Plattformverbote & GWB: Vertriebsbeschränkungen durch selektive Vertriebssysteme nicht ohne weiteres möglich

In der Vergangenheit mehren sich Entscheidungen zum Thema „Vertriebsbeschränkungen“. Hierbei geht es um vertragliche Verpflichtungen, die es Verkäufern untersagen, Waren über bestimmte Vertriebskanäle anzubieten. Besonders beliebt sind dabei Klauseln, die einen Verkauf auf Internetmarktplätzen oder Online-Auktionsplattformen untersagen wollen.

Bisherige Rechtslage zu Plattformverboten

Solche Klauseln sind allerdings grundsätzlichen Bedenken ausgesetzt, wie gleich mehrere Gerichte festgestellt haben (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 16 U Kart 154/13; Kammergericht, 2 U 8/09 Kart; Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-U (Kart) 11/13; LG Kiel, 14 O 44/13 Kart).

Das OLG Frankfurt am Main (11 U 84/14) hat dagegen im Dezember 2015 entschieden, dass eine Vertriebsbeschränkung durchaus möglich und zulässig ist. In der Pressemitteilung des Gerichts heisst es dazu:

Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Hersteller von Markenprodukten dürfe grundsätzlich in einem sog. selektiven Vertriebssystem zum Schutz der Marke steuern, unter welchen Bedingungen seine Markenprodukte weitervertrieben werden. Bei dem Verbot des Vertriebs über die Internetplattform Amazon überwiege das Interesse des Herstellers an einer qualitativen hochwertigen Beratung sowie der Signalisierung einer hohen Produktqualität der Marke. Im Gegensatz zu den Preissuchmaschinen erscheine bei Amazon auch bei Händlershops das Produktangebot als ein solches von Amazon und nicht als ein solches des Fachhändlers. Dem Hersteller werde damit ein Händler „untergeschoben“, mit dem der Hersteller keine Vertragsbeziehung unterhalte und auf dessen Geschäftsgebaren er keinen Einfluss habe. Die Tatsache, dass der Vertrieb über „Amazon-Marketplace“ für kleine Händler die Wahrnehmbarkeit und Auffindbarkeit erheblich erhöhe, stehe dem nicht entgegen. Der Hersteller könne nicht zu einer aktiven Förderung des Wettbewerbs kleiner und mittlerer Unternehmen im Internet-Handel durch die Zulassung eines Verkaufs über Amazon verpflichtet werden.
Der Hersteller missbrauche jedoch seine durch die Abhängigkeit der Händler bestehende Stellung, wenn er diesen verbiete, die Markenprodukte über Preissuchmaschinen zu bewerben.

Das Ergebnis bedeutet, dass sowohl Händler/Verkäufer sich dagegen wehren können, durch eine solche Klausel gebunden zu sein – aber auch Abmahnungen erfolgen können (die auch bereits vorgekommen sind). Die Rechtfertigung für die Klausel findet sich häufig in einer angeblichen „Qualitätssicherung“ oder auch im Verhindern von Dumingpreisen. Diese Argumente wurden von der Rechtsprechung so aber gerade nicht akzeptiert.

Selektive Vertriebssysteme: Vorlage an den EUGH

Im April 2016 hatte das OLG Frankfurt dann die Nase voll und hat die notwendigen Fragen dem EUGH vorgelegt (OLG Frankfurt, 11 U 96/14 (Kart)). In dem Vorlagebeschluss zur Zulässigkeit von selektiven Vertriebssystemen, die auf Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren gerichtet sind wurden folgende Fragen vorgelegt:

  1. Können selektive Vertriebssysteme, die auf den Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren gerichtet sind und primär der Sicherstellung eines „Luxusimages“ der Waren dienen, einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen?
  2. Falls die Frage zu 1) bejaht wird:

    Kann es einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen, wenn den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems pauschal verboten wird, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, ohne dass es darauf ankommt, ob im konkreten Fall die legitimen Qualitätsanforderungen des Herstellers verfehlt werden?

    Ist Art. 4 lit b der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 dahingehend auszulegen, dass ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, eine bezweckte Beschränkung der Kundengruppe des Einzelhändlers darstellt?

    Ist Art. 4 lit c der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 dahingehend auszulegen, dass ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, eine bezweckte Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher darstellt?

    Die Entscheidung des EUGH bleibt mit Spannung abzuwarten.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner