Markenrecherche durch Werbeagentur? Werbeagenturen bzw. Grafik-/Designagenturen erstellen regelmäßig für Ihre Kunden Logos oder schaffen Werbekampagnen mit eingängigen (Produkt-)Namen. Immer wieder wird dabei gerne vergessen bzw. verdrängt, sich über rechtliche Fragen hinsichtlich der Verwendbarkeit Gedanken zu machen.
Gerade mittelständische Kunden glauben gerne, bei den Agenturen ein grundsätzliches „Komplettpaket“ gebucht zu haben, also am Ende z.B. ein Logo zu erhalten das nicht nur gut aussieht, sondern bei dem auch geprüft wurde, ob es irgendwelche rechtlichen Bedenken gibt. Und das alles natürlich zu einem unglaublichen Preis.
Erwartungshaltungen gegenüber Werbeagentur
Das Problem ist vor allem, dass die Beteiligten entweder beide gar nicht darüber nachdenken oder unausgesprochene einseitige Erwartungshaltungen beim Kunden vorliegen. Weiterhin muss gesehen werden, dass man sich im Regelfall im Bereich des Werkvertrags (§§631ff. BGB) bewegt und hier sagt §633 BGB:
Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. […] Das Werk ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf das Werk keine oder nur die im Vertrag übernommenen Rechte gegen den Besteller geltend machen können.
Das heißt, wenn Dritte Rechte geltend machen können und diesbezüglich keine Vorbehalte im Vertrag vorgesehen sind, bewegt sich im Bereich der Gewährleistung bzw. Mängelhaftung. Die weite Formulierung des §633 BGB macht dabei deutlich, wie umfassend die Haftung sein kann. In der Vergangenheit waren hier bei Werbemaßnahmen etwa fremde Urheberrechte ein Problem (BGH, X ZR 200/01) oder bei Software ist an den Fall zu denken, dass fremde Patente verletzt werden.
Urteil zu Pflicht zur Recherche durch Agentur
Nun hatte sich das Kammergericht (19 U 109/10; Hinweisbeschluss) mit folgender Frage zu beschäftigen: Wenn eine Agentur beauftragt wird, für 770 Euro ein Logo zu erstellen und im Vertrag schriftlich Details nicht geregelt sind – gehört eine Markenrecherche zu den (Neben-)Pflichten der Agentur?
Auf den ersten Blick hat das Kammergericht diese Frage verneint, im Detail aber klar gestellt, dass eben dies denkbar ist. Mit dem Gericht
[…] kann eine Werbeagentur bei einer groß angelegten Werbekampagne und der Vereinbarung einer nicht lediglich geringfügigen Vergütung auch ohne gesonderte Vereinbarung zu umfassender rechtlicher Prüfung verpflichtet sein […]
Zur Erinnerung: Es geht hier um den Fall, dass im Vertrag nichts ausdrücklich geregelt wurde, also im Zuge der Vertragsauslegung zu entscheiden ist, ob eine „Markenrecherche“ zumindest konkludent vereinbart war. Jedenfalls das Kammergericht wäre hier wohl der Auffassung, dass je nach Auftragsvolumen und Bedeutung der Werbeanzeige eine solche Recherche durchaus Vertragsbestandteil wäre – oder zumindest die vertragliche Nebenpflicht besteht, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass eine solche Recherche nicht vorgenommen wird.
In jedem anderen Fall (also inbesondere bei einem kleinen Auftragsvolumen) soll sich die Hinweispflicht bzgl. Rechtsverstößen der Agentur darauf beschränken, dass ihr bekannte, grobe und
Liegen diese Voraussetzungen indes nicht vor, kann er allenfalls erwarten, von der Werbeagentur nur auf ihr bekannte sowie grobe und unschwer erkennbare Rechtsverstöße hingewiesen zu werden.
Weiter stellte das Kammergericht klar, dass nach seiner Einschätzung die Auftragssumme durchaus ein angemessener Faktor sein kann, um im Wege der Vertragsauslegung zu erkennen, ob eine Markenrecherche mit geschuldet ist. Jedenfalls bei einer Auftragssumme von 770 Euro meint das Gericht zu einer Markenrecherche erst einmal korrekt:
Eine solche wäre nämlich bei einer Vergütung von 770,00 EUR ganz offenkundig weder kostendeckend noch mit hinreichender Verlässlichkeit von der Beklagten zu erbringen gewesen. Eine Markenrecherche dient vornehmlich dazu, das Risiko der Inanspruchnahme durch Inhaber älterer Kennzeichenrechte Dritter einzuschätzen und ist aufgrund ihres Umfangs zeit- und kostenintensiv […] Die Klägerin geht deshalb fehl, wenn sie hinsichtlich einer etwaigen Rechercheobliegenheit vornehmlich auf eine Internetrecherche beim DPMA abstellt. Erforderlich ist nämlich nicht nur eine Identitäts-, sondern auch eine aufwendige und kostenpflichtige Ähnlichkeitsrecherche, die wiederum eine gründliche Auswertung – verlässlich nur durch spezialisierte Rechtsanwälte oder mit dem Markenrecht vertraute Spezialisten – erfordert […]
Insgesamt ist diese Argumentation aber nicht grundsätzlich zu verallgemeinern, vor allem nicht pauschal davon auszugehen, dass eine Auftragssumme bis 770 Euro nun ein „Freifahrtschein“ ist. So kann auch an Situationen gedacht werden, in denen ein solch günstiger Auftrag samt Markenrecherche zwar bilanziell unklug erscheinen mag, aber die Mehrausgaben letztlich in Kauf genommen werden, um einen „großen Kunden“ zu locken und zu binden. Hinzu kommt, dass man sich vielleicht zu weit aus dem Fenster lehnt und mündliche Zusagen gibt.
Beiträge zur Haftung von Werbeagenturen
Die Haftung von Werbeagenturen ist in unserem Blog in mehreren Beiträgen aufbereitet, in denen wir uns exemplarisch mit ausgewählten, wichtigen Punkten der Agentur-Haftung beschäftigen:
Darüber hinaus soll mit dem Kammergericht keine explizite Hinweispflicht im konkreten Fall bestanden haben bzgl. der nicht vorgenommenen Markenrecherche:
Einerseits war die Klägerin, wie das Landgericht im Kern zutreffend ausgeführt hat, als spätere Markenanmelderin im Verhältnis zu etwaigen sonstigen Markeninhaber bereits zur Markenrecherche verpflichtet (BGH, GRUR 1960, 186, 187). Deshalb war sie im Rahmen ihrer Eigenverantwortung gehalten, durch Nachfrage bei Auftragserteilung sicherzustellen, ob eine entsprechende Prüfung von der Beklagten vorgenommen werden würde. Anderseits fehlte es aber auch an einem Informationsgefälle zu Lasten der Klägerin, da sich aus obigen Erwägungen bereits aus der im Angebot vom 11. Januar 2008 enthaltenen eng gefassten Leistungsbeschreibung und der Vereinbarung einer vergleichsweise niedrigen Vergütung mit hinreichender Deutlichkeit ergab, dass eine Markenrecherche von der Beklagten nicht vorgenommen werden würde.
Die Argumentation erscheint zwar eingängig, ist für mich aber nicht zwingend, da es ja gerade Sinn eines „Komplettpaketes“ sein kann, spätere Prüfpflichten nicht nur kostengünstig zu erledigen; darüber hinaus muss gesehen werden, dass die Erstellung eines Logos ein längerer Prozess ist und ein hohes Bedürfnis besteht bzw. bestehen sollte, die rechtliche Prüfung möglichst frühzeitig einzubinden. Wenn erst nach Fertigstellung die Prüfung beginnt und Probleme auftreten, muss sonst der Prozess quasi von vorne beginnen und es wurde unnötig Geld verbrannt. Abgesehen davon, dass auch Werbeagenturen ein hohes Interesse daran haben, dass der Kunde gerade nicht ein Logo bereits „lieb gewinnt“ und dann hinterher gezwungen wird, davon Abstand zu nehmen. Der zweite Arbeitsprozess ist hier erheblich undankbarer als der erste.
Fazit zu den Pflichten der Werbeagentur
Was heißt das im Fazit: Vorsicht ist geboten. Vertraglich ist man immer schlecht beraten, wenn man darauf setzt, problematische Dinge einfach nicht klar anzusprechen bzw. im Vertrag zu regeln. Auch der Weg, über Wischi-Waschi-AGB vermeintlich eine bestehende Haftung zu begrenzen führt am Ende nur zur risikoreichen Vertragsauslegung. Mit Blick auf das Kammergericht sollten jedenfalls kleinere Aufträge in sicherem Fahrwasser möglich sein, wobei auch hier das große Risiko von mündlichen Absprachen nicht unterschätzt werden sollte. Wenn der Mitarbeiter etwa vorschnell (vor Zeugen) mündlich eine Prüfung zusichert, ist das Problem eher schwer in den Griff zu bekommen. Mal abgesehen davon, dass gerade die notwendige Ähnlichkeitsrecherche samt Bewertung kleinere Agenturen vor große Hindernisse stellen wird. Andererseits wird man auch bei mündlicher Zusage hinterher auslegen können, was für eine Art Prüfung überhaupt zugesichert werden konnte.
Letztlich gilt aber schlicht und einfach für den Vertrag: „Klar ist Trumpf“.
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