzelne Fallgruppen in der Familie ein. Grundsätzlich wird man wohl davon ausgehen können und müssen, das eine Haftung seit dem Oktober 2017 nicht mehr im Raum steht – ausgenommen man bietet in Kenntnis von Rechtsverstößen seinen Anschluss oder es geht um minderjährige Kinder.
Keine Prüfpflichten bei Eheleuten
Das OLG Köln (6 U 239/11) hatte schon früh entschieden, dass eine grundsätzliche Haftung im Zuge der Störerhaftung als Anschlussinhaber zwischen Ehepartnern nicht in Betracht kommen soll. Hintergrund ist, dass die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraussetzt.
Bei Ehegatten sieht das OLG Köln keine anlasslose Prüf- und Kontrollpflicht. Vielmehr sieht es die zwingende Frage, ob der Ehegatte (Anschlussinhaber) wusste oder annehmen musste, der andere Ehepartner werde über den Internetanschluss Rechtsverletzungen begehen. Wenn dies nicht nachgewiesen ist, scheidet eine Haftung für Ehegatten mit dem OLG Köln aus. So inzwischen auch das OLG Frankfurt.
Insgesamt wird man – insbesondere nach der Abschaffung der Störerhaftung – sehen können, dass eine umfassende Störerhaftung zwischen Eheleuten nicht besteht, anlasslose Überwachungspflichten gibt es hier nicht:
In dem zur Entscheidung stehenden Fall wurde über den Internetanschluss der beklagten Ehefrau an zwei Tagen jeweils ein Computerspiel zum Download angeboten. Die Inhaberin des Urheberrechts an diesem Spiel mahnte die Beklagte ab. Die Beklagte nahm die Abmahnung nicht hin, sondern widersprach. Im anschließenden Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln verteidigte sich die Beklagte damit, das Spiel sei nicht von ihr selbst angeboten worden. Der Anschluss sei auch und sogar hauptsächlich von ihrem – zwischenzeitlich verstorbenen – Ehemann genutzt worden. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben und die Ehefrau zu Unterlassung und Schadensersatz einschließlich Erstattung der Abmahnkosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (…)
Somit kam es auf die zweite Frage an, nämlich ob der Anschlussinhaber auch für Urheberrechtsverletzungen haftet, die nicht von ihm selbst, sondern von einem Dritten begangen werden. Hierzu vertrat das Gericht die Auffassung, dass die bloße Überlassung der Mitnutzungsmöglichkeit an den Ehegatten noch keine Haftung auslöst. Eine solche könne allenfalls dann in Betracht kommen, wenn entweder der Anschlussinhaber Kenntnis davon hat, dass der Ehepartner den Anschluss für illegale Aktivitäten nutzt (was hier nicht der Fall war), oder wenn eine Aufsichtspflicht bestünde. Eine Prüf- und Kontrollpflicht wird angenommen, wenn Eltern ihren Anschluss durch ihre (minderjährigen) Kinder mitnutzen lassen und diese im Internet Urheberrechtsverletzungen begehen. Eine solche Überwachungspflicht bestehe aber nicht im Verhältnis zwischen Ehepartnern.
Störerhaftung bei Kindern
Die frühere Rechtsprechung ging – teilweise vollkommen lebensfremd – von einer umfassenden Störerhaftung gegenüber eigenen Kindern aus. Gefordert wurde mitunter eine umfassende Überwachung der eigenen Kinder, losgelöst vom Alter. Der Bundesgerichtshof hat allerdings entschieden, dass es keine grundsätzliche Störerhaftung zwischen Eltern und Kind gibt, jedenfalls bei Teenagern wird es ausreichend sein, mit dem Kind das Thema eindringlich zu besprechen und von Kontrollen abzusehen. Sämtliche frühere Rechtsprechung ist damit erst einmal wiederholt.
Minderjährige Kinder und die Störerhaftung
Hinsichtlich der Kontrollen kleinerer Kinder sowie der konkreten Belehrungspflichten wird man aber noch auf frühere Rechtsprechung zurück greifen können. Wie das aussehen soll, lässt das OLG auch in der oben benannten Entscheiden offen, verweist aber auf den Beschluss vom März 2011 (6 W 42/11), in dem man lesen kann:
Zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, dass nach der Rechtsprechung des Senats den Inhaber eines Internetanschlusses Aufklärungs- und Belehrungspflichten auch gegenüber erwachsenen Hausgenossen treffen können, denen er die Nutzung des Anschlusses gestattet (vgl. Senat, GRUR-RR 2010, 173 sowie Beschluss vom 9.9.2010 – 6 W 114/10, 115/10).
Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des OLG Köln. Durch die Abschaffung der Störerhaftung könnte all dies nun obsolet sein – ist es meines Erachtens aber nicht, da Eltern eine Aufsichtspflicht bei minderjährigen Kindern trifft. Es ist das Risiko zu sehen, dass durch die Aufsichtspflicht die früheren Überlegungen zur Störerhaftung wieder greifen. Daher sollte man vorsichtshalber seine Kinder weiterhin belehren und Stichprobenkontrollen vornehmen.
Volljährige Kinder und die Störerhaftung
Bei volljährigen Kindern wird man mit einem Umkehrschluss aus der BGH-Entscheidung ebenfalls annehmen, dass hier keine Störerhaftung der Eltern anzunehmen sein wird. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich mehrmals bekräftigt und sieht einerseits bei Volljährigen Familienangehörigen weder Kontroll- noch anlasslose Belehrungspflichten. Im Zuge der Abschaffung der Störerhaftung verbleibt es hierbei, ich sehe insoweit nur eine gesetzliche Klarstellung.
Verteidigung bei Filesharing durch Kinder bei Störerhaftung nach alter Rechtslage
Im wesentlichen Kern ist die obige Befreiung aus der Störerhaftung wenig nützlich: Wenn das Ergebnis nur bedeutet, dass der Anschlussinhaber „raus“ ist, der Ehepartner dafür „drin“ ist, wird der Familie egal sein, für wen am Ende gezahlt wird, denn letztlich verliert in der Lebenswirklichkeit die Familie das Geld für den geplanten Urlaub.
Allerdings bieten sich Verteidigungsstrategien. Wenn etwa die konkrete Möglichkeit besteht, dass ein Drittes Familienmitglied die Tat begangen hat, muss man dies nicht beweisen, also das Familienmitglied nicht „ans Messer liefern“. Gleichwohl reicht es um die Vermutung der eigenen Täterschaft zu erschüttern. Andererseits ist es damit ein Kardinalfehler, wenn jedes Familienmitglied erklärt, es hätte nichts gemacht.
Das OLG Köln (6 W 60/13) hat in einem durchaus beachtenswerten Beschluss die Verteidigungsposition bei Familienanschlüssen verbessert. Hier ist – wie so oft – das Standardproblem, dass mit dem BGH eine Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers streitet. So kommt es dann gerne, dass die Mutter, die nicht einmal einen Rechner besitzt, die Abmahnung erhält, die vielleicht verursacht wurde durch eines der Kinder.
Gerne wird dann von den Landgerichten verlangt, dass man einen „atypischen Sachverhalt“ (so etwa die Formulierung immer noch beim Landgericht Köln, siehe nur 28 O 346/12) vorträgt, der die Vermutung erschüttert – das man Kinder hat , gehört natürlich nicht dazu. Das OLG Köln stellt klar, wie man da mit der aktuellen BGH-Rechtsprechung korrekt in den Griff bekommt:
Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 12. 5. 2010 – I ZR 121/08 – GRUR 2010, 633 Rn. 12 – Sommer unseres Lebens). Diese tatsächliche Vermutung wird jedoch entkräftet, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat (BGH, Urteil vom 15. 11. 2012 – I ZR 74/12 – GRUR 2013, 511 Rn. 34 – Morpheus).
Es genügt also – insoweit der korrekte Rückgriff auf den BGH, die „ernsthafte Möglichkeit“ dass es ein Dritter war. Das wirkt schon anders, wenn Kinder im Haushalt leben und hat mit einem „atypischen Sachverhalt“ wenig gemeinsam. Und was muss man nun tun? Mit dem OLG Köln nur noch vortragen, dass (volljährige) Kinder im Haushalt leben – das wars:
In ihrem Schriftsatz […] hat die Beklagte dargelegt, dass ihre beiden volljährigen Kinder, die zum Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung in ihrer Wohnung lebten, über einen eigenen Rechner verfügten, mit dem sie über den Anschluss der Beklagten Zugang zum Internet gehabt hätten. Damit hat die Beklagte Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass die behauptete Rechtsverletzung von einem Dritten begangen worden ist. Eine weitere Substantiierung ist nicht erforderlich.
Nun wird hier gerne nachgelegt, auch von den Gerichten – man soll vortragen, wer wann Zugriff hatte. Durch die Hintertüre wurde auf dem Weg faktisch verlangt, dass man seinen Angehörigen offen legt, diesen der weiteren Verfolgung aussetzt. Auch damit macht das OLG Köln Schluss:
Dem steht der Umstand, dass die Beklagte keine konkreten Angaben dazu machen kann, ob ihre Kinder zu dem fraglichen Zeitpunkt auch tatsächlich auf das Internet zugegriffen haben, nicht entgegen. Rein tatsächlich kann von der Beklagten nicht erwartet werden, dass sie – fünf Jahre nach der behaupteten Rechtsverletzung – noch Angaben dazu machen kann, ob eines ihrer Kinder an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit Zugriff auf das Internet hatte. Insofern genügt es, wenn sie vorträgt, dass ihre Kinder im fraglichen Zeitraum generell die Möglichkeit des Internetzugangs hatten.
Richtig überraschend wird es, wenn das OLG sich der Frage stellt, warum man den wahren Täter nicht benennen kann:
Es besteht in diesem Fall die lebensnahe Möglichkeit, dass der wahre Täter die von ihm begangene Rechtsverletzung wegen der zu erwartenden Konsequenzen nicht zugibt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27. 10. 2011 – 22 W 82/11 – MMR 2012, 40, 41).
Im Ergebnis ist beim OLG Köln eine erhebliche Verbesserung für Familienanschlüsse zu erkennen – und natürlich die Frage, ob das das Landgericht Köln auch eines Tages mal erreicht. Ob das in München Gehöhr finden wird bleibt natürlich eine ebenfalls spannende Frage, wobei ich hier skeptisch gestimmt bin. So sah das zuletzt auch das AG Frankfurt a.M. (30 C 3078/12 (75)). Auch das LG Frankfurt meinte schon früher, dass die prozessuale Wahrheitspflicht nicht dazu führen kann, dass man Familienmitglieder „ans Messer“ liefern muss (dazu hier bei uns).
Verteidigung bei Filesharing durch Kinder bei Störerhaftung nach neuer Rechtslage
Es dürfte reichen, wenn man beweisen kann, dass ein freies WLAN betrieben wurde, dieses auch von Dritten genutzt werden konnte und wenn man vorträgt, keine Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen gehabt zu haben. Wenn ein Familienmitglied die Tat zugegeben hat wird man im Zuge prozessualer Wahrheitspflicht dies mit dem BGH dann auch ehrlich vorbringen müssen.
Sollte die Tat eines minderjährigen Kindes im Raum stehen wird es komplizierter, da hier die Störerhaftung zwar nicht greift, aber eine Aufsichtspflicht der Eltern im Raum steht. Hier muss geprüft werden, ob man genügend Darlegen kann zu der Frage, wie man seiner Aufsichtspflicht genügt haben will.
Sonstige Instanzielle Rechtsprechung zur Störerhaftung in Familien
Dieser Abschnitt ist aus meiner Sicht veraltet und wird alleine aus Gründen der Recherche zum Thema Störerhaftung beibehalten!
Beweislast in der Familie
Allmählich bildet sich auf Grund der doch recht klaren aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Filesharing-Klagen nun doch eine brauchbare Linie der Rechtsprechung. Aktuell führt nun auch das Landgericht Frankenthal (6 O 518/13) aus, was auch bei anderen Gerichten Usus ist: Eine grundsätzliche Störerhaftung kommt bei Familienanschlüssen nicht in Betracht – und eine Beweislastverschiebung ohnehin nicht.
Familie & WLAN: Zur Vermutung der Täterschaft
Im Streitfall spricht keine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Verfügungsbeklagten. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten (vgl. BGH NJW 2010, 2061 [BGH 12.05.2010 – I ZR 121/08]; NJW 2013, 1441 [BGH 15.11.2012 – I ZR 74/12]). Den Verfügungsbeklagten trifft als Inhaber des Internetanschlusses zwar eine sekundäre Darlegungslast (vgl. BGH NJW 2010, 2061 [BGH 12.05.2010 – I ZR 121/08]). Dieser ist er jedoch nachgekommen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (vgl. BGH NJW 2014, 2360, [BGH 08.01.2014 – I ZR 169/12] Tz. 18).
Störerhaftung innerhalb der Familie?
Der Verfügungsbeklagte kann auch nicht als Störer einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden. Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung als Störer nach der Rechtsprechung des BGH die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten voraus. Ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch genommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (vgl. BGH NJW 2014, 2360 [BGH 08.01.2014 – I ZR 169/12]).
Vorliegend war es dem Verfügungsbeklagten nicht zuzumuten, seine Lebensgefährtin oder seine volljährigen Stiefkinder ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihnen ggf. die Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Der Inhaber eines Internetanschlusses ist ohne Anlass nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen. Da der Verfügungsbeklagte keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass seine Familienmitglieder den Internetanschluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Tauschbörsen missbrauchen, haftet er auch dann nicht als Störer für Rechtsverletzungen dieser Personen, wenn er sie nicht hinreichend belehrt haben sollte (BGH aaO.).
Landgericht Hamburg
Das Landgericht Hamburg (308 O 495/11) hat in einem Hinweisbeschluss in Aussicht gestellt, im Zweifelsfall keine Störerhaftung des elterlichen Anschlussinhabers bei einem illegalen Filesharing des volljährigen Kindes zu erkennen! Vollkommen korrekt stellt das Landgericht dabei auf den von Art.6 GG geschützten Familiären Verbund ab:
Die Überlassung des Internetanschlusses beruht auf dem familiären Verbund. Prüfungs- und Überwachungspflichten gegenüber Kindern sind innerhalb dieses Verbundes nur zumutbar, soweit diese im Rahmen von deren Erziehung und der Fürsorge in Abhängigkeit von deren Alter erforderlich sind. Bei volljährigen Kindern müssen Eltern im Regelfall davon ausgehen dürfen, dass diese eigenverantwortlich richtig handeln. In einem – grundsätzlich geschützten – familiären Verbund ist es weder ihnen zumutbar, ein volljähriges Kind ohne Anlass Überwachungsmaßnahmen auszusetzen, noch muss ein volljähriges Kind eine solche anlasslose Überwachung hinnehmen.
Das ist der springende Punkt, der inhaltlich (nicht nur) hier seit je her vertreten wird: Es ist zwingend zu unterscheiden, ob man im Rahmen einer WG einen Anschluss „teilt“ oder innerhalb der Familie. Dabei ist es mit dem Landgericht zu Recht nur „Förmelei“, hier noch gesonderte Belehrungen bei volljährigen Kindern zu verlangen.
Aber Vorsicht, auch wenn das OLG Frankfurt a.M. das genauso sieht: Das OLG Köln sieht das gänzlich anders, ich hatte die dortige Entscheidung bereits besprochen! Das Landgericht Hamburg weist in seinem Beschluss darauf hin, dass das OLG Köln bisher die Frage offen gelassen hat, insofern bleibt auch abzuwarten, ob man dort die Meinung vielleicht noch ändern möchte, wenn die aktuelle Entscheidung aus Köln bekannt wird.
- Russische Militärische Cyber-Akteure nehmen US- und globale kritische Infrastrukturen ins Visier - 11. September 2024
- Ransomware Risk Report 2024 von Semperis - 11. September 2024
- Künstliche Intelligenz in Deutschland – Status, Herausforderungen und internationale Perspektiven - 10. September 2024