Gesetzlichkeitsfiktion der Muster-Widerrufsbelehrung

Dass die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB nur dem Unternehmer zugutekommt, der die Musterwiderrufsbelehrung nach Anlage 1 zu dieser Vorschrift unverändert verwendet und korrekt ausfüllt, dürfte nicht überraschen und ist vom Bundesgerichtshof (I ZR 28/22) nunmehr nochmals ausdrücklich betont worden. Wobei kleinere Änderungen bekanntlich nicht zwingend schädlich sind.

Zugleich betont der BGH, dass der Unternehmer seine Informationspflichten auch durch eine Belehrung erfüllen kann, die von der Musterbelehrung abweicht, aber inhaltlich den in § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB geregelten Anforderungen genügt. In einem solchen Fall trägt der Unternehmer allerdings das Risiko, ob seine Belehrung den allgemeinen Anforderungen an eine umfassende, klare und unmissverständliche Belehrung nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers genügt.

Belehrung über das Widerrufsrecht

Der Unternehmer kann die für den Beginn der Widerrufsfrist nach § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB maßgebliche Pflicht zur Belehrung über die Widerrufsmöglichkeit („Widerrufsbelehrung“) nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB auf zweierlei Weise erfüllen:

Zum einen kann der Unternehmer seine Informationspflichten dadurch erfüllen, dass er gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB das in der Anlage 1 zu dieser Vorschrift vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß ausgefüllt in Textform übermittelt. Wählt der Unternehmer diese Form der Belehrung und erfüllt er die in Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB aufgestellten Voraussetzungen, kommt ihm die sog. „Gesetzlichkeitsfiktion“ bzw. der „Musterschutz“ dieser Vorschrift zugute. Dies bedeutet, dass nicht weiter geprüft werden muss, ob die Informationspflichten tatsächlich in der gebotenen Deutlichkeit und Vollständigkeit erfüllt sind. Im Ergebnis gehen damit etwaige Fehler des Gesetzgebers bei der Formulierung der Musterbelehrung zu Lasten des Verbrauchers.

Die Verwendung der Musterwiderrufsbelehrung ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. Der Unternehmer kann seine Informationspflichten daher zum anderen auch durch eine Belehrung erfüllen, die von der Musterbelehrung abweicht, inhaltlich aber den in § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB geregelten Anforderungen genügt. In einem solchen Fall trägt der Unternehmer allerdings das Risiko, dass seine Belehrung den allgemeinen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung genügt.

Veränderungen der Muster-Widerrufsbelehrung

Der BGH stellt klar, dass die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB nur dem Unternehmer zugute kommt, der die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu dieser Bestimmung unverändert verwendet und richtig ausfüllt. Schon kleine Veränderungen können gefährlich sein.

So ist das Berufungsgericht im vorliegenden Fall noch davon ausgegangen, dass der Beklagten die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB zugutekomme, obwohl die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung der Musterbelehrung nach Anlage 1 zu dieser Vorschrift nicht vollständig entspreche. So heiße es am Ende des zweiten Satzes „Vertragsschlusses“ statt „Vertragsabschlusses“; außerdem sei die Angabe von zwei möglichen Adressen, an die der Widerruf zu richten sei, wie sie sich in der Widerrufsbelehrung der Beklagten finde, in der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB nicht vorgesehen.

Solche Abweichungen verfälschten jedoch nicht den Wortlaut der Widerrufsbelehrung. Diese werde vielmehr inhaltlich richtig wiedergegeben und sei daher von der Beklagten zutreffend ergänzt worden, so noch das Berufungsgericht. Diese Beurteilung war aus Sicht des BGH aber fehlerhaft:

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die von der Beklagten gegebene Widerrufsinformation nicht vollständig dem Muster für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB entspricht. Während das Muster im Hinblick auf die Widerrufsfrist nach dem Gestaltungshinweis 1 a) die Formulierung „des Vertragsabschlusses“ vorsieht, ist im von der Beklagten verwendeten Belehrungstext von „des Vertragsschlusses“ die Rede.

Außerdem hat die Beklagte einen im Muster für die Widerrufsbelehrung nicht vorgesehenen Text eingefügt, der die Überschrift „Den Widerruf richten Sie bitte an:“ und anschließend den Namen, die Anschrift, die Telefonnummer, die Telefaxnummer und die E-Mail-Adresse sowohl der Sparkasse E. als auch – verknüpft mit der Wendung „oder“ – der Beklagten enthält. Hinzu kommt, dass in der Widerrufsbelehrung der Beklagten der im Muster vorgesehene Hinweis fehlt, dass die im Falle eines Widerrufs vorzunehmende Rückzahlung aller vom Kunden erhaltenen Zahlungen auch die dort näher bestimmten Lieferkosten umfasst. Diese Abweichungen vom Muster kann der Senat nach den allgemeinen Grundsätzen zur Revisibilität der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen selbst feststellen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183 [juris Rn. 40]; BGH, NJW-RR 2022, 130 [juris Rn. 11]).

Bundesgerichtshof, I ZR 28/22
Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner