Nutzer eines Internet-Radiorecorders können sich auf die Privatkopieschranke berufen

In einer weiteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) ging es um die Frage, ob Nutzer eines Internet-Radiorecorders sich auf die Privatkopieschranke des § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG berufen können, wenn sie Musiktitel aufzeichnen und speichern. Der Fall betraf ein Unternehmen der Tonträgerindustrie, das gegen die Betreiber eines Internetdienstes vorging, der es Nutzern ermöglichte, Musiktitel von Internet-Radiosendungen aufzunehmen. Der BGH bekräftigte insoweit seine frühere Rechtsprechung.

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Tonträgerunternehmen, klagte gegen die Betreiber eines Internetdienstes, der registrierten Kunden erlaubte, Musiktitel von Internet-Radiosendern aufzunehmen und auf einem persönlichen Speicherplatz zu speichern. Diese Aufnahmen konnten dann von den Nutzern wiedergegeben oder heruntergeladen werden. Die Klägerin sah hierin eine Verletzung ihrer ausschließlichen Rechte und forderte Unterlassung sowie Schadensersatz.

Rechtliche Analyse

Der BGH entschied, dass die Nutzer des Internet-Radiorecorders sich auf die Privatkopieschranke des § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG berufen können, solange die Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch erfolgen und nicht für kommerzielle Zwecke gedacht sind.

Der EUGH stellte auf vorherige Vorlage durch den BGH fest, dass die Speicherung der Musiktitel auf den Servern der Beklagten eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 Abs. 1 UrhG darstellt. Die Beklagten, als Betreiber des Dienstes, stellten lediglich die technischen Mittel zur Verfügung, sodass die Nutzer selbst als Hersteller der Vervielfältigungen anzusehen sind. Der BGH dazu:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Beurteilung der Frage, wer Hersteller einer Vervielfältigung ist, zunächst allein auf eine technische Betrachtung an. Die Vervielfältigung ist als körperliche Festlegung eines Werks ein rein technisch-mechanischer Vorgang.

Hersteller der Vervielfältigung ist daher derjenige, der diese körperliche Festlegung technisch bewerkstelligt. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob er sich dabei technischer Hilfsmittel bedient, selbst wenn diese von Dritten zur Verfügung gestellt werden (…)

Danach ist allein der Kunde als Hersteller der Aufzeichnung eines Internet-Video- oder Radiorecorders anzusehen, wenn er eine Aufzeichnung unter Nutzung der vollständig automatisierten Vorrichtung des Anbieters des Internet-Recorders anfertigt, wobei seine Programmierung der Aufzeichnung einen Vorgang auslöst, der vollständig automatisiert ohne (menschlichen) Eingriff von außen abläuft. Die Aufzeichnung kann dem Anbieter des Internet-Recorders selbst dann nicht zugerechnet werden, wenn dieser sich nicht darauf beschränkt, seinen Kunden lediglich einen Speicherplatz für die Aufzeichnung der Vervielfältigung zur Verfügung zu stellen, sondern ein Gesamtpaket von Leistungen anbietet (…)

Entscheidungsgründe

  1. Privatkopieschranke (§ 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG): Der BGH bestätigte, dass die Nutzer des Dienstes berechtigt sind, die Privatkopieschranke in Anspruch zu nehmen, da die Aufnahmen zum privaten Gebrauch bestimmt sind und die Nutzer keine offensichtlich rechtswidrig hergestellten oder öffentlich zugänglich gemachten Vorlagen verwenden.
  2. Keine kommerzielle Nutzung: Es wurde festgestellt, dass die Nutzer die Aufnahmen nicht zu kommerziellen Zwecken verwenden, sondern lediglich für den privaten Gebrauch, was die Anwendung der Privatkopieschranke rechtfertigt.
  3. Vervielfältigung und Speicherung: Die Speicherung der Musiktitel auf den Servern der Beklagten stellt eine Vervielfältigung dar, die jedoch durch die Nutzer initiiert wird. Die Beklagten bieten lediglich die technischen Mittel zur Aufzeichnung und Speicherung der Musiktitel an.

Fazit

Der BGH hat klargestellt, dass Nutzer eines Internet-Radiorecorders, die Musiktitel zum privaten Gebrauch aufnehmen und speichern, sich auf die Privatkopieschranke des § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG berufen können. Dies gilt auch, wenn die technischen Mittel zur Vervielfältigung von einem Drittanbieter bereitgestellt werden, solange die Nutzung nicht kommerziell erfolgt.

Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Privatkopieschranke im digitalen Zeitalter auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich ergangenen EUGH-Rechtsprechung – und gibt Nutzern von Internet-Radiorecordern Rechtssicherheit bei der Aufnahme und Speicherung von Musik für den privaten Gebrauch.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner