Im Oktober 2013 wurde der §104a UrhG so formuliert, dass bei urheberrechtlichen Klagen gegen Verbraucher das Gericht am Wohnsitz des Verbrauchers zuständig ist:
Für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die nach diesem Gesetz geschützte Werke (…) nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz (…) hat.
Das Landgericht Köln (14 O 123/14) hat nun entschieden, dass es hiervon Ausnahmen gibt – eine relevante Ausnahme soll vorliegen, wenn das Ausmaß des handelnden gerade nicht mehr als rein privat einzustufen ist. Dabei stellt das Gericht dann darauf ab, wie umfangreich beim Filesharing das Tauschverhalten war und ob sich das betroffene Werk in der „relevanten Auswertungsphase“ befunden hat.
Wem das bekannt vorkommt: Das entspricht den Überlegungen, mit denen vor den Änderungen im Oktober 2013 eine bundesweite Zuständigkeit beim Filesharing angenommen wurde. Das Landgericht Köln spricht auch offen an, dass es hier die alten Überlegungen auf die heutige Rechtslage überträgt. Allerdings verkennt es aus meiner Sicht dabei, dass der Gesetzgeber gerade diese alte Rechtsprechung zum Anlass genommen hat, um den §104a UrhG in der heutigen Fassung zu formulieren. Die Entscheidung des LG Köln geht damit klar am gesetzgeberischen Willen vorbei – und öffnet wiedermals ein Faß, das längst geschlossen war. Andererseits betont das LG Köln, dass immer im Einzelfall eine Wertung vorzunehmen ist, wobei hier wohl mit Ausschlaggebend war, dass gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung verstossen wurde – andererseits genügte dem LG bereits das dreimalige Anbieten (dazu am Ende des Beitrags!).
Es bleibt abzuwarten, ob sich andere Gerichte anschliessen und wieder bundesweite Klagen folgen. Erst einmal ist es aus meiner Sicht ein deutlicher Schritt zurück.
Aus der Entscheidung:
Insbesondere ist im vorliegenden Fall die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln gegeben. Diese ergibt sich gemäß § 32 ZPO. (…) Allerdings begründet § 104 a UrhG eine ausschließliche Spezialzuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten wegen Urheberrechtsverletzungen gemäß § 97 UrhG, wenn sich die Klage gegen eine natürliche Person richtet. (…) Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die natürliche Person die nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werke oder andere danach geschützte Schutzgegenstände für ihre gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit verwendet. (…)
Zwar ist der Beklagte eine natürliche Person (…)
Aus dem Vortrag der Klägerin folgt jedoch, dass von dem Beklagten die urheberrechtlich geschützten Schutzgegenstände bzw. ihre diesbezügliche Rechtsposition für seine gewerbliche Tätigkeit verwendet worden sind. (…)
Eine Begriffsbestimmung, was unter eine gewerbliche Tätigkeit in diesem Sinne fällt, enthält das Gesetz nicht. Insbesondere hat der Gesetzgeber keinen formalen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Gewerblichkeit gewählt, also etwa, dass eine gewerbliche Tätigkeit nur im Falle einer Eintragung in das Gewerberegister anzunehmen sein soll. (…)
Eine im Ausgangspunkt dem privaten Bereich zuzuordnende Tätigkeit ist dann als gewerbliches Handeln anzusehen, wenn es in einem Maße ausgeübt wird, das dem Handeln eines Gewerbetreibenden (schon) gleichkommt. (…)
Die Abgrenzung zwischen einer Einordnung als Verbraucher im Sinne von § 13 BGB und einem Unternehmer im Sinne von § 14 BGB, also über die Zuordnung zum privaten oder unternehmerischen Bereich, ist objektiv zu bestimmen; insbesondere entscheidet nicht der innere Wille des Handelnde (…) Jedenfalls dann, wenn das Zugänglichmachen umfangreicher Dateien, die urheberrechtlich geschützte Werke enthalten, mit Blick auf Zahl und Häufigkeit der von dem Anbieter vorgenommenen Angebote in Filesharing Netzwerken eine dauerhafte, planmäßige Ausrichtung auf eine Vielzahl von derartigen Nutzungen ausgerichtet ist, kann – nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls – die Verbrauchereigenschaft (§ 13 BGB) des Anbietenden zu verneinen und von einer Einordnung als Unternehmer im Sinne von § 14 BGB auszugehen und damit das Handeln als gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 104 a UrhG anzusehen sein. (…)
Auf der Grundlage dieser Kriterien ist für die Abgrenzung, ob es sich um einen Verbraucher oder einem Unternehmer im Sinne von §§ 13, 14 BGB handelt, mithin entscheidend der Umfang und die Intensität des Verhaltens des betroffenen Verletzers, letztlich also das Ausmaß seines Verhaltens. Deshalb hält die Kammer auch die zum Rechtsbegriff des „gewerblichen Ausmaßes“ des Verhaltens des Verletzers entwickelten Grundsätze für einen geeigneten Maßstab, die Abgrenzung vorzunehmen. Dies gilt umso mehr, als es nahe liegt, zur Auslegung von § 104 a UrhG andere Normen des Urheberrechtsgesetzes heranzuziehen, in denen die gleiche oder eine verwandte Begrifflichkeit Anwendung findet. Dies ist mit dem Begriff des „gewerblichen Ausmaßes“ gegeben, da dieser für den Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 1 UrhG als Tatbestandsmerkmal aufgenommen ist. So kann sich gemäß § 101 Abs. 1 S. 2 UrhG das gewerbliche Ausmaß sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben, womit es auch insoweit ebenso wie nach der vorzitierten Rechtsprechung zu §§ 13, 14 BGB entscheidend auf die Anzahl und die Nachhaltigkeit des rechtsverletzenden Verhaltens ankommt (…)
Nicht erforderlich ist, dass mit der Tätigkeit von dem Rechtsverletzer die Absicht verfolgt wird, Gewinn zu erzielen (vergleiche BGH, Urteil vom 29. März 2006 – VIII ZR 173/05). Hinzu kommt bei dem öffentlichen Zugänglichmachen von Computerspielen über ein Filesharing Netzwerk, dass der Verletzer zumindest mittelbar einen wirtschaftlichen Vorteil anstrebt, weil er eigene finanzielle Aufwendungen für den erwünschten Erwerb der von dem „Tauschpartner“ kostenfrei bezogenen Werk erspart
Zum konkreten Sachverhalt:
Die Klägerin hat ausreichend dargelegt, dass der Beklagte in gewerblichem(Aus-)Maß in diesem Sinne gehandelt hat und somit von einer gewerblichen Verwendung der urheberrechtlich geschützten Computerspiele der Klägerin durch den Beklagten auszugehen ist. Es steht fest, dass über den Anschluss des Beklagten drei verschiedene Computerspiele der Klägerin über ein Filesharing Netzwerk öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Sämtliche Rechtsverletzungen erfolgten innerhalb eines Zeitraumes von etwas über 3 Monaten, nämlich am 23. November 2013, am 4. Februar 2014 und am 8. März 2014. Damit sind beide Kriterien, die für eine unternehmerische bzw. gewerbliche Tätigkeit sprechen, erfüllt: Es liegt einerseits eine Anzahl von gleichartigen Rechtsverletzungen vor, weil dreimal von dem Internetanschluss des Beklagten aus über ein Filesharing Netzwerk jeweils andere Computerspiele öffentlich zugänglich gemacht worden sind, und es ist andererseits eine nachhaltige Rechtsverletzung gegeben. Die Nachhaltigkeit des Verhaltens des Beklagten ergibt sich dabei insbesondere aus dem Umstand, dass er erst am 28. Januar 2014 eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat, keine Computerspiele der Klägerin mehr zu vervielfältigen, öffentlich zugänglich zu machen oder Dritten dies zu ermöglichen. Schon eine Woche später, nämlich am 4. Februar 2014, ist unter Verstoß gegen diese Unterlassungsverpflichtung erneut ein Computerspiel der Klägerin über den Internetanschluss des Beklagten öffentlich zugänglich gemacht worden. Schon daraus folgt eine dauerhafte und planmäßige Ausrichtung des Verhaltens, welches noch dadurch verstärkt wird, dass wiederum nur rund einen Monat später, nämlich am 8. März 2014, der nächste Verstoß erfolgt ist.
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