Das OLG Köln hat sich inzwischen zwei Mal mit der Frage beschäftigt, ob die bei Filesharing-Abmahnungen vorkommende Ermittlungssoftware beweissichere Ergebnisse liefert. Dabei fand es zwei sehr verschiedene Antworten. Dazu ein paar kurze Zeilen von mir.
1) OLG Köln – „Observer“
Im Januar 2012 hat das OLG Köln (6 W 242/11) festgestellt, dass die Software „Observer“, mit der IP-Adressen im Internet ermittelt werden, nicht zwingend beweissicher arbeitet. Hierzu wurde seitens des Systemadministrators der Ermittlungsfirma eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, in der pauschal erklärt wurde, durch das Programm „könne „beweissicher“ eine Rechtsverletzung dokumentiert werden und die fehlerfreie Funktionsweise der Software werde in regelmäßigen Abständen überprüft“. Das aber reicht gerade nicht, denn wie das Gericht korrekt festhält, sind Aussagen der Nutzer nicht zur Verifizierung geeignet. Vielmehr ist diesbezüglich „eine Untersuchung der Software durch einen unabhängigen Sachverständigen erforderlich.“ Dabei stellt das OLG Köln klar, dass ein solches Gutachten nicht erst im Gerichtsverfahren beigebracht werden kann, wenn über einen Auskunftsbeschluss nach §101 IX UrhG gestritten wird:
Der Rechteinhaber muss daher, bevor er mit der Ermittlung von Rechtsverletzungen beginnt, sicherstellen, dass diese Ermittlungen ordnungsgemäß durchgeführt werden und dass er dies dokumentieren kann. Setzt er hierfür eine Software ein, muss diese durch einen unabhängigen Sachverständigen überprüft und regelmäßig kontrolliert werden. Eine nachträgliche Untersuchung der eingesetzten Software durch das Gericht mit ungewissem Ausgang (vgl. Beschluss des Senats vom 7.9.2011 – 6 W 82/11) genügt dagegen nicht, um eine Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung begründen zu können.
2) OLG Köln – „CASSIS“
Nach der ersten Entscheidung war das LG Köln offensichtlich unsicher und verweigerte auch bei einer anderen Software namens „CASSIS“ einen Auskunftsbeschluss. Das konnte das OLG Köln (6 W 100/12) dann aber nicht nachvollziehen und gab dem Antrag statt. Denn, so stellte das OLG klar, es bedarf nicht zwingend eines Sachverständigen-Gutachtens. Vielmehr reicht es, wenn die Glaubwürdigkeit der Software brauchbar untermauert wird:
Hier hat die Antragstellerin auf entsprechenden Hinweis des Senats detaillierte ergänzende Angaben zu Qualifikation, Werdegang und Referenzen des verantwortlichen Entwicklers der Software „CASSIS“ und Geschäftsführers der W GmbH gemacht (Anlage ASt 9) sowie den Ablauf eines zufällig ausgewählten Ermittlungsvorganges anhand der von diesem Unternehmen erfassten und archivierten Daten noch einmal im Einzelnen beschrieben (Anlage ASt 10). Die Angaben sind konkret, nachvollziehbar und in sich schlüssig; es haben sich keine relevanten Hinweise auf Unrichtigkeiten oder Ungenauigkeiten ergeben und die vom Senat mit seinem Hinweis aufgeworfenen Fragen wurden umfassend beantwortet. Zweifel an der Zuverlässigkeit des eingesetzten Ermittlungsverfahrens, die nur durch ein vor den behaupteten Rechtsverletzungen erstattetes Gutachtens eines unabhängigen Computersachverständigen hätten ausgeräumt werden können, hat der Senat nach alledem nicht.
Ergebnis: Es ist wie immer eine Einzelfallentscheidung, wobei das OLG sich offensichtlich die Gesamtwürdigung vorbehält. Überzeugend wäre es, bei solcher Software immer zwingend ein Sachverständigen-Gutachten zu fordern, das mit dem ersten Auskunftsbeschluss beizubringen ist. Dass man letztlich darauf nicht besteht, sondern vielmehr mit „drumherum“ zufrieden ist, enttäuscht. Als würden Programmierer mit gutem Werdegang zwingend fehlerfreie Softwareprodukte erstellen. Auf Grund der ohnehin fließenden Summen stellt sich das Verhalten des OLG als unnötiges Rumgemurkse dar.
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