Filesharing: BGH zur Pflicht des Internetanschlussinhabers zur Aufklärung über den Täter

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass zwischen dem Rechtsinhaber, dessen urheberrechtlich geschütztes Werk ohne seine Zustimmung über eine Internettauschbörse öffentlich zugänglich gemacht wird, und dem hierfür nicht als Täter, Teilnehmer oder Störer verantwortlichen Inhaber des Internetanschlusses – über den die Urheberrechtsverletzung begangen worden ist – regelmäßig keine gesetzliche Sonderverbindung besteht, die den Anschlussinhaber dazu verpflichtet, den Rechtsinhaber vorgerichtlich über den ihm bekannten Täter der Urheberrechtsverletzung aufzuklären:

Im Prozess spricht eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine diese tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast (…) Die tatsächliche Vermutung beruht auf allgemeinen Erfahrungssätzen; ihr kommt allein prozessrechtliche Bedeutung im Rahmen der Beweiswürdigung zu (…). Auch begründet die sekundäre Darlegungslast keine über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (…)

Im Fall einer unberechtigten Abmahnung hat der Bundesgerichtshof die Annahme einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag bislang verneint, weil sie weder auf die Erfüllung einer Pflicht des Abgemahnten im Sinne des § 679 BGB hinwirken kann noch dem mutmaßlichen Willen des Abgemahnten entspricht (…) Hieran ist festzuhalten. Die Abmahnung des Rechtsinhabers gegenüber dem Inhaber eines Internetanschlusses, der für die über diesen begangene Urheberrechtsverletzung nicht verantwortlich ist, stellt auch mit Blick auf die in der Abmahnung enthaltene Informationsverschaffung keine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag dar (…)

Unabhängig davon liegt der Erhalt einer Abmahnung nicht im objektiven Interesse des nicht verantwortlichen Anschlussinhabers. An der durch die Abmahnung eröffneten Gelegenheit, den Abmahnenden klaglos zu stellen, ohne dass die wesentlich höheren Kosten eines Gerichtsverfahrens anfallen, hat der Anschlussinhaber typischerweise kein Interesse, wenn er nicht Schuldner eines Unterlassungsanspruchs ist. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt sein Prozessrisiko wegen der bereits begangenen Urheberrechtsverletzung – wie der Streitfall zeigt – nur dann vollständig, wenn er sich auch hinsichtlich der Folgeansprüche auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten unterwirft, ohne insoweit Schuldner zu sein. Auch die theoretische Möglichkeit, dass der Anschlussinhaber einen Rechtsstreit wegen unzureichender Erfüllung seiner sekundären Darlegungslast verliert, begründet für sich genommen kein objektives Interesse am Erhalt einer Abmahnung. Nichts Anderes gilt für die – letztlich spekulative – Annahme, die in der Abmahnung liegende Informationsverschaffung ermögliche dem Anschlussinhaber, künftige Urheberrechtsverletzungen über seinen Anschluss zu unterbinden. Eine dahingehende Pflicht bestand schon nach dem im Streitfall maßgeblichen § 8 TMG aF im Regelfall nicht und ist auch künftig wegen der Haftungsbefreiung des Anschlussinhabers nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 TMG (…) ausgeschlossen.

Der Umstand, dass mit der fehlenden Pflicht zur vorprozessualen Auskunft Verzögerungen, Prozessrisiken und Kosten des Rechtsinhabers verbunden sein können, führt – anders als die Revision meint – zu keiner anderen Beurteilung (…). Der Unionsgesetzgeber hat – wie ausgeführt (Rn. 74) – bewusst von einer generellen Auskunftspflicht privater WLAN-Betreiber abgesehen und damit auch insoweit die mit jeder Rechtsdurchsetzung verbundenen Risiken und Kosten für die Rechtsinhaber in Kauf genommen. Überdies kann der Rechtsinhaber vom Täter der Urheberrechtsverletzung gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG im Regelfall Ersatz der Kosten der Rechtsverfolgung gegenüber dem Anschlussinhaber verlangen, weil es sich um notwendige Kosten der Sachverhaltsaufklärung handelt (…). Dass sich ein solcher Anspruch im Einzelfall möglicherweise nicht realisieren lässt, steht der generellen Wirksamkeit dieses Rechtsbehelfs nicht entgegen.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner