Keine Kündigung wegen unberechtigter Zugriffseinrichtung auf Email-Accounts

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat am 28. März 2024 (Az. 6 Sa 324/23) eine bedeutsame Entscheidung getroffen, die die Frage der Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung einer Prokuristin betraf. Die Prokuristin hatte sich über den IT-Dienstleister des Unternehmens Zugriff auf die Email-Accounts von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verschafft. Dieser Blog-Beitrag beleuchtet die wesentlichen rechtlichen Probleme und die Urteilsbegründung des Gerichts im Detail.

Sachverhalt

Die Klägerin war seit dem 1. Januar 2020 bei der Beklagten als Prokuristin beschäftigt. Im Januar 2022 ließ sich die Klägerin durch ein Ticket an den IT-Dienstleister Zugriff auf die Email-Accounts von anderen Mitarbeitern einrichten. Dies führte zur fristlosen Kündigung durch die Beklagte am 25. Januar 2022. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage und forderte zudem die Zahlung von Urlaubsabgeltung und ein Arbeitszeugnis.

Rechtliche Analyse

1. Unzureichende Grundlage für fristlose Kündigung

Das LAG Köln stellte fest, dass das Einrichten von Zugriffsrechten allein keinen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellt. Gemäß § 626 BGB kann ein Arbeitsverhältnis nur dann fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Im vorliegenden Fall konnte die Beklagte nicht nachweisen, dass die Klägerin die Zugriffsmöglichkeit missbraucht hat oder dass ein tatsächlicher Zugriff auf die Emails erfolgt ist. Somit reichte der bloße Verdacht nicht aus, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

2. Bedeutung der Abmahnung als milderes Mittel

Das Gericht betonte, dass vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung stets geprüft werden muss, ob eine Abmahnung als milderes Mittel in Betracht kommt. Eine Abmahnung wäre angemessen gewesen, um der Klägerin das Fehlverhalten vor Augen zu führen und ihr die Gelegenheit zu geben, ihr Verhalten zu ändern. Die Beklagte hatte keine Abmahnung ausgesprochen, was die Unverhältnismäßigkeit der Kündigung unterstreicht.

3. Urlaubsabgeltung und Arbeitszeugnis

Neben der Kündigungsschutzklage war auch die Zahlung der Urlaubsabgeltung und die Erteilung eines Arbeitszeugnisses Gegenstand des Rechtsstreits. Da das Arbeitsverhältnis aufgrund der unwirksamen fristlosen Kündigung fortbestanden hatte, war die Beklagte verpflichtet, die Urlaubsabgeltung zu zahlen und der Klägerin ein Arbeitszeugnis auszustellen. Diese Ansprüche wurden von der Beklagten im Laufe des Verfahrens anerkannt und nicht weiter bestritten.

Gerichtliche Beurteilung

Das LAG Köln wies die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln zurück und bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Das Gericht stellte fest, dass die fristlose Kündigung unwirksam war, da kein wichtiger Grund vorlag und die Kündigung unverhältnismäßig war. Die Klägerin hatte somit Anspruch auf die Urlaubsabgeltung und ein Arbeitszeugnis.


Fazit und Auswirkungen

Diese Entscheidung unterstreicht die hohen Anforderungen an die Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung und die Notwendigkeit einer vorherigen Abmahnung. Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass sie vor der Aussprache einer fristlosen Kündigung alle milderen Mittel, insbesondere Abmahnungen, in Erwägung ziehen und die Tatsachen sorgfältig prüfen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten. Arbeitnehmer profitieren von dieser Entscheidung, da sie ihre Rechte auf faire Behandlung und ordnungsgemäße Verfahren stärkt.

Für beide Parteien ist es wichtig, die rechtlichen Anforderungen und Voraussetzungen für fristlose Kündigungen zu kennen und zu beachten, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und eine faire und angemessene Lösung zu finden.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner