Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat in einem Urteil vom 5. Dezember 2023 (Az. 14 U 503/23) klargestellt, dass ein DNS-Resolver-Dienst nicht für Urheberrechtsverletzungen haftet, die durch die von ihm bereitgestellten Dienste ermöglicht werden. Der Fall betrifft die Frage, ob und inwieweit ein DNS-Resolver-Dienst als Täter einer Urheberrechtsverletzung durch öffentliche Zugänglichmachung haftbar gemacht werden kann.
Sachverhalt
Die Klägerin, S… Entertainment Germany GmbH, ein Tonträgerhersteller, nahm die Beklagte, die Q… Stiftung, die einen DNS-Resolver anbietet, auf Unterlassung in Anspruch. Die Klägerin argumentierte, dass die Beklagte durch die Bereitstellung des DNS-Resolvers zur öffentlichen Zugänglichmachung des Musikalbums „Evanescence – The Bitter Truth“ beigetragen habe. Der DNS-Resolver übersetzte die Domain „canna.to“ in eine numerische IP-Adresse, wodurch Nutzer Zugang zu rechtsverletzenden Inhalten erhielten. Das Landgericht Leipzig hatte der Klage stattgegeben, woraufhin die Beklagte Berufung einlegte.
Rechtliche Würdigung
Haftung nach §§ 97 Abs. 1, 15, 19a UrhG: Das OLG Dresden entschied, dass die Beklagte nicht als Täterin oder Teilnehmerin im Sinne der §§ 97 Abs. 1, 15, 19a UrhG für die Urheberrechtsverletzungen haftet.
- Zentrale Rolle des DNS-Resolvers: Das Gericht stellte fest, dass dem DNS-Resolver keine zentrale Rolle bei der öffentlichen Zugänglichmachung der rechtsverletzenden Inhalte zukommt. Ein DNS-Resolver wandelt lediglich Domainnamen in IP-Adressen um, was eine notwendige technische Dienstleistung im Internet darstellt. Diese Tätigkeit allein stellt keine Handlung der Wiedergabe dar, wie es für eine Haftung nach §§ 97 Abs. 1, 15, 19a UrhG erforderlich wäre.
- Vermittlungsdienste und Haftungsprivilegien: Der DNS-Resolver wird als Vermittlungsdienst angesehen, der nach § 8 Abs. 1 TMG (Telemediengesetz) haftungsprivilegiert ist. Das bedeutet, dass der Anbieter für fremde Informationen, die er übermittelt oder zu denen er den Zugang vermittelt, nicht verantwortlich ist. Diese Haftungsprivilegierung wird auch durch den Digital Services Act (DSA) der EU bestätigt, der ab dem 17. Februar 2024 gilt und DNS-Resolver-Dienste ausdrücklich als haftungsprivilegierte Dienste einstuft.
- Zumutbarkeit und Subsidiarität: Das Gericht hob hervor, dass Sperranordnungen gemäß § 7 Abs. 4 TMG nur als letztes Mittel in Betracht kommen. Die Klägerin muss nachweisen, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen ausgeschöpft hat, um gegen die unmittelbaren Verletzer vorzugehen, bevor sie den DNS-Resolver in Anspruch nimmt. Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin keine ausreichenden Bemühungen unternommen, um den Host-Provider oder die Betreiber der rechtsverletzenden Internetseiten direkt in Anspruch zu nehmen.
Entscheidung
Das OLG Dresden gab der Berufung der Beklagten statt und wies die Klage ab. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Gericht entschied, dass die Beklagte als DNS-Resolver-Dienst nicht für die Urheberrechtsverletzungen haftet, da sie keine zentrale Rolle bei der öffentlichen Zugänglichmachung der Inhalte spielt und die Klägerin nicht alle zumutbaren Maßnahmen gegen die unmittelbaren Verletzer ergriffen hatte.
Fazit
Diese Entscheidung des OLG Dresden verdeutlicht die Grenzen der Haftung von DNS-Resolver-Diensten im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen. Sie unterstreicht die Bedeutung der technischen Rolle von DNS-Resolvern und bestätigt ihre Haftungsprivilegierung nach deutschem Recht und dem EU-Digital Services Act. Rechteinhaber müssen zunächst alle anderen rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, bevor sie Vermittlungsdienste wie DNS-Resolver in Anspruch nehmen können.
- Russische Militärische Cyber-Akteure nehmen US- und globale kritische Infrastrukturen ins Visier - 11. September 2024
- Ransomware Risk Report 2024 von Semperis - 11. September 2024
- Künstliche Intelligenz in Deutschland – Status, Herausforderungen und internationale Perspektiven - 10. September 2024