Haftung eines Bevollmächtigten nach ProdSG für Schutzrechtsverletzungen

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main befasste sich in seiner Entscheidung vom 16. März 2023 mit der Haftung eines Bevollmächtigten nach dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) für Schutzrechtsverletzungen. Im Kern ging es darum, ob ein Bevollmächtigter im Sinne von § 2 Nr. 6 ProdSG für die durch den Hersteller verursachten Schutzrechtsverletzungen als Gehilfe oder Störer haften kann.

Entscheidung des OLG Frankfurt

Das OLG Frankfurt bestätigte, dass ein Bevollmächtigter nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG für durch das Inverkehrbringen des Produkts durch den Hersteller erfolgte Schutzrechtsverletzungen als Gehilfe oder Störer haften kann, wenn er durch eine Abmahnung auf das verletzte Schutzrecht hingewiesen wurde.

Juristische Begründung

  1. Keine Täterschaftliche Haftung: Das Gericht stellte klar, dass die Antragsgegnerin, die als Bevollmächtigte für eine chinesische Firma fungierte, nicht selbst die Tatbestandsvoraussetzungen einer Geschmacksmusterverletzung verwirklichte. Eine täterschaftliche Haftung war nicht gegeben.
  2. Anwendung von Teilnehmerhaftung: Die Passivlegitimation der Antragsgegnerin wurde anhand der Grundsätze der Teilnehmerhaftung geprüft. Für eine Gehilfenhaftung muss jemand willentlich und adäquat-kausal den Rechtsverstoß eines anderen fördern. Die Antragsgegnerin erfüllte diese Voraussetzung, da sie als EU-Bevollmächtigte für das Unternehmen fungierte und dadurch den Rechtsverstoß des chinesischen Herstellers förderte.
  3. Bewusstsein der Rechtswidrigkeit durch Abmahnung: Das Gericht wies darauf hin, dass das für den Gehilfenvorsatz erforderliche Bewusstsein der Rechtswidrigkeit durch eine plausibel begründete Abmahnung herbeigeführt werden kann. Nach Erhalt der Abmahnung handelte die Antragsgegnerin zumindest bedingt vorsätzlich und im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit.
  4. Störerhaftung: Neben der Gehilfenhaftung wurde auch die Störerhaftung in Erwägung gezogen. Die Antragsgegnerin hätte demnach ihre Unterstützung für den geschmacksmusterverletzenden Vertrieb einstellen müssen. Diese Störerhaftung setzt ein, wenn jemand willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsguts beiträgt und darauf hingewiesen wurde.
  5. Wiederholungsgefahr: Das Gericht erkannte eine Wiederholungsgefahr an, da das Produkt weiterhin bei Amazon aufrufbar war, wenn auch als „derzeit nicht verfügbar“ gekennzeichnet. Selbst eine Löschung des Angebots würde die Wiederholungsgefahr nicht beseitigen, da die Verletzungshandlung jederzeit wieder aufgenommen werden könnte.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Frankfurt betont die Bedeutung der Rolle des Bevollmächtigten im Kontext des ProdSG. Sie unterstreicht, dass ein Bevollmächtigter für Schutzrechtsverletzungen haften kann, wenn er durch seine Funktion den Rechtsverstoß des Herstellers fördert und auf diesen Rechtsverstoß hingewiesen wurde.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner