Keine Gewinnbeteiligung für Kunstagentur bei unvollständiger Leistung

Das Landgericht Stuttgart hat am 17. April 2024 (Az.: 21 O 160/23) eine wichtige Entscheidung im Bereich des Kunstrechts getroffen. Im Zentrum des Falls stand ein Kunstberatungsvertrag zwischen einer Kunstagentur und einem jungen Künstler. Der Vertrag sollte die Etablierung des Künstlers auf dem Kunstmarkt unterstützen, beinhaltete jedoch komplexe Leistungs- und Gegenleistungsvereinbarungen.

Die Entscheidung beleuchtet, unter welchen Umständen Gewinnbeteiligungen und Aufwendungsersatzansprüche im Kunstbereich durchgesetzt werden können.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Kunstagentur, und der Beklagte, ein junger Künstler, schlossen am 10. November 2020 einen Vertrag, der die Zusammenarbeit zur Etablierung des Künstlers im Kunstmarkt regelte. Die Klägerin verpflichtete sich, verschiedene Leistungen wie die Organisation von Ausstellungen und die Erstellung von Marketingmaterialien zu erbringen. Im Gegenzug sollte der Künstler einen Anteil seiner Verkaufserlöse an die Klägerin abtreten.

Die Klägerin machte geltend, dass sie mehrere Leistungen erbracht habe, darunter die Erstellung eines Videos für die Social-Media-Kanäle des Künstlers sowie die Organisation von Ausstellungen. Sie forderte daher eine Gewinnbeteiligung und die Erstattung der entstandenen Aufwendungen in Höhe von 800 Euro. Der Beklagte argumentierte, dass der Vertrag keine verbindliche Vereinbarung über die Provisionshöhe enthalte und die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten nur teilweise erfüllt habe.

Rechtliche Analyse

Anspruch auf Aufwendungsersatz

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die Videoerstellung gemäß § 670 BGB habe. Die Klägerin hatte den Auftrag zur Erstellung des Videos im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen erteilt und die entsprechenden Kosten getragen. Der Beklagte konnte nicht beweisen, dass eine abweichende Vereinbarung über die Kostenübernahme getroffen worden war.

Kein Anspruch auf Gewinnbeteiligung

Der Klägerin wurde jedoch kein Anspruch auf Gewinnbeteiligung zuerkannt. Das Gericht begründete dies damit, dass die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten nur unzureichend erfüllt habe. Von den im Vertrag festgelegten Leistungen für das Jahr 2021, darunter die Organisation von vier Ausstellungen und einer Messeteilnahme, habe die Klägerin nur eine „Pop-Up“-Ausstellung organisiert. Weitere Pflichten, wie die Erstellung von Newslettern und die Entwicklung eines Corporate Designs, wurden nicht erfüllt.

Da die vereinbarten Leistungen wesentliche Voraussetzungen für die Gewinnbeteiligung waren und diese aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr nachgeholt werden konnten, entfiel der Anspruch der Klägerin auf die Gegenleistung gemäß § 326 Abs. 1 BGB. Die Gewinnbeteiligung war somit an die vollständige Erbringung der vertraglichen Leistungen gekoppelt, die jedoch nicht erbracht wurden.

Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Stuttgart entschied, dass der Beklagte der Klägerin 800 Euro nebst Zinsen für die Videoerstellung zu zahlen habe. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf weitere Gewinnbeteiligungen oder Auskunft über Verkäufe der Kunstwerke des Beklagten, da die dafür notwendigen vertraglichen Leistungen nicht vollständig erbracht worden seien.

Fazit

Die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart unterstreicht die Bedeutung klarer und vollständiger vertraglicher Vereinbarungen im Kunstbereich. Eine Gewinnbeteiligung setzt voraus, dass die vertraglich vereinbarten Leistungen vollständig und termingerecht erbracht werden. Zudem zeigt der Fall, wie wichtig es für Künstler und Kunstagenturen ist, ihre jeweiligen Pflichten und Rechte präzise zu definieren und die Erfüllung dieser Pflichten sorgfältig zu dokumentieren. Diese Entscheidung bietet damit einige wertvolle Erkenntnisse für die Gestaltung zukünftiger Kunstberatungsverträge – sowie die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche im Kunstrecht.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner