Interessenabwägung bei Namensanmaßung und Domainregistrierung: Wirtschaftliche Aspekte und Weiterleitungsgebrauch im Fokus

In einem Fall vor dem Bundesgerichtshof (I ZR 107/22) ging es um eine domainrechtliche Problematik, insbesondere um die Frage der unberechtigten Namensanmaßung gemäß § 12 Satz 1 Fall 2 BGB durch die Aufrechterhaltung einer vor Entstehung des Namensrechts registrierten Internetdomain. Bei dieser Entscheidung standen verschiedene Aspekte im Fokus, die ich nachfolgend detailliert besprechen werde. Schon der Leisatz zeigt, es geht um echtes Domainrecht:

Bei der Prüfung einer unberechtigten Namensanmaßung (§ 12 Satz 1 Fall 2 BGB) durch die Aufrechterhaltung einer vor Entstehung des Namensrechts registrierten Internetdomain sind im Rahmen der Interessenabwägung auf Seiten des Domaininhabers nicht nur spezifisch namens- oder kennzeichenrechtliche, sondern sämtliche Interessen an der Aufrechterhaltung der Domainregistrierung zu berücksichtigen, deren Geltendmachung nicht rechtsmissbräuchlich ist. Hierzu zählt auch ein wirtschaftliches Interesse an der Fortführung eines Weiterleitungsgebrauchs, um durch eine Verbesserung der Trefferquote und des Rankings der Zielseite in Suchmaschinen das Besucheraufkommen zu erhöhen (Fortführung von BGH, Urteil vom 24. April 2008 – I ZR 159/05, GRUR 2008, 1099 [juris Rn. 30 bis 34] = WRP 2008, 1520 – afilias.de; Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 6. November 2013 – I ZR 153/12, GRUR 2014, 506 [juris Rn. 30] = WRP 2014, 584 – sr.de).

Einleitung und Sachverhalt

Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, die als Inkasso-Dienstleister für Energieversorgungsunternehmen tätig ist, führte den Namen „energy COLLECT GmbH & Co. KG“ seit Sommer 2020. Der Beklagte, Inhaber der Domains „energycollect.de“ und „energy-collect.de“, registrierte diese bereits im April 2010. Diese Domains wurden nicht als eigenständige Websites genutzt, sondern leiteten auf die Website eines Drittunternehmens um, das ebenfalls im Inkassobereich für die Energiebranche tätig ist.

Rechtliche Bewertung

Der Kern des Falles liegt – wie üblich bei solchen Fällen im Domainrecht – in der Abwägung zwischen dem Namensrecht der Klägerin und den Interessen des Beklagten an der Beibehaltung der Domainregistrierung. Nach § 12 BGB ist eine unberechtigte Namensanmaßung gegeben, wenn ein Dritter den gleichen Namen unbefugt gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung eintritt und schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt werden. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob durch die Verwendung der Domainnamen durch den Beklagten zu Weiterleitungszwecken ein Namensrecht der Klägerin verletzt wurde und ob dadurch eine Zuordnungsverwirrung entstand.

Interessenabwägung

Das Gericht erkannte an, dass neben kennzeichenrechtlichen auch sämtliche nicht rechtsmissbräuchlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der Domainregistrierung zu berücksichtigen sind. Dies beinhaltet auch ein wirtschaftliches Interesse an der Nutzung von Weiterleitungen zur Erhöhung des Besucheraufkommens. Dabei spielte die Tatsache eine Rolle, dass die Namensrechte der Klägerin erst nach der Registrierung der Domains durch den Beklagten entstanden.

Ergebnis und Fazit

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf und verwies den Fall zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das Berufungsgericht. Dies zeigt, wie komplex die Beurteilung von Namensrechten im Kontext des Internets sein kann, insbesondere wenn es um bereits etablierte Domains und neu entstehende Namensrechte geht. Die Entscheidung verdeutlicht die Notwendigkeit, sowohl die historische Nutzung einer Domain als auch die zeitliche Entwicklung von Namensrechten zu berücksichtigen .

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner