Störerhaftung: Störerhaftung wenn Hotels oder Internet-Cafes WLAN anbieten?

Nachdem der Bundesgerichtshof im Mai 2010 (I ZR 121/08, „Sommer unseres Lebens“, hier bei uns) im Kern die Störerhaftung für Internet-Anschlüsse und insbesondere (freie) WLAN bestätigt hat, wurde schon gefragt: Was bedeutet das für (Internet-)Cafes?

Die Folge war absehbar und ist nun im grösseren Stil aufgetreten: RP-Online berichtete früher, dass eine Café-Kette mehrfach abgemahnt wurde und nun ihr WLAN abgeschaltet hat, bis man eine „technische Lösung“ findet. Ärgerlich dabei: Man sollte lieber die juristische Lösung suchen.

Allerdings zeigt sich spätestens seit 2016 ab, dass durch eine angestrebte Gesetzesänderung eine Verbesserung der Lage eintreten kann.

Beachten Sie dazu bei uns: Übersicht zur Störerhaftung bei Betrieb von WLAN


Juristische Lösung bei Störerhaftung

Eine juristische Lösung kann es nämlich ggfs. geben: Der BGH hatte in einer früheren Entscheidung (BGHZ 158, 236, 251) die Störerhaftung dann eingeschränkt, wenn ein Geschäftsmodell bedroht wird. Bei einer Privat-Person wird das nicht der Fall sein, insofern verneint der BGH diese Konstellation auch zu Recht an dieser Stelle. Zugleich wird aber deutlich, dass der BGH keinesfalls diese Rechtsprechung insgesamt nicht übertragen würde, sondern vielmehr wird ausdrücklich festgehalten, dass sie hier keine Anwendung findet, weil ein privater Verwender gehandelt hat.

Insofern ist vollkommen offen (aber eben leider nur offen!), ob der BGH im Falle eines Cafes, das mit einem offenen WLAN Kunden “anlockt” die Sache anders beurteilen würde.

Sprich: Es wäre sehr gut möglich, dass die Café-Kette im Ergebnis eine ganz andere Entscheidung, zumindest beim BGH, erreichen könnte. Und gerade wenn man ohnehin mehrfach abgemahnt wurde und sein Geschäftsmodell absichern möchte, wäre es finanziell vertretbar, den Rechtsweg zu gehen.

Hinsichtlich der technischen Lösung wird es die durchaus in Ansätzen geben, ist aber mit einigem Aufwand verbunden: Problemlos kann man z.B. mit „Radius“ temporäre Zugänge schaffen, so dass man den „Übeltäter“ später identifizieren kann. Doch hier schlägt die Hinterlist der Störerhaftung erneut zu: Nur weil man den eigentlichen Übeltäter kennt, ist man ja als Anschlussinhaber noch nicht raus aus der Haftung. Auch an dem Punkt wäre es ökonomischer, sein Geschäftsmodell juristisch zu verteidigen – zumal es letzten Endes m.E. nicht möglich sein wird, den Zugriff auf verbotene Webseiten oder Filesharing-Plattformen technisch 100%ig zu unterbinden. Ganz abgesehen von der Möglichkeit, in Foren oder Blog-Kommentaren andere zu beleidigen, was gleichsam einen Unterlassungsanspruch nach sich zieht.

Fazit: Ich hoffe, es ist klar geworden, dass es eine 100%ige (technische) Sicherheit nicht gibt. Dabei ist die Entscheidung des BGH in Sachen Störerhaftung m.E. nicht auf kommerzielle Betreiber übertragbar, bestenfalls mag man Rückschlüsse aus dieser Entscheidung ziehen können. Dabei steht die Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ nicht im Widerspruch zur früheren Rechtsprechung des BGH, dass die Störerhaftung dort Einschränkung erfährt, wo das Geschäftsmodell des kommerziellen Betreibers gefährdet wird. Insofern muss man sich als kommerzieller Betreiber überlegen, wie viel einem das eigene Geschäftsmodell wert ist – denn wer es erhalten will, wird dafür streiten müssen. Vor einem Gericht.

Technischer Hinweis für Verbraucher: Wer sich von „Radius“ und der Möglichkeit, schnell und einfach temporäre Zugänge zu schaffen, angesprochen fühlt, muss nicht viel Aufwand betreiben. Mit „DD-WRT“ gibt es Firmware (Software) für handelsübliche Router mit der diese Funktion – sowie weitere praktische Funktionen – nachgerüstet werden kann.

Sonstige Beiträge zum Thema Störerhaftung bei Hotels

Ausführungen finden sich bei Dr. Reto Manz, der einige beachtenswerte erste Gedanken zu der Frage, was Internet-Cafes in Zukunft mit ihrem WLAN am besten machen. Dabei ist noch einmal an die z.B. von Stadler geäußerte Kritik zu denken, dass der BGH wohl dogmatisch zweifelhaft gearbeitet hat. Insbesondere die Frage, ob man nicht den §8 TMG als Privilegierung heranzieht, muss thematisiert werden – gleich ob man sie letztlich ablehnt oder befürwortet. Ich stehe gleichsam auf dem Standpunkt, dass jede Entscheidung zur Haftung eines WLAN-Betreibers, in der der §8 TMG nicht einmal angesprochen wird, letzten Endes unbrauchbar ist.

Manz selbst kommt zu dem Ergebnis, dass ansonsten nur die Variante bleibt, ausländische VPN als WLAN-Betreiber einzusetzen. Das deckt sich mit meinen Aussagen, die ich schon mehrfach getroffen habe, auch wenn ich dabei mehr an TOR oder Proxies denke. Übrigens wird häufig – auch von mir – der Hinweis gegeben, man soll entsprechende Ports deaktivieren bzw. am besten nur bestimmte Ports öffnen. An dieser Stelle der klarstellende Hinweis, dass dies natürlich nur mit dem Tunnelblick auf das Filesharing weiterhilft. Ohne jetzt neue Sorgen verbreiten zu wollen: Wer in seinem Cafe regelmäßig von einem Troll besucht wird, der mit Vehemenz Beleidigungen in Foren verteilt und deswegen als WLAN-Betreiber mit einer Abmahnung konfrontiert wird, dem hilft das Sperren von Ports herzlich wenig. Mit Blick auf diesen Sachverhalt möchte ich vor allem eines klar machen: Einfache technische Möglichkeiten zur Lösung des Dilemmas gibt es nicht.

Urteile zur Störerhaftung bei Hotels oder Internet-Cafes

Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg

Beim Amtsgericht Hamburg (25b C 431/13) ging es um die Haftung eines Hotelbetreibers für Rechtsverletzungen, die von Gästen über den zur Verfügung gestellten Internetzugang begangen wurden. Das AG hat eine Haftung des Hotels im Ergebnis abgelehnt:

  • Eine täterschaftliche Haftung stand nicht zur Diskussion, da einerseits kein Beweis für eine Täterschaft nicht erbracht werden konnte; andererseits sprach auch keine Vermutung für ein täterschaftliches Handeln, da das WLAN hier ganz bewusst Dritten zur Verfügung gestellt wurde, was eine entsprechende Vermutung erschüttern würde (so ja inzwischen der BGH, I ZR 169/12).
  • Wenn es um eine Haftung als Teilnehmer geht, ist allerdings ein – zumindest bedingter – Vorsatz erforderlich. Der aber war hier ebenfalls nicht zu sehen und wird auch sonst bei Hotels nur in krassen Ausnahmesituationen anzunehmen sein.
  • In jedem Fall sieht das Gericht zudem den §8 TMG hinsichtlich der Täter-/Teilnehmerhaftung anwendbar, was eine Privilegierung und somit Haftungsfreistellung bedeutet.
  • Bei einer möglichen Störerhaftung dagegen findet §8 TMG (mit dem BGH) keine unmittelbare Anwendung – gleichwohl ist er mit dem AG Hamburg bei der Frage der zumutbaren Pflichten zu berücksichtigen. Insgesamt kommt das AG Hamburg am Ende zu dem Schluss, dass eine grundsätzliche Störerhaftung eines Hotels, das seinen Gästen einen Internetzugang eröffnet, nicht zur Rede steht.

Hinsichtlich der Störerhaftung bei einem Hotel finden sich einige Aspekte, die vom Amtsgericht angesprochen werden:

  1. Es ist bereits ausreichend, wenn der Zugang zwar über WLAN gewährt wird, die Zugangsdaten aber befristet sind (zur Begrenzung von Missbrauch durch Dritte) und die Hotelgäste hinsichtlich des Unterlassens rechtswidriger Handlungen belehrt werden (in ihrer jeweiligen Sprache).
  2. Dabei konnte das Amtsgericht offen lassen, ob eine Belehrung überhaupt notwendig ist, macht aber deutlich, dass es diesen Gedanken ablehnt.
  3. Auch wenn bereits weitere Abmahnungen eingetroffen sind, ist ein Ausbau von Hinweispflichten abzulehnen.
  4. Unzumutbar sind jedenfalls weiterhin solche Maßnahmen, die eine rechtmäßige Nutzung einschränken oder die gar nicht wirksam sind. Ein pauschales Verlangen einer „Portsperre“ ist insoweit auch nicht ausreichend, ein Anspruchssteller müsste darlegen, welche Maßnahme überhaupt wirksam wäre um die rechtswidrige Nutzung zu unterbinden, ohne die rechtmäßige zu berühren.

Im Fazit ist eine Entscheidung zu sehen, die ausgewogen und vertretbar ist. Wer ein Hotel betreibt, sollte also rein vorsichtshalber weiterhin Belehrungen verwenden, die die jeweiligen Gäste auch verstehen können – Zugangsdaten sollten befristet und Individuell sein, der Betrieb eines frei zugänglichen WLANs ist zu unterlassen. Unter diesen Bedingungen ist davon auszugehen, dass sich weitere Gerichte der Auffassung des LG Hamburg anschliessen.

Entscheidung des Landgerichts Frankfurt

Ein scheinbar erlösendes Urteil hat das Landgericht Frankfurt a.M. (2-6 S 19/09) gesprochen: Angeblich können Hotels ihren Gästen einen WLAN-Zugang zum Internet anbieten ohne sich Gedanken über die Störerhaftung machen zu müssen. Der Befreiungsschlag für die Branche?

Der Sachverhalt ist denkbar einfach und naheliegend: Ein Hotel bietet seinen Gästen Internet über WLAN an. Die Nutzen das auch gut und gerne, zumindest einer hat sich dann in einer Tauschbörse bedient. Es folgte die Abmahnung, gerichtet an das Hotel als Anschlussinhaber – gestritten wurde nun, ob das so korrekt war. Das LG Frankfurt a.M. fand das Vorgehen des Abmahners nicht korrekt, das Urteil wurde teilweise euphorisch zur Kenntnis genommen. Blicken wir auf die Details.

Das Landgericht stellt im Rahmen der Prüfung der Störerhaftung fest, dass der Hotelbetreiber das WLAN verschlüsselte und seine Kunden auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hingewiesen hat. Es stellt damit fest:

Eine weitergehende Prüfungspflicht vor einer ersten Rechtsverletzung besteht für den Kläger – unabhängig von der Frage, ob sein Geschäftsmodell durch die Auferlegung präventiver Prüfungspflichten nicht ohnehin gefährdet wäre (vgl. BGHZ 158, 236, 251f.) – auf Grund der Verschlüsselung nicht

Nun ganz genau lesen: Mehr wird solange nicht von dem Betreiber verlangt, wie noch keine erste Rechtsverletzung aufgetreten ist. Die liegt nun aber vor. Insofern wird sich der Hotelbetreiber zwar freuen, jetzt aus der Störerhaftung entlassen zu sein, aber darüber hinaus ist die Argumentation des Gerichts aus sich heraus schon nicht mehr nutzbar. Die Frage bleibt im Raum stehen: Wie geht man nun als Hotel-Betreiber mit der Sachlage um, dass der erste Rechtsverstoss im Raum steht, man aber weiterhin einen Internetzugang anbieten muss.

Das Landgericht hat hier leider offen gelassen, ob das Geschäftsmodell bei einer Ausweitung der Störerhaftung gefährdet wäre. In der Tat mag man argumentieren, dass ein Hotel, dass seinen Gästen keinen Internetzugang bietet, an sich einen erheblich schlechteren Stand am Markt hat. Aber, abgesehen davon dass hier ja gerade nichts gesagt wurde: Kann damit das Thema schon „erledigt“ sein.

Ich habe da durchaus Bedenken, ganz zu schweigen davon, dass es sich hier um ein erstes Urteil handelt und Frankfurt grundsätzlich doch etwas „freundlicher“ urteilt als Köln. In einer Gesamtschau der zur Zeit technischen Lösungsmöglichkeiten hatte ich bereits darauf verwiesen, dass es bei sehr geringen Kosten problemlos möglich und zumutbar ist, seinen Gästen (mittels Radius), einen temporären Zugang zu geben, der hinterher eine eindeutige Identifikation des Nutzers zulässt. Jedenfalls nach einem ersten bekannt gewordenen Rechtsverstoss ist es keineswegs abwegig, zu erwarten, dass die Rechtsprechung eben diesen Weg verlangen wird. Jedenfalls bei Hotels, wo ein „Check-In“ stattfindet, ist das durchaus leicht zu handhaben, anders als vielleicht in einem Cafe.

Interessant am Rande ist, dass das LG Frankfurt in einem Fall wie diesem der Meinung ist, vor der Abmahnung solle eine Berechtigungsanfrage erfolgen, um die Sachlage zu klären:

Da der Kläger nach einhelliger Rechtsprechung (vgl. oben) auch nicht per se für Rechtsverletzungen durch seine Gäste oder sonstige Dritte haftet, kann ohne nähere Kenntnis der Sachlage im konkreten Fall der Anschlussinhaber gerade nicht einer Urheberrechtsverletzung bezichtigt werden, ohne dass sich der Bezichtigende zumindest Nachlässigkeit vorwerfen lassen musste. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei dem Bezichtigten wie vorliegend um einen Betrieb (hier: Hotel) handelt, zu dessen Serviceleistungen es unproblematisch erkennbar gehört, Dritten (hier: Hotelgästen) den Zugang zum Internet via Funk-Netzwerk zu ermöglichen. In einem solchen Fall hätte die Beklagte als Rechtsinhaberin vor Abmahnung erst sichere Kenntnis der Sachlage verschaffen müssen und können. Es wäre ihr bspw. unproblematisch möglich gewesen, unter Hinweis auf ihr an dem Werk … zustehende Urheberrechte und den vermeintlichen Veröffentlichungstatbestand den Kläger zur Äußerung bzw. zu konkreten Darlegung seiner Berechtigung zur Vornahme der angegriffenen Handlung aufzufordern („Berechtigungsanfrage“). So hätte sie ohne Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. BGH GRUR 1997, 896, 897) die starke Unsicherheit über den Verletzungstatbestand beseitigen oder – falls sich der Kläger als vermeintlicher Rechtsverletzer nicht geäußert hätte – danach unverschuldet eine Abmahnung aussprechen können.

Ob diese Sicht angesichts der aktuellen gesetzlichen Lage, die die Abmahnung als Verteidigungsmittel schlechthin konstitutiert – wobei bei der Berechtigungsanfrage der in seinen Rechten Verletzte auch noch auf den Kosten „sitzen“ bleibt – ist zumindest skeptisch zu sehen. Es wäre aber eine durchaus interessante Überlegung, in offensichtlichen Fällen der Drittnutzung im Rahmen eines Geschäftsmodells (Hotel, Internet-Cafe) die Berechtigungsanfrage vorzuschalten, um zu klären, ob wirklich eine derartige Drittnutzung vorliegt und welche Maßnahmen der Anshussinhaber zur Sicherung ergriffen hat.

Das LG Frankfurt hat damit m.E. einen interessanten Weg eröffnet, allerdings keinesfalls die Diskussion beendet. Die Rechtsunsicherheit bleibt weiter bestehen, das Problem ist nicht kleiner geworden.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner