Kosten des Patentanwalts im Markenrechtsprozess

In den letzten Jahren ist es im gewerblichen Rechtsschutz vermehrt zu Streitigkeiten über die Kosten des (mitarbeitenden) Patentanwalts gekommen. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof (I ZB 59/19) klargestellt, dass § 140 Abs. 3 MarkenG aF (§ 140 Abs. 4 MarkenG nF) im Hinblick auf Art. 3 und Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass (nur) die Kosten für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Mitwirkung des Patentanwalts erstattungsfähig sind. Damit hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung (insbesondere BGH, I ZB 83/18) ausdrücklich aufgegeben.

So führt der BGH aus:

Die Vorschrift des § 140 Abs. 3 MarkenG aF ist vielmehr mit Blick auf Art. 3 und Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass nur die Kosten der für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen patentanwaltlichen Mitwirkung erstattungsfähig sind.

Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG sehen die Mitgliedstaaten die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlich sind. Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen fair und gerecht sein, außerdem dürfen sie nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen. Nach Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen (…)

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass Kosten der prozessualen Mitwirkung eines vom Rechtsinhaber allein oder zusammen mit einem Rechtsanwalt eingeschalteten Patentanwalts ihren unmittelbaren Ursprung im Prozess selbst haben und daher dem Begriff der Prozesskosten im Sinne des Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG unterfallen (EuGH, GRUR 2022, 853 [juris Rn. 40 bis 44] – NovaText).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verlangt Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG von den Mitgliedstaaten, die Erstattung der „zumutbaren“ Prozesskosten sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlich sind, nicht unnötig kostspielig sind (EuGH, GRUR 2022, 853 [juris Rn. 45] – NovaText, mwN). So sind etwa übermäßige Kosten, die darauf zurückzuführen sind, dass die obsiegende Partei und ihr Anwalt ungewöhnlich hohe Honorare vereinbart haben oder der Anwalt Dienstleistungen erbracht hat, die für die Durchsetzung des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums nicht als erforderlich angesehen werden, nicht zumutbar (EuGH, GRUR 2022, 853 [juris Rn. 46] – NovaText, mwN).

Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass die Frage, ob Kosten im Sinne von Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG „angemessen“ sind, nicht unabhängig von den Kosten beurteilt werden kann, die der obsiegenden Partei tatsächlich durch den Beistand eines Anwalts entstanden sind, sofern diese im vorstehend beschriebenen Sinne „zumutbar“ sind. Zwar bedeutet das Erfordernis der Angemessenheit nicht, dass die unterlegene Partei zwangsläufig sämtliche Kosten der obsiegenden Partei erstatten muss, es verlangt jedoch, dass diese Anspruch auf die Erstattung wenigstens eines erheblichen und angemessenen Teils der ihr tatsächlich entstandenen zumutbaren Kosten hat (EuGH, GRUR 2022, 853 [juris Rn. 47 bis 48] – NovaText, mwN).

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zudem entschieden, dass das zuständige Gericht nach Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG im Licht des 17. Erwägungsgrunds dieser Richtlinie in jedem Einzelfall in der Lage sein muss, zu prüfen, ob die der obsiegenden Partei durch die Mitwirkung eines Vertreters, beispielsweise eines Patentanwalts, entstehenden Prozesskosten zumutbar und angemessen sind. Der den Mitgliedstaaten bei der Tarifgestaltung zustehende Beurteilungsspielraum geht nicht so weit, eine Kategorie von Prozesskosten oder anderen Kosten von jeder gerichtlichen Kontrolle hinsichtlich ihrer Zumutbarkeit und Angemessenheit auszunehmen (EuGH, GRUR 2022, 853 [juris Rn. 49 bis 51] – NovaText).

Die Art. 3 und Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG sind deshalb dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung oder einer Auslegung dieser Regelung entgegenstehen, die es dem mit einem unter diese Richtlinie fallenden Verfahren befassten Gericht nicht erlaubt, bei der Beurteilung, ob die der obsiegenden Partei entstandenen Prozesskosten zumutbar und angemessen sind, in jedem ihm vorgelegten Fall dessen spezifischen Merkmale gebührend zu berücksichtigen (EuGH, GRUR 2022, 853 [juris Rn. 55] – NovaText).

An der bisher anerkannten Sichtweise, dass die Kosten der Mitwirkung eines Patentanwalts nach § 140 Abs. 3 MarkenG ohne Prüfung der Notwendigkeit erstattungsfähig sind, kann danach nicht festgehalten werden. Vielmehr erfordern die Art. 3 und Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG eine richtlinienkonforme Auslegung dieser Vorschrift dergestalt, dass nur die Kosten einer notwendigen patentanwaltlichen Mitwirkung erstattungsfähig sind.

BGH, I ZB 59/19
Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner