Mitbestimmungsrechte bei der Einführung und Anwendung der Software Microsoft Office 365

Im Fall des Bundesarbeitsgerichts (BAG), Aktenzeichen 1 ABR 20/21, wurde die Frage der Mitbestimmungsrechte bei der Einführung und Anwendung der Software Microsoft Office 365 im Unternehmen diskutiert. Die zentrale Frage war, ob der Gesamtbetriebsrat oder die einzelnen örtlichen Betriebsräte für die Regelung der Einführung und Nutzung von Microsoft Office 365 zuständig sind.

Die Kernproblematik drehte sich um die technische Einrichtung der Software, die potenziell das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer überwachen könnte. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte bei der Einführung solcher technischen Einrichtungen. Die Entscheidung des BAG bestätigte, dass die Einführung und Nutzung von Microsoft Office 365 unter die Mitbestimmungsrechte des Gesamtbetriebsrats fällt, da die Software das Potenzial hat, als Überwachungsinstrument zu fungieren und eine unternehmensweite Regelung erforderlich macht.

Die rechtlichen Auseinandersetzungen entzündeten sich insbesondere an der Frage, inwieweit die Einführung einer zentralen Verwaltungs- und Überwachungseinrichtung durch Microsoft Office 365 als „1-Tenant-Lösung“ die Notwendigkeit einer betriebsübergreifenden Regelung erfordert, die nur durch den Gesamtbetriebsrat getroffen werden kann.

Die Gerichtsentscheidung bekräftigte, dass eine solche zentrale Überwachungsmöglichkeit technisch zwingend eine betriebsübergreifende Regelung erfordert, was die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründet:

Die Administration der Software, die die Arbeitgeberin einführen will, kann nur einheitlich für das gesamte Unternehmen – den sog. Tenant – erfolgen. Entsprechend werden auch die Administrationsrechte zentral vergeben. Dadurch besteht die Möglichkeit einer Kontrolle des Nutzungsverhaltens von Arbeitnehmern in sämtlichen Betrieben. Diese zentrale Überwachungsmöglichkeit gebietet aus technischen Gründen zwingend eine betriebsübergreifende Regelung (vgl. für die Zuständigkeit eines Konzernbetriebsrats BAG 25. September 2012 – 1 ABR 45/11 – Rn. 26 f.).

Der Umstand, dass bei einzelnen Modulen benutzerbezogene Einstellungen vorgenommen werden können, führt entgegen der Auffassung des antragstellenden Betriebsrats zu keiner anderen Bewertung. Die zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeigneten Komponenten oder Funktionen – die etwa die Erstellung von Verwendungsberichten, Nutzungsanalysen oder Ereignisprotokollen erlauben – sind technisch nicht auf bestimmte Personen oder Personengruppen einschränkbar. So ist der zentrale Administrator zB in der Lage, bei allen Nutzern in den einzelnen Betrieben nachzuverfolgen, zu welchen Zeiten sie mit dem Internet verbunden sind oder waren. Er hat zudem die – technisch nicht einschränkbare – Möglichkeit, auf sämtliche Benutzerdaten aus den Anwendungen des Moduls Office 365 ProPlus zuzugreifen. Auch der Einwand des antragstellenden Betriebsrats, eine zwingende technische Notwendigkeit bestehe allenfalls für die Einführung, nicht aber für die Anwendung, jedenfalls aber nicht für sämtliche Module des Softwarepakets, verfängt nicht. Er übersieht, dass es sich hierbei um eine einheitliche betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit handelt, innerhalb derer eine Aufspaltung der Zuständigkeit auf mehrere betriebsverfassungsrechtliche Organe nicht möglich ist (vgl. BAG 18. Juli 2017 – 1 ABR 59/15 – Rn. 21, BAGE 159, 360; 14. November 2006 – 1 ABR 4/06 – Rn. 33 ff. mwN, BAGE 120, 146). Eine „Verschiebung“ der Zuständigkeiten von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat – wie vom antragstellenden Betriebsrat angenommen – findet dadurch nicht statt. Die Zuständigkeit knüpft weiterhin an die jeweilige betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit und damit hier an die Einführung und Anwendung des Softwarepakets Office 365 als „1-Tenant-Lösung“ an.

Unerheblich ist, dass in der Sache für die Nutzung einzelner Module betriebsspezifische Regelungen getroffen werden können. Nach dem Grundsatz der Zuständigkeitstrennung obliegt die Regelung einer Angelegenheit entweder ausschließlich den einzelnen Betriebsräten, dem Gesamtbetriebsrat oder dem Konzernbetriebsrat. Diese gesetzliche Kompetenzverteilung ist zwingend und unabdingbar (BAG 14. November 2006 – 1 ABR 4/06 – Rn. 34 mwN, BAGE 120, 146). Ist der Gesamtbetriebsrat zuständig, muss er die gesamte Angelegenheit mit dem Arbeitgeber regeln (vgl. BAG 14. November 2006 – 1 ABR 4/06 – Rn. 33, aaO). Die Betriebsparteien dürfen sich dabei nicht auf diejenigen Aspekte oder Inhalte beschränken, die zwingend einer unternehmenseinheitlichen Ausgestaltung bedürfen. Sie haben vielmehr selbst ggf. bestehende örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen. Ob der Gesamtbetriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nicht oder – wie der antragstellende Betriebsrat meint – nicht im erforderlichen Maß ausübt, ist für die Zuständigkeitsverteilung nicht entscheidend.

Ohne Bedeutung ist zudem, dass die Arbeitgeberin Microsoft Office 365 bereits in einzelnen Betrieben des Unternehmens eingeführt hat. Die technisch bedingte Notwendigkeit einer betriebsübergreifenden Regelung ergibt sich aus der zentralen Überwachungsmöglichkeit, die mit dem Einsatz dieser Software verbunden ist. Der Senat muss nicht darüber entscheiden, ob sie auch durch eine unternehmenseinheitliche Nutzung (vgl. dazu BAG 25. September 2012 – 1 ABR 45/11 – Rn. 26 f.) bedingt wäre, zumal das Landesarbeitsgericht insoweit keine Feststellungen getroffen hat.


Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts bestätigt die Relevanz der betrieblichen Mitbestimmung bei technischen Systemen, die weitreichende Überwachungsfunktionen enthalten können und hebt die Bedeutung einer sorgfältigen Abwägung zwischen Technologieeinsatz und Arbeitnehmerrechten hervor.

Die Entscheidung unterstreicht die wichtige Rolle des Gesamtbetriebsrats in der Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer bei unternehmensweiten technischen Implementierungen.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner