Freistellung von Honorar des beauftragten Sachverständigen

In Zivilprozessen, in denen es um technologiebezogene Streitigkeiten geht, kann es für alle Parteien von Vorteil sein, einen IT-Sachverständigen hinzuzuziehen. Der Grund dafür ist, dass die meisten technologischen Streitigkeiten sehr technisch und komplex sind und es für Richter und Anwälte schwierig sein kann, diese Aspekte vollständig zu verstehen und richtig zu bewerten. Insbesondere für die Vorbereitung der Klage kann es notwendig sein, Sachverständige hinzuzuziehen – aber wie sieht es mit den Kosten aus, hat man Anspruch auf Freistellung?

Nunmehr hat der Bundesgerichtshof (VI ZR 324/21) entschieden, dass, wenn der Geschädigte (hier: eines Verkehrsunfalls) vom Schädiger die Freistellung von der Honorarforderung des von ihm mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragten Sachverständigen verlangt, sich sein Anspruch grundsätzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Überwachungsverschuldens danach richtet, ob und in welcher Höhe er durch die gegenüber dem Sachverständigen eingegangene Verpflichtung belastet ist.

Jedenfalls in diesem Fall des Freistellungsanspruchs ist auch für die schadensrechtliche Betrachtung (§ 249 BGB) des Verhältnisses zwischen Geschädigtem und Schädiger das werkvertragliche Verhältnis (§§ 631 ff. BGB) zwischen Geschädigtem und Sachverständigem maßgeblich.

Berechtigung zur Beauftragung eines Gutachters

Der Geschädigte ist daher grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Sachverständigen seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Denn: Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags gerichtet, nicht etwa auf Ersatz der von ihm gezahlten Rechnungsbeträge.

Der Geschädigte ist nach den Grundsätzen des Schadenersatzrechts in der Wahl der Mittel zur Schadensbeseitigung frei. Er kann grundsätzlich den Weg der Schadensbehebung wählen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel des Schadensersatzes ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich dem hypothetischen Zustand ohne das schädigende Ereignis entspricht.

Sachverständigenkosten: Begrenzung des Anspruchs der Höhe nach

Allerdings kann der Geschädigte vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, soweit er die Höhe der für die Schadensbehebung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Bei der Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes ist jedoch auch auf die besonderen Verhältnisse des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die gerade für ihn möglicherweise bestehenden Schwierigkeiten abzustellen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung).

Der Geschädigte ist grundsätzlich auch nicht verpflichtet, den ihm zugänglichen Markt nach einem möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu durchforsten. Für den Geschädigten verbleibt aber das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess – auch für ihn erkennbar – als überteuert erweist.

Freistellungsanspruch hinsichtlich Sachverständigenkosten

Nimmt der Geschädigte den Schädiger auf Freistellung von der Honorarforderung des von ihm auf dieser Grundlage beauftragten Sachverständigen in Anspruch, so richtet sich sein Anspruch schon nach seinem ausdrücklichen Klageantrag (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) grundsätzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Überwachungsverschuldens danach, ob und in welcher Höhe er durch die von ihm gegenüber dem Sachverständigen eingegangene Verpflichtung belastet ist.

Jedenfalls in diesem Fall des Freistellungsanspruchs ist für die schadensrechtliche Betrachtung (§ 249 BGB) des Verhältnisses zwischen Geschädigtem und Schädiger auch das werkvertragliche Verhältnis (§§ 631 ff. BGB) zwischen Geschädigtem und Sachverständigem maßgeblich. Denn der Geschädigte, der in zulässiger Ausübung seiner Ersetzungsbefugnis (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB) einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragt, muss vom Schädiger die Freistellung von der daraus resultierenden Verbindlichkeit gegenüber dem Sachverständigen verlangen können, soweit dessen Vergütungsforderung nicht auch für den Geschädigten erkennbar überhöht war.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner