Filesharing-Klage: Erworbene Rechte für physikalische Datenträger reichen nicht für Lizenzanalogie aus

Das Amtsgericht Düsseldorf (57 C 11862/14) stellt nunmehr auch ausdrücklich klar, dass es sich lohnt, Lizenzverträge in Filesharing-Verfahren ordentlich zu lesen:

Wer nur Inhaber von ausschließlichen Nutzungsrechten des Werkes auf physikalischem Datenträger ist, kann bei einer Verbreitung des Werkes über Filesharing-Netzwerke im Internet Schadenersatz nicht nach Lizenzanalogie verlangen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine kostenlose Verbreitung des Werkes durch den Rechteinhaber selbst von einer Lizenzzahlung abhängig gemacht werden könnte.

Das ist nicht neu, das Thema findet sich auch beim AG Hamburg, ich hatte dazu bereits etwas geschrieben. Dabei zeigt sich weiterhin, dass Düsseldorf ein unschöner Gerichtsstand für Fielsharing-Klagen ist – im vorliegenden Fall hat der Kläger verloren, obwohl es nicht einmal Gegenwehr des vormals Abgemahnten gab. Das AG Düsseldorf verweigerte sich gar im Rahmen eines Versäumnisurteils.

Es ist für Laien mitunter kompliziert: Da hat jemand nur Rechte an den Datenträgern, gleichwohl sollen ihm Rechte auch bei einer Internetverbreitung zustehen. Das aber ist durchaus korrekt, wenn nämlich durch die Verbreitung in Tauschbörsen auch sein Recht hinsichtlich Datenträgern betroffen ist:

Stehen der Klägerin nur ausschließliche Rechte am Werk auf physikalischen Datenträgern zu, so hat sie in Bezug auf eine unerlaubte Internetverbreitung ein negatives Verbietungsinteresse und damit einen Unterlassungsanspruch und einen Schadenersatzanspruch bezüglich des durch die unerlaubte andere Verbreitung entstandenen Schadens (BGH GRUR 1999, 984).

Der Einstieg ist damit „wie immer“ gegeben – allerdings ergibt sich beim Schadensersatz ein erhebliches Problem, denn wie will man mit der Lizenzanalogie arbeiten, wenn es ja nun einmal für diese Art der Verbreitung gerade keine Lizenz für den Kläger gibt, die er wiederum an andere unterlizenzieren kann? Darauf weist dann auch das AG Düsseldorf hin:

Indes kann der insoweit entstandene Schaden aber nur konkret und nicht nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden. Zweck dieser Berechnungsmethode ist es, den Schädiger nicht besser zu stellen als im Fall einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber, die Lizenzanalogie läuft also auf die Fiktion eines Lizenzvertrages hinaus (BGH GRUR 1990, 1008). Diese Fiktion läuft jedoch leer, wenn die Klägerseite mangels Inhaberschaft einer entsprechenden Lizenz selbst nicht zur Vergabe von Internetlizenzen berechtigt ist.

Das Ag Düsseldorf verweigert daher – zu Recht – im Ergebnis die Abrechnung nach der Lizenzanalogie. Die Klägerin musste danach den Beweis führen hinsichtlich des konkret entstandenen Schadens. Hier tat man, was ich gewohnt bin – man führte wohl die Zugriffszahlen aus um damit fantasievolle Rechnungen anzustellen. Das aber lehnt das Gericht ab:

Soweit die Klägerin ihre Schadensberechnung auf die Tatsache stützen will, am Tag der Feststellung der IP-Adresse des Beklagten seien 320 deutsche IP-Adressen als Teilnehmer des Filesharing-Netzwerkes festzustellen gewesen, die sämtlich das streitgegenständliche Werk sich gegenseitig angeboten und in Anspruch genommen hätten, ist dies nicht nachvollziehbar und zudem als Grundlage für die Berechnung eines konkreten Schadens ungeeignet. (…) Da gerichtsbekannt ist, dass Filesharing über das Bittorrent-Protokoll im Jahr 2010 in großem Umfang betrieben worden ist und in auf diesem Protokoll beruhenden Filesharing-Netzwerken große Mengen verschiedenster Software, Musikstücke und Filmwerke angeboten werden, ist es offenkundig unrichtig, dass von dem im Bittorrent-Netzwerk am 24.09.2010 festgestellten IP-Adressen zum überwiegenden Teil oder gar ausschließlich auf das streitgegenständliche Werk zugegriffen worden sein soll. Im Übrigen kann die Anzahl der Zugriffe bei einer konkreten Schadensberechnung – anders als im Fall der Berechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie – auch nicht zur Berechnung des Schadens herangezogen werden. Mangels Internetverbreitungsrechten der Klägerin kann nämlich nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass jeder, der einen Download des Werkes über ein Filesharing-Netzwerk getätigt hat, andernfalls das Werk auf physikalischem Datenträger – und nur in diesem Fall stehen der Klägerin Lizenzeinnahmen zu – erworben hätte, weswegen die konkrete Schadensberechnung in diesem Fall trotz § 287 ZPO scheitert (…)

Endlich wird es deutlich gesagt, auch wenn es die Fantasiewelt der Rechteinhaber tangiert, ich hebe nochmals hervor:

(…) kann nämlich nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass jeder, der einen Download des Werkes über ein Filesharing-Netzwerk getätigt hat, andernfalls das Werk auf physikalischem Datenträger (…) erworben hätte (…)

Genau so ist es, alles andere wäre reine Fiktion und gerade heutzutage auch noch vollkommen lebensfremd.

Im Fazit zeigt sich wieder einmal: Wer sich nicht gegen Filesharing-Klagen wehrt, ist es selber schuld. Dabei zeigt der vorliegende Fall, dass jedenfalls in Düsseldorf die Hoffnung besteht, dass selbst bei mangelnder Gegenwehr das Gericht von sich aus vorgelegte Lizenzverträge korrekt würdigt und eben nicht im Zuge eines Versäumnisurteils „durchwinkt“.

Dazu Entscheidungen bei uns:

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner