In zwei Entscheidungen des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main wird klargestellt, dass bei vorzeitiger Beendigung eines Nutzungsvertrages durch den Lizenzgeber ein Lizenzschadensersatz zu zahlen ist, wenn das Werk weiterhin unerlaubt genutzt wird.
Diese Entscheidungen sind von großer Bedeutung für die urheberrechtliche Praxis, da sie die rechtliche Unabhängigkeit des Schadensersatzanspruchs aus dem Vertragsbruch von dem Anspruch aus der unerlaubten Werknutzung betonen.
Sachverhalt
In beiden Fällen ging es um die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke im Rahmen eines Nutzungsvertrages, der aufgrund von Zahlungsverzug außerordentlich gekündigt wurde. Trotz der Kündigung setzten die Beklagten die Nutzung der Werke fort, was die Lizenzgeber dazu veranlasste, sowohl vertraglichen Schadensersatz als auch deliktischen Lizenzschadensersatz zu verlangen.
Fall 1: OLG Frankfurt, 11 U 47/19
Der Beklagte hatte mit der Klägerin, einer Inhaberin urheberrechtlicher Nutzungsrechte an einem verschlüsselten Fernsehprogramm, einen Nutzungsvertrag abgeschlossen. Wegen Zahlungsverzugs kündigte die Klägerin den Vertrag außerordentlich. Trotz der Kündigung nutzte der Beklagte weiterhin das Programm und machte es in seiner Betriebsstätte öffentlich wahrnehmbar.
Fall 2: OLG Frankfurt, 11 U 169/22
Auch in diesem Fall hatte die Klägerin einem Gewerbetreibenden die Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes erlaubt und den Vertrag wegen Zahlungsverzugs außerordentlich gekündigt. Der Beklagte setzte die Nutzung jedoch widerrechtlich fort.
Alle Jahre wieder ist es so weit: In Gaststätten werden anlässlich von Pokalspielen, Endspielen, Europa- oder Weltmeisterschaft Spiele gezeigt, ohne dass dafür Nutzungsrechte vorhanden sind. Die Überraschung ist dann groß, wenn man feststellt, wie fein ausgearbeitet das System an Kontrolleuren ist – und wie teuer Abmahnungen in dem Bereich sein können.
Rechtliche Analyse
Die wesentlichen rechtlichen Probleme, die das OLG Frankfurt in beiden Fällen behandelt hat, betreffen die Unabhängigkeit der Schadensersatzansprüche aus Vertragsbruch und unerlaubter Werknutzung.
Nachvertraglicher Schadenersatz
Der nachvertragliche Schadensersatzanspruch ergibt sich aus der außerordentlichen Kündigung des Vertrages aufgrund des Zahlungsverzugs. Der Lizenzgeber hat hierdurch Anspruch auf einen pauschalierten Schadenersatz, der sich aus der vereinbarten Lizenzgebühr für die Restlaufzeit des Vertrages ergibt. Dieser Schadenersatz soll den Lizenzgeber so stellen, als wäre der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden.
Deliktischer Lizenzschadenersatz
Unabhängig vom vertraglichen Schadenersatzanspruch steht dem Lizenzgeber ein deliktischer Lizenzschadenersatz zu, wenn der Lizenznehmer das Werk nach der Kündigung weiterhin unerlaubt nutzt. Dieser Anspruch basiert auf den Grundsätzen der Lizenzanalogie, wobei der Schaden in Höhe der üblichen Lizenzgebühr zu bemessen ist, die vernünftige Vertragsparteien für die Nutzung vereinbart hätten.
Keine Gesetzeskonkurrenz
Das OLG Frankfurt hat klargestellt, dass zwischen den beiden Schadensersatzansprüchen keine Gesetzeskonkurrenz besteht, da sie auf unterschiedlichen schädigenden Ereignissen beruhen: der vertragliche Schadenersatz auf der Nichtzahlung der Lizenzgebühr und der deliktische Schadenersatz auf der widerrechtlichen Nutzung des Werkes.
Vorteilsausgleich
Eine Anrechnung der beiden Schadensersatzansprüche aufeinander wird ebenfalls abgelehnt. Der Vorteilsausgleich greift nur, wenn der Vorteil aus dem gleichen Schadensereignis resultiert, was hier nicht der Fall ist. Eine gegenseitige Berücksichtigung der Ansprüche würde dem Zweck des Schadensersatzes widersprechen und den Schädiger unbillig entlasten.
Fazit
Die Entscheidungen des OLG Frankfurt machen deutlich, dass bei vorzeitiger Beendigung eines Nutzungsvertrages und anschließender unerlaubter Werknutzung der Lizenznehmer für beide Verstöße separat haftet. Das führt zwar zu einer gefühlten doppelten Zahlung, tatsächlich aber liegt keine doppelte Zahlung vor, sondern man muss für sein gleich mehrfaches rechtswidriges Verhalten einstehen.
Der vertragliche Schadenersatz für den Vertragsbruch und der deliktische Schadenersatz für die widerrechtliche Nutzung sind unabhängig voneinander zu leisten. Diese klare Trennung dient dem Schutz der Urheberrechte und stellt sicher, dass die Rechteinhaber umfassend entschädigt werden. Für die Betroffenen bedeutet dies, dass ein Vertragsbruch nicht die unerlaubte Nutzung rechtfertigt und zusätzliche Kosten verursachen kann.
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