Haftung des Stromversorgers wegen Spannungsspitze nach Unfall

Stromversorger kann bei Spannungsspitze haften: Grundsätzlich steht die Haftung des Stromversorgers im Raum, wenn durch eine Spannungsspitze Schäden im Haushalt auftreten. Dies über das Produkthaftungsgesetz, da mit der Rechtsprechung des BGH eine Haftung des Stromanbieters durchaus im Raum stehen kann. Heranzuziehen ist hierbei neben dem Produkthaftungsrecht die Niederspannungsverordnung (NAV), deren Anwendungsbereich eröffnet ist, wenn sich Netzbetreiber (§ 1 IV NAV) und Anschlussnutzer (§ 1 III NAV) gegenüber stehen.

Die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung (Niederspannungs-verordnung, i. F.: NAV), insbesondere § 16 NAV, konkretisiert in ihrem Anwendungsbereich die berechtigten Sicherheitserwartungen an das Produkt Elektrizität (BGH, Urteil vom 25.02.2014 – VI ZR 144/13). Der Anwendungsbereich der NAV ist vorliegend eröffnet, da die Beklagte Netzbetreiberin i.S.v. § 1 IV NAV und der Kläger Anschlussnutzer i.S.v. § 1 III NAV ist. Man muss also bereits darauf achten, dass der Netzbetreiber in Anspruch zu nehmen ist, der vom Stromversorger divergieren kann.

Grundsätzliche Haftung des Stromversorgers bei Überspannung

Grundsätzlich steht eine Haftung im Raum, diese ist aber begrenzt, da bekanntlich kein absoluter Schutz gewährleistet wird.Dabei ist daran zu denken, dass im Fall einer Überspannung vor allem Sachbeschädigungen zu befürchten sind und allgemein bekannt ist, dass es auch in der heutigen Zeit beispielsweise zu Stromausfällen kommen kann:

Auch die hier maßgebliche NAV setzt die Anforderungen an die Netzbetreiber nicht zu hoch, in dem sie in § 16 I 2 NAV den Ausschlusstatbestand der höheren Gewalt statuiert bzw. in § 16 III NAV den Netzbetreiber verpflichtet, die Spannung „möglichst“ gleichbleibend zu halten. Eine hundertprozentig konstante Versorgung kann der Verbraucher nicht erwarten. Der Bundesgerichtshof hat einen Verstoß gegen die berechtigen Sicherheitserwartungen in das Produkt Elektrizität im Hinblick auf § 16 III 1 u. 2 NAV jedenfalls dann angenommen, wenn eine Überspannung zu Schäden an üblichen Verbrauchsgeräten führt (…). Nach dieser Vorschrift hat der Netzbetreiber Spannung und Frequenz möglichst gleichbleibend zu halten, so dass allgemein übliche Verbrauchsgeräte einwandfrei betrieben werden können. Im Falle von Stromausfällen bzw. Stromunterbrechungen wird hingegen ein Produktfehler mit der Begründung verneint, dass ausbleibende Elektrizität schon kein Produkt darstelle (Palandt/Sprau, ProdHaftG, 76. Auflage 2017, § 2 Rn. 1; MüKo/Wagner, ProdHaftG, 7. Auflage 2017, § 2 Rn. 3). Gem. § 16 I 1 NAV ist der Netzbetreiber zwar bei Bestehen eines Anschlussnutzungsverhältnisses verpflichtet, dem Anschlussnutzer die Nutzung des Netzanschlusses jederzeit zu ermöglichen. Die Anschlussnutzung umfasst jedoch nach § 3 I 1 u. 2 NAV lediglich das Recht zur Entnahme von Elektrizität, nicht die Belieferung mit Elektrizität oder den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen.

Landgericht Essen, 6 O 385/17

Keine Haftung des Netzanbieters bei höherer Gewalt

Bei höherer Gewalt ist eine Haftung ausgeschlossen – die auch anzunehmen ist, wenn Dritte gehandelt haben, etwa eine fremde Baufirma einen Netzausfall mit einhergehenden Spannungsspitzen verursacht hat, die mit dem Netzbetreiber nichts zu tun hatte:

Nicht jede Überspannung kann zu einer Haftung nach § 1 I 1 ProdHaftG führen, da auch die Gefährdungshaftung nicht unbegrenzt gilt. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der in der Gesetzesbegründung zum Produkthaftungsgesetz ausführte, dass das schadensauslösende Moment in einem Teil der Fälle in einem Produktfehler begründet liege, teilweise aber nur die Manifestation des allgemeinen Lebensrisikos sei (BT-Drucksache 11/2447, S. 7). Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass auch im Rahmen der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung Konstellationen denkbar sind, in denen besondere Umstände vorliegen, die die Haftung ausschließen. Dies hat er beispielsweise in § 7 II StVG oder § 701 III BGB durch Einführung eines Haftungsausschlusses im Falle von höherer Gewalt klar formuliert. Bezogen auf das Produkt Elektrizität wird dies auch durch § 16 I 2 NAV deutlich, nach dem der Netzbetreiber dem Anschlussnutzer die Nutzung des Netzanschlusses nicht ermöglichen muss, soweit und solange der Netzbetreiber durch höhere Gewalt oder sonstige Umstände, deren Beseitigung ihm im Sinne des § 18 I 2 EnWG aus wirtschaftlichen Gründen nicht zugemutet werden kann, gehindert ist (…)

Ein Fall höherer Gewalt ist ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen dritter, betriebsfremder Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, welches auch mit äußerster, vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können.

Landgericht Essen, 6 O 385/17
Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner