Abbild von Fototapete kann Urheberrechtsverletzung sein

Eine weitere Entscheidung des Landgerichts Köln (14 O 70/23) zur Frage der Urheberrechtsverletzung durch die Abbildung von Fototapeten auf Fotos wirft komplexe und kritische Fragen zur Anwendbarkeit und Praktikabilität des Urheberrechts im Alltag auf.

In diesem Fall betraf es die Verwendung eines Fotos einer Fototapete als Referenzbild durch einen Malerbetrieb auf dessen Webseite und Facebook-Profil. Die detaillierte rechtliche Analyse des Gerichts und die potenziellen Implikationen für ähnliche Fälle werden im Folgenden kritisch beleuchtet.

Sachverhalt

Die Klägerin, ein kanadisches Unternehmen, dessen Geschäftsführer ein gerichtsbekannter Fotograf ist, klagte gegen einen deutschen Malerbetrieb. Der Beklagte hatte ein Foto einer Fototapete, die er im Auftrag eines Kunden angebracht hatte, auf seiner Webseite und auf Facebook veröffentlicht. Die Fototapete zeigte ein Motiv, das vom Geschäftsführer der Klägerin erstellt wurde. Die Entscheidung erging in einer Reihe von Entscheidungen mit vergleichbarem Sachverhalt.

Rechtliche Analyse

Urheberrechtsverletzung und unwesentliches Beiwerk

Das Gericht stellte fest, dass die Fototapete auf dem Foto kein „unwesentliches Beiwerk“ gemäß § 57 UrhG darstellt. Diese Bestimmung erlaubt die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung anzusehen sind. Das Gericht argumentierte, dass die Fototapete auf dem Foto eine zentrale Rolle spielt und nicht weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffallen würde.

Konkludente Rechteeinräumung

Das Gericht setzte sich ausführlich mit der Frage auseinander, ob der Malerbetrieb konkludent Nutzungsrechte an der Fototapete erworben hatte. Die Beklagte argumentierte, dass beim Kauf der Fototapete implizit auch das Recht zur Abbildung und öffentlichen Zugänglichmachung des Fotos erworben wurde. Das Gericht verneinte dies jedoch und betonte, dass ein solches Nutzungsrecht nicht automatisch und ohne ausdrückliche Zustimmung des Urhebers eingeräumt wird. Es verwies darauf, dass der Erwerber einer Fototapete sich über die rechtliche Lage informieren und gegebenenfalls entsprechende Lizenzen einholen muss.

Zweckübertragungslehre

Das Gericht lehnte die Anwendung der Zweckübertragungslehre zugunsten des Beklagten ab. Diese besagt, dass Nutzungsrechte im Zweifel nur insoweit eingeräumt werden, wie es der Vertragszweck erfordert. Hier argumentierte das Gericht, dass der Vertragszweck – der Kauf und die Anbringung der Fototapete – nicht automatisch das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung einschließt. Auch die Tatsache, dass die Fototapete in einem Raum angebracht wird, in dem Fotos gemacht werden könnten, führt nicht zu einer stillschweigenden Einräumung dieser Rechte.

Kritische Würdigung

Alltagstauglichkeit der Entscheidung

Diese Entscheidung ist aus praktischer Sicht problematisch. Die strikte Anwendung des Urheberrechts auf Fototapeten im Hintergrund von Fotos führt zu erheblichen Einschränkungen für Handwerker, Immobilienmakler, Hoteliers und viele andere Berufsgruppen, die Fotos von Innenräumen zu Werbezwecken nutzen möchten. Es ist kaum praktikabel, von jedem Nutzer zu verlangen, dass er für jede mögliche Veröffentlichung eine separate Lizenz einholt. Dies könnte dazu führen, dass Fotos von Innenräumen ohne dekorative Elemente gemacht werden müssen, was weder ästhetisch ansprechend noch realitätsnah ist.

Branchenübliche Praxis

Das Gericht ignorierte weitgehend die branchenübliche Praxis, bei der Fototapeten ohne gesonderte Rechteübertragung für die öffentliche Zugänglichmachung verkauft werden. Im Urteil wurde argumentiert, dass es nicht branchenüblich sei, gesonderte Vergütungen für solche Rechte zu verlangen. Dies steht im Widerspruch zu den tatsächlichen Gepflogenheiten, wo Fotografien von Räumen mit Fototapeten regelmäßig ohne rechtliche Bedenken veröffentlicht werden.

Wirtschaftliche Auswirkungen

Die Entscheidung könnte erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben. Kleine Unternehmen, die ihre Räumlichkeiten online bewerben möchten, könnten gezwungen sein, teure und umständliche Lizenzvereinbarungen abzuschließen. Dies würde nicht nur zusätzliche Kosten verursachen, sondern auch den freien Markt und die Geschäftstätigkeit vieler kleinerer Akteure beeinträchtigen.

Entscheidung zur Anwendbarkeit von MFM-Tabellen

Die drei Urteile des Landgerichts Köln (14 O 60/23, 14 O 70/23 und 14 O 75/23) behandeln zudem die immer noch spannende Frage der Anwendbarkeit der MFM-Tabellen (Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing) zur Berechnung des Lizenzschadensersatzes im Kontext von Urheberrechtsverletzungen durch die Zweitverwertung von Fotografien.

Hierbei wurde in allen drei Entscheidungen klargestellt, dass die MFM-Tabellen in den vorliegenden Konstellationen nicht anwendbar sind. Die früher einmal reflexartige Anwendung von MFM-Tabellen bei Urheberrechtsverletzungen dürfte heute wohl vom Tisch sein.


Ausblick

Die Entscheidung des Landgerichts Köln wirft erhebliche Fragen zur praktischen Anwendbarkeit des Urheberrechts im Alltag auf. Während die rechtlichen Grundlagen klar und gut begründet erscheinen, ist die praktische Umsetzung dieser Entscheidung problematisch. Es bleibt daher abzuwarten, ob höhere Instanzen oder der Gesetzgeber hier für mehr Klarheit und eine praxisgerechtere Lösung sorgen werden. Bis dahin sollten betroffene Unternehmen und Privatpersonen besonders vorsichtig sein und im Zweifelsfall rechtlichen Rat einholen, um kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner