Das Oberlandesgericht Düsseldorf, 2 U 36/17, hat entschieden, dass für die Beurteilung der Kerngleichheit der Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens maßgeblich ist, so dass im Berufungsverfahren alle neuen Ausführungsvarianten zu prüfen sind, die nach den Entscheidungsgründen der Vorinstanz als patentverletzend angesehen werden. Eine nach Erlass des erstinstanzlichen Nichtigkeitsurteils vorgenommene Beschränkung des Patentanspruchs hat dabei für die Bestimmung des (erstinstanzlichen) Streitgegenstands außer Betracht zu bleiben.
Weiter: Bei der Auslegung eines Patentanspruchs ist grundsätzlich darauf abzustellen, wie der Durchschnittsfachmann die im Patentanspruch enthaltenen Begriffe am Anmeldetag bzw. (bei Inanspruchnahme des Zeitrangs) am Prioritätstag des Klagepatents verstanden hat. Eine im Laufe der Zeit eintretende Änderung, z.B. durch die Entdeckung besserer Analysemethoden, darf weder zu einer Einschränkung noch zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führen, da ein sich im Laufe der Zeit ändernder Schutzbereich mit dem Gebot der Rechtssicherheit nicht vereinbar wäre. Hängt daher die Auslegung eines im Patentanspruch verwendeten Begriffs oder der Wert einer im Patentanspruch verwendeten Größe von der Messmethode ab, so gebietet es das Gebot der Rechtssicherheit, den Begriff oder den Wert so zu definieren, wie dies dem Fachmann aufgrund seines Wissensstandes am Anmelde- oder Prioritätstag mit den zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Messmethoden möglich war.
Fazit: § 142 ZPO entbindet die Partei, die sich auf eine Urkunde beruft, nicht von ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast. Dementsprechend darf das Gericht die Vorlage von Urkunden nicht zur bloßen Informationsbeschaffung anordnen, sondern nur bei schlüssigem Sachvortrag der Partei:
Nach § 142 ZPO darf in einem Patentverletzungsprozess die Vorlage einer Urkunde oder sonstigen Unterlage angeordnet werden, wenn ein gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit für eine Schutzrechtsverletzung spricht und wenn die Vorlage zur Aufklärung des Sachverhalts geeignet und erforderlich sowie auch unter Berücksichtigung der rechtlich geschützten Interessen des zur Vorlage Verpflichteten verhältnismäßig und angemessen ist (BGH, GRUR 2013, 316 Rn 22 – Rohrmuffe; BGH, GRUR 2006, 962 – Restschadstoffentfernung; Senat, GRUR-RS 2020, 39519 Rn 81 – Aufweckverfahren; OLG Düsseldorf [15. ZS], BeckRS 2015, 16355 Rn 124; OLG Düsseldorf [15. ZS], GRUR-RS 2016, 6348 Rn. 37 – Eigendrehfrequenz).
§ 142 ZPO befreit allerdings die Partei, die sich auf eine Urkunde bezieht, nicht von ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast. Dementsprechend darf das Gericht die Urkundenvorlage nicht zum bloßen Zwecke der Informationsgewinnung, sondern nur bei Vorliegen eines schlüssigen, auf Tatsachen bezogenen Vortrags der Partei anordnen (von Selle in BeckOK ZPO, 50. Edition, Stand: 01.09.2023, § 142 Rn 11 m.w.N.). § 142 ZPO gibt nicht die Befugnis, unabhängig von einem schlüssigen Vortrag zum Zwecke der Informationsgewinnung (alle möglichen) Urkunden anzufordern. Die vorzulegende Urkunde soll vielmehr für die vom Gericht begehrte Entscheidung relevante Umstände enthalten, dient aber nicht der Ausforschung (LG Düsseldorf, BeckRS 2014, 1803).
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